Mittwoch, 31. August 2022

Rückblick - Überblick

Das ist der letzte Post des Kuhblogs. Wahrscheinlich für sehr lange Zeit.

Daher möchte ich noch einmal zurück blicken auf für mich besondere Posts und einen Überblick als Einstieg in die Fülle der Artikel geben, weil dieser Post dann ganz oben stehen wird und neue Leser oder zurückkehrende Leser anspricht.

- Der erste Post vom Kuhblog mit Kuhbezug, wie es für mich endlich ins Berufsleben ging. (Post vom 01.07.2013)
- Ein Post mit Foto von Michi ohne Schwanz für Fabienne, von dem an ich sie auf ihrem Weg begleitete, dessen bisher letzte Etappe ihr Abschluss als Landwirtin vor drei Wochen war. (Post vom 01.12.2013)
- Als das neue Melkkarussell in Betrieb genommen wurde, der Post war fast zwei Jahre in Planung gewesen (Post vom 05.06.2015)
- Die meiste Arbeit habe ich in den Post über die Trächtigkeitsuntersuchung per Ultraschall investiert. Weil man von außen nichts sieht habe ich ein Bild zur schematischen Funktionsweise gemalt und eingescannt. (Post vom 08.01.2016)
- Der Post an dem ich mich am meisten verkünstelt habe war der über die Ohrmarken. Da dachte ich beim Schreiben dass ich nie fertig werde (Post vom 26.07.2019)
- Eine besondere Geschichte mit der Operation auf dem Karussell, wo ich am nächsten Morgen eine erstaunte SMS von einer Stammleserin bekommen habe (Post vom 22.01.2016)
 
Zum Überblick über den Kuhblog.
Unter den Posts seit Sommer 2020 stehen die Labels. Wenn man darauf klickt kommen alle Posts mit dem gleichen Label, also themenverwandt. Diese Labels will ich in der nächsten Zeit auf alle Posts ausweiten.
 
Im Blog gab es mehrere Serien, im jeweils ersten Post füge ich in nächster Zeit analog zum Start-Post der Fütterungs-Serie noch eine Übersicht ein. 

Meinen (Stamm)lesern möchte ich noch einmal herzlich danken; auch Manfred und Kurt.

Benjamin

Samstag, 27. August 2022

Letzte Statistik

Zum Abschluss des Kuhblogs noch mal die Leserstatistiken seit Juni 2013 an.

Die zehn beliebtesten Posts:
1. Richtung Kompakt-TMR (16.08.2018). Ein absoluter Dauerbrenner bis Mitte 2019.
2. Ausgekugelte Hüfte (03.03.2019). Ein Dauerbrenner seit Anfang 2020.
3. Neue Milchtankstelle (09.09.2017). Höhepunkt im Sommer 2019, 2020 und 2021 auch viel gelesen.
4. Letzte Pegeltour (12.12.2014). 2015 bis Anfang 2016 am meisten gelesen.
7. Gerste mähen (08.07.2016). Nochmal im Sommer 2017 beliebt
8. INRA 95 (07.08.2021). Seitdem einer der Dauerbrenner.
9. Drenchen - Teil 3 (16.05.2019). Durchgehend viel gelesen.

Die Topliste der verweisenden Adressen ist immer ziemlich gleich geblieben: Klar dominiert von allen möglichen Google-Seiten, Facebook taucht auch auf, Agrartechnik-im-Einsatz halt bis 2020 und der Kuhblog selbst mit den intern verlinkten Posts.

Die benutzen Browser zum Lesen des Kuhblogs: Firefox, Chrome, Safari, Internet Explorer, Samsung Browser. Der Internet Explorer ist auf wenige Prozent hesunken. Chrome hat stark zugleget und ist mittlerweile bei Zweidrittel. Safari und Firefox haben abgenommen, Samsung Browser auf geringem Niveau zugelegt.
 
Nach Betriebssystemen: Windows eigentlich die ganze Zeit über um Zweidrittel, dann Android ungefähr doppelt so viel wie I-Phone und der ganze Rest (Mac, Linux etc.). Das hat sich vor paar Jahren gedreht, anfangs war mehr I-Phone als Android.
 
Die beliebtesten Suchbegriffe die auf den Kuhblog weitergeleitet wurden.
1. Benjamins Kuhblog, Kuhblog, Kuhblock und ähnlich Varianten
2. Content; total nichtssagend, das Wort habe ich auch nie verwendet
3. Besamer
4. Wie viel frisst eine Kuh pro Tag und ähnliche
5. Palpation rail
6. Treibweg Kühe
7. INRA 95
8. Agrartechnik im Einsatz
 
Benjamin

Dienstag, 23. August 2022

Drittletzter Post

Jetzt gibt es einen Post der eigentlich länger angedacht war als jeder andere, nämlich der Letzte. Es kommen jetzt noch zwei zur Ergänzung und möglicherweise ist es auch nicht für immer.

Den Anlass zum Blog habe ich gleich im ersten Post (26.06.2013) erklärt: Dass ich nicht allen persönlich E-Mails schreiben muss. Mein Bruder hatte das 2012 gemacht als er für drei Monate in Kanada gewesen war (Link zu David in Kanada). Im Vergleich zum Kuhblog viel einfacher; über die alltäglichen Abenteuer und auch mit einem klar definierten Abschluss nach den drei Monaten.

Solch ein Ziel hatte ich nicht, nach einem Jahr und rund 200 Posts stellte ich mir doch die Frage für wie lange überhaupt. Da hatte ich mir großzügig den Zeitrahmen 1000 Posts bis 2021 abgesteckt (siehe auch Post vom 19.11.2018). Halt mal auf 7 Jahre geplant. Mit 2022 und 1402 Posts ist es eine Planübererfüllung geworden. Das Wichtigste im Plan war aber den Blog nicht einschlafen zu lassen und einen ordentlichen Abschluss zu machen. Das ist eigentlich Standard und gefiel mir nie, das hat so was Hinhaltendes für die Leser/Hörer.

Der Kuhblog hat mich über die letzten 9 Jahre durch alle Höhen und Tiefen begleitet, wirklich eine Konstante, zwei bis drei Posts pro Woche. Der längste Abstand ware im September/Oktober 2018 mal 9 Tage gewesen, da wurde ich schon sehr nervös.
Was mich jetzt zu der Entscheidung geführt hat:
- Die Leserschaft hat abgenommen, gab es 2020 einen Schub durch den ersten Corona-Lockdown, so gingen die Leserzahlen ab Mai 2021 deutlich zurück. Dauerte natürlich bis ich das im Vergleich der Monate gemerkt habe und dann halt der "Bremsweg" mit den ganzen Posts die ich noch auf dem Zettel hatte.
- Für mich gibt es gefühlt nicht mehr so viele Themen. War vor so sieben, acht Jahren fast immer der Gedanke im Hinterkopf: "Mach ein Foto davon und schreib im Blog darüber". So ist es heute eher so dass mir einfällt wann ich schon darüber geschrieben habe.
- Die politische Situation. Die hat sich sowohl agrar- als auch wirtschaftspolitisch das letzte dreiviertel Jahr extrem verschlechtert und ich könnte mich darüber fast nur noch aufregen. Aber nicht im Kuhblog, der eigentlich immer unpolitisch war, bis auf 5 Posts oder so (vgl. Post vom 18.10.2019). Und ich habe auch ziemliche Vorbehalte gegenüber dem Repressions- und Gängelungsapparat, dass das was ich privat schreibe möglicherweise gegen unseren Betrieb verwendet wird. 
Diese Gemengelage ist jetzt der Anlass aufzuhören.

Es kommt noch ein Post über die Statistiken was Google alles gesammelt hat und einer noch mit einer Übersicht über Posts die mir wichtig oder erwähnenswert erscheinen
 
In der nächsten Zeit werde ich mich durch die tausenden Fotos arbeiten ob ich bei manchem Post noch nachträglich (extra markiert!) eines hinzufügen kann. Dann die Labels, die vor zwei Jahren hinzugekommen waren, auf alles Posts auszuweiten. Und für die (Mini)serien Übersichten zu allen Posts hinzufügen.
 
Einen Relaunch des Kuhblogs schließe ich nicht aus, weil es mir doch immer viel Spaß gemacht hat, Rind Zukunft hat (Slogan vom RBB) und ich den Namen eigentlich nicht den Trittbrettfahrern überlassen möchte. 

Kommentare lese und beantworte ich weiterhin und auch über die E-Mail-Adresse kuhblog(at)gmail.com bin ich erreichbar.

Es ist zwar ein recht altes Foto: Aber wie ich mich immer gesehen habe und weiterhin sehe:

Benjamin 


 

Dienstag, 16. August 2022

Zuchtwertschätzung Aug 22

Letzten Dienstag gab es vom VIT die aktuelle Zuchtwertschätzung für August.

Änderungen bei Zuchtwerten oder eine Basisanpassung gab es nicht, also relativ unspektakulär.
 
Im Studium war ich im letzten Jahrgang der noch die klassische Zuchtwertschätzung mit den töchterbasierten Zuchtwerten gelernt habe. Die genomischen Zuchtwerte, damals noch in weit geringerem Umfang als heute wurden genau parallel zur Vorlesung im April 2010 veröffentlicht.
Aber in der Praxis war ich dann von Anfang an auf die genomischen Zuchtwerte eingestellt.
Und trotzdem dachte ich mir jetzt mal wieder wie schnelllebig die Zucht geworden ist, mit dem Zuchtfortschritt klettern die Zuchtwerte in immer neue Höhen trotz den Basisanpassungen.
 
Die Top 10 bei den genomischen Bullen liegt bei über 160 RZG und 2.500 RZ€.
Die Top 10 bei den töchtergrprüften Bullen liegt bei über 150 RZG und 2.000 RZ€.
Diese Unterschiede sind nur durch die drei bis vier Jahre Altersunterschied und der zwischenzeitlich stattgefunde Zuchtfortschritt bedingt.
 
Sehr deutlich wurde es mit anhand der Fett-Eiweiß-Kilo (FEK). Da vererben die Bullen Milchleistung (meist positiv) und Inhaltsstoffe (Fett und Eiweiß, jeweils negativ und oder positiv). Eigentlich fast immer kommen dann positive Werte für Fettmenge und Eiweißmenge heraus.
An Fageno (https://service.vit.de/bulli-web/#/interbull/bulle/276000120551058) kann ich mich sehr gut erinnern, er war im August 2013 einer/der (?) Erste der mehr als 100 kg Fett+Eiweiß vererbte. Heute sind es nach mehreren Basisanpassungen immer noch 79 kg.

Bei den genomischen Bullen sind mehr als 100 FEK in den letzten Jahren üblich geworden, bei den töchtergeprüften sind auch einige dabei.
Aber es hat mich schon überrascht, dass die Spitze mittlerweile über 150 kg geht. Welch genetisches Leistungspotential da in unseren Rindern steckt. Bloß wie immer ist Genetik nur ein kleiner Baustein und die Fütterung viel wichtiger um dieses Leistungsvermögen auszuschöpfen. Und dann leben wir in den Zeiten immer strengerer Düngereglementierungen und Dürrejahren, in denen nur noch Quantität zählt...
 
Die dritthöchsten FEK mit 171 vererbt Picard (https://service.vit.de/bulli-web/#/interbull/bulle/442000318176026), ein Brandenburger Bulle, aus Luxemburg stammend. Er ist sowohl nach RZG als auch RZ€ jeweils der vierthöchste in den Listen der genomischen Bullen. 
Bei den töchtergeprüften Bullen vererbt mit Garido (https://service.vit.de/bulli-web/#/interbull/bulle/276000122629481) ein Brandenburger Bulle die meisten FEK: 162 kg. Damit ist er auf dem Niveau der Spitzengruppe der genomischen Bullen in diesem Merkmal.
 
Für mich natürlich bei jeder Zuchtwertschätzung: Hype, https://service.vit.de/bulli-web/#/interbull/bulle/276001264519228
Nach RZG ist er bei den töchtergeprüften Bullen mit 138 auf Rang 70, nach RZ€ mit 1434 auf Rang 129. Dieser recht große Unterschied kommt von seinem RZE von 125, der in den RZ€ nicht einfließt, Schönheit verdient halt kein Geld.
 
Da hatte ich mich etwas verschätzt, im Sommer 2016 sagte ich, es wäre unwahrscheinlich, dass er es in den Wiedereinsatz mit Töchterzuchtwert schafft. Im Mittel kommen pro Bullen geschätzte 2.500 - 3.000 Töchter in die Milchleistungsprüfung, wobei es von ein paar Hundert bis fünfstellig reicht. Hype hat momentan 3.619 und ist damit doch überdurchschnittlich.
Aber trotz Wiedereinsatz ist er nicht mehr im Angebot der RinderAllianz, das hatte ich gar nicht mitbekommen... Genetisch ist seine Generation "durch". Viele seiner Töchter sind schon in der dritten Laktation und er hat auch schon Enkelinnen in Milch. Zum Generationsintervall siehe Post vom 10.03.2022.
 
Benjamin

Donnerstag, 11. August 2022

Gastbeitrag zur verlängerten Laktation - Teil 2

Teil 2 des Gastbeitrags.
  
Erfahrung mit verlängerter Laktation Nun die eigentlichen Erfahrungen:

Eine detailierte Planung der Anzahl der Kälber wie im ersten Teil angesprochen gibt es in Bingen (noch) nicht. 2018 habe ich mit der Übernahme der Zucht angefangen auf die vLak zu setzen, dies wurde durch die abrupte Verlängerung der freiwilligen Wartezeit (FWZ) erreicht. Vor 2018 wurde eine FWZ von 50 Tagen eingehalten, ich habe dies dann sofort geändert auf 60 Tage und kurz darauf begonnen mit der tierindividuellen FWZ für alle Kühe. Ein Ausprobieren vorab gab es nicht
Die FWZ berechne ich auch noch aktuell für jedes Tier individuell am 60. Laktationstag nach folgender Formel:
bisherige Peakleistung [kg] * 2. 
Diese ist eingegrenzt auf ein Intervall von 60 auf 120 Tage. 
Seit 2020 für die Färsen * 3.
 
Die Zwischenkalbezeit lag 2018 bei 384 Tagen und aktuell bei 420 Tagen. Deutlich wird die verlängerte FWZ bei der Rastzeit, diese stieg von 81 auf 116 Tage. Die Nonreturn-Rate (NR90) und der Besamungsindex veränderten sich kaum (NR90 von 53 auf 54 %; BSI beide 1,7). Jedoch sind beide
gefühlt besser geworden. Insbesondere weil v.a. die hochleistenden Kühe vor der Besamung mehrfach brünstig waren und so wahrgenommen wurden.

Was deutlich gesunken ist, ist der Hormoneinsatz für z.B. OvSynch-Programm, dieser beträgt noch etwa ein Drittel.

Außerdem ist die Anzahl der Kalbungen um 20 % gesunken. Dies macht eine deutliche Arbeitserleichterung aus, bzw. reduziert die Abkalbespitzen in denen mehrere Tiere zum Kalben anstehen und die Abkalbeboxen voll belegt sind.

Seit Ende 2018 wird auch die weibliche Nachzucht genomisch getestet, seit 2019 auch als Teil des Projektes KuhVision. Eine Selektion anhand der Zuchtwerte findet (noch) nicht statt, jedoch die gezielte Anpaarung auf Basis der Werte. So ist in den letzten 4 Jahren das genetische Niveau der Kühe von RZG 105 auf 109 und bei den Färsen von 107 auf 113 gestiegen. Das Leistungsniveau (Milch-kg ECM pro Jahr) stieg von 10.850 auf 11.840.

 
Als problematisch kann sich in Betrieben ohne Fütterungsgruppen die Verfettung der Altmelker erweisen. Auch wenn wir mit einem einzelnen Melkroboter keine Fütterungsgruppen haben, gibt es diese Probleme bisher nicht in größerem Umfang wie zuvor. Die Extreme in der Kondition, sowohl nach unten als auch nach oben, sind nicht wirklich ausgeprägt. Hier zeigt sich besonders die genetische Disposition der Kondition bei den Kreuzungstieren mit Fleckvieh-Vater oder Fleckvieh-Großvater. Diese Kühe sind deutlich stärker von Verfettung betroffen, auch wenn sie kürzere Zwischenkalbezeiten haben.  
Allgemein haben es Betriebe mit Fütterungsgruppen einfacher, als Betriebe
mit einer Ration. Dieser Vorteil verstärkt sich bei der vLak nochmals deutlich.

Das öfter thematisierte von alleine Trockenstellen bei altmelkenden Tieren von über 450 Laktationstagen konnte bisher in keinem einzigen Fall gesehen werden. Jedoch gab es einzelne Kühe, die zum Trockenstelltermin nur noch 10 bis 12 kg Milch hatten. Aber genauso gibt es, insbesondere Jungkühe, die dann noch bei 25 kg und darüber liegen. Hier ist es wichtig zukünftig auch Daten aus
den Vorlaktation einfließen zu lassen, und den idealen Besamungsintervall noch genauer zu planen.

Fazit nach 4 Jahren: Erfolgreich. Es haben sich keine Fruchtbarkeitsparameter verschlechtert. Die Anzahl der Kalbungen ist gesunken. Die Anzahl von Fällen von Stoffwechselkrankheiten ist noch deutlicher gesunken.
 
Meines Erachtens kommt die Kritik v.a. aus dem Bereich der Zuchtverbände, die Sperma und Zuchtvieh verkaufen wollen. Teilweise mit auch sehr merkwürdigen Argumenten, wie dass eine vLak nicht geht, da man dann keine Pregnancy-Rate ausrechnen kann...

Die wichtigste Voraussetzung für ein erfolgreiches Nutzen der vLak ist ein straffes Management und eine angepasste Fütterung. Jeder Betrieb der zu den +25% gehört müsste das hinbekommen.
Genauso zu sagen ist aber auch, dass die vLak nicht zur Ausrede von Fruchtbarkeitsproblemen dient, sondern Potenziale in guten Betrieben erschließt, die vorher durch gute Fruchtbarkeit (sprich dauerhaft niedrige ZKZ durch gutes Management) nicht erschließbar waren
Dies gilt insbesondere für die Persistenz in der Laktation.
 
Bei uns steht nun im nächsten Jahr eine genaue Planung an, wie ich es im ersten Teil beschrieben habe. Perspektivisch möchte ich die ZKZ auf etwa 450 Tage ausdehnen und gesextes Sperma beim Jungvieh einsetzen und dann weibliche Kälber mit Hilfe der genomischen Zuchtwerte selektieren.
 
Sollten zu den beiden Posts Fragen bestehen so kann ich sie gerne weiterleiten.
 
Benjamin

Montag, 8. August 2022

Gastbeitrag zur verlängerten Laktation - Teil 1

Heute gibt es einen Gastbeitrag meines Bruders zum einem meiner Lieblingsthemen, der verlängerten Laktation. Er hatte mich im Oktober 2016 auf das Thema aufmerksam gemacht und selbst noch mehr Erfahrungen dazu gesammelt.

In der Herde der TH Bingen ist er alleine für die Fruchtbarkeit zuständig und besamt auch die Färsen und Kühe. Da fällt die Verlängerung der freiwilligen Rastzeit leichter als bei uns, wenn da mehrere Leute mit zu tun haben.
Und da er mir doch oft von Kühen erzählt hat, die er erst mit 150 Tagen bei  der sechsten Brunst besamt hat und gleich einen Erstbesamungserfolg gaben, bat ich ihn mal darüber einen Gastbeitrag für meinen Kuhblog zu schreiben. 

Das könnte eigentlich Eins zu Eins für die Tierzuchtvorlesung übernommen werden:

Die verlängerte Laktation (vLak) wird in den letzten 5 Jahre intensiv diskutiert. Dazu möchte ich meine eigenen Erfahrungen in der kleinen Herde des St. Wendelinhof, dem Lehr- und Versuchsgut der TH Bingen in den letzten 4 Jahren berichten. Im ersten Teil wird dies theoretisch erläutert:
Warum verlängerte Laktation? Ich sehe hier die eindeutigen Vorteile überwiegen, deren Gewicht in Zukunft zunehmen wird. Dies sind insbesondere weniger Kalbungen und damit weniger Kälber.
 

Die Kalbung und Frühlaktation ist der Peak des Gesundheitsrisiko während der Laktation. Wenn man also durch vLak die durchschnittliche Anzahl der Kalbungen pro Kuhleben bei gleicher Dauer und Lebensleistung reduzieren kann ist dies der größte Vorteil.
Insbesondere durch immer höhere Auflagen im veterinärmedizischen Bereich und Einschränkungen von Arzneimitteln (Stichwort Reserve-Antibiotika) wird dies zukünftig noch weiter an Bedeutung gewinnen. Sowohl den Umfang des Arzneimitteleinsatzes als auch die Arbeitszeit (Stichwort Fachkräftemangel) zur Behandlung von Kühen (Special Needs) dürfte bei einer normalen Laktationslänge (also ZKZ von 365-385 d) künftig nicht mehr so einfach leistbar sein.

Man kann davon ausgehen, dass ein kostendeckender Absatz von Zuchtvieh auch in Zukunft nicht mehr möglich sein wird. Zu den Kosten kommt der immer weiter einengende Absatzmarkt. Drittlandsexporte sind kaum noch möglich, Sanktionen schließen Märkte aus bzw. Auflagen zu Transportrouten und -zeiten sind kaum wirtschaftlich umsetzbar. Eine Produktion für den Export ist daher ein Auslaufmodell.
Verkauf von Zuchtvieh für Inlandsmärkte ist sehr zyklisch und preislich volatil, tendenziell wird sich dies auch verstärken. Ein durchschnittlicher oder guter Betrieb braucht kein Zuchtvieh. Die unterdurchschnittlichen Betriebe werden die nächsten Jahre nicht überstehen, sowohl wirtschaftlich als auch politisch (weitere Auflagenverschärfungen). Zuchtviehverkauf wird ein Nischenmarkt für Spezialisten werden.
Die Zeiten alle Kühe mit Holstein-Sperma zu belegen und die überschüssigen Färsen zu verkaufen klappt in Zukunft nicht mehr. Auch nicht die Variante, gute Kühe und Jungvieh weiblich gesext besamen und der Rest mit Fleischrasse (evtl. auch männlich gesext). Diese von den Zuchtverbände beworbene Strategie, die die Anzahl der Holstein-rsen in der Gesamt-Anzahl nicht reduziert, bringt dem Betrieb faktisch nur etwas auf dem Gebiet Zuchtfortschritt, da auch auf der weiblichen Seite selektiert wird.
In Summe verdient vor allem der Zuchtverband über gesextes Sperma und Zuchtviehvermarktung. Ein guter Betrieb der nur Holstein-Sperma einsetzt (nicht einmal gesextes!), das komplette Jungvieh aufzieht, alle Färsen abkalben lässt und als Jungkühe vermarktet, hat eine jährlich ansteigende Abkalberate. Innerhalb von 10 Jahren von 120% auf 140%. Anstatt 250 Jungkühe/1.000 Kühe müssten dann 320 Jungkühe vermarktet werden, wenn man 25% Bestandersatzrate annimmt. Wird das komplette Jungvieh mit gesextem Sperma besamt (Annahme 70% der Färsenkalbungen sind weiblich) ren es schon 540 Jungkühe! Dies ist nicht leistbar! Wir produzieren nachhaltig Milch und  kein Zuchtvieh (für nicht vorhandene Märkte).


Daher geht für mich die vLak mit einer gezielten Selektion auf der Kuh-Seite einher. Die Strategie für die Zucht nicht benötigte Kühe mit Fleischrassen zu belegen ist nur ein mittelfristiges Ausweichen, denn durch den sinkenden Fleischkonsum wird auch die Nachfrage nach Hybrid-Kälbern zurückgehen. Es ist daher Ziel nicht nur weniger Holstein-lber zu produzieren, sondern insgesamt weniger Kälber. Hier ist es dann sinnvoll in bisher absolut unrelevanten Kennzahlen wie z.B. kg Milch
pro Kalb u.ä. zu rechnen. In Zukunft wir es eine Verschiebung auf die Milchproduktion und die bedarfsgerechte, maßgeschneiderte Nachzucht geben, weg von der Überschuss-Produktion an Holsteinkälbern (weiblich und männlich). 
 
Daher ist die vLak in ein zuvor festgelegtes Kennzahlen-System für die Nachzucht und Fruchtbarkeit einzuplanen. Das wäre z.B. in einem fiktiven 1.000er-Betrieb:  
 
Merzungsrate: 20 % 
Selektionsanteil Zuchttiere: 30 % (nach genomischen Zuchtwerten) bis 90d 
Totgeburtenrate: Kühe < 2,5%, Färsen < 4 % 
Aufzuchtverluste 90d: < 3,0 % 
Abgänge 90d bis 1. Kalbung: < 5,0 % (inkl. Fruchtbarkeitsselektion!) 
Mit diesen Zahlen ergibt es im Beispiel: 
geplante Zwischenkalbezeit: 450 d 
50 % des Jungviehs (bessere Hälfte nach genomischen Zuchtwerten) wird gesext erstbesamt 
40 % der Kühe (schlechteste 40 % nach genomischen Zuchtwerten) werden mit Fleischrassen besamt 
10 % der Jungkühe werden normalerweise in der Frühlaktion verkauft (Produktionsselektion bzw. Reserve) 
 
Dies ergibt dann ca. 200  Jungkühe pro Jahr (entspricht der Merzungsrate), 25 verkauften Jungkühen, etwa 10 selektierten Färsen und 100 selektierten Holstein-Zuchtkälbern (oder auch für Färsenmast). 
Dazu kommen 275 Holstein-Bullenkälber, 270 Hybrid-Mastkälber und 45 Zwillingskälber. 
 
Solche Zahlen zeigen eine theoretische Planung, wie genau dies dann praktisch abläuft kann man nur schwer abschätzen. Jedoch haben heute die meisten Betriebe Schwierigkeiten Zahlen zu nennen, wie viele Zuchtkälber, Bullenkälber und Hybrid-Mastkälber sie für das nächste Jahr planen. Meist wird munter drauf losbesamt und geschaut was zahlenmäßig dann zusammenkommt. 
Wenn eine genaue Zahl an Zuchtkälbern und damit dann zukünftigen Jungkühen geplant und bekannt ist (natürlich inkl. Reserve) fällt der Abgangsgrund nachrückende Jungkuh bei den Altkühen weg. Dadurch steigt schon alleine ohne irgendwelche Managementänderungen die Nutzungsdauer an und sinkt die Merzungsrate.
 
Fortsetzung folgt!
 
Benjamin