Sonntag, 27. September 2020

Rote Laudan

Heute geht es um Farbenlehre und Familiengeschichte. Rote Laudan als Titel ist unpräzise, eigentlich muss es rotbunte Laudan-Nachfahrin heißen. Mit "Eine" und dem Bullennamen hintendran meint man umgangssprachlich eine Tochter des jeweiligen Bullen.

Laudan ist der wichtigste Bulle in der Brandenburger Zuchtgeschichte (-> siehe hier). Er hat in der Brandenburger Holsteinpopulation auch sichtbar deutliche Spuren hinterlassen: Weiße Kühe mit schwarzen Ohrspitzen sind Töchter (mittlerweile seltener), Enkelinnen und Urenkelinnen von Laudan. Das Erscheinungsbild ist charakteristisch. Laura (-> siehe hier) ist mit ihrer Fellzeichnung da die Ausnahme der Regel.
 
Die rotbunte Laudan-Nachfahrin ist Talya, eine unserer Jungkühe, wie sie nach der Kalbung erstmals beim Fiebermessen in der Frischmelkergruppe dabei war sagte ich: "Sieht aus wie eine rote Laudan." Wegen den Ohrspitzen, nur halt in rot statt schwarz und ansonsten fast ganz weiß:
 


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Im Herde haben wir dann die Abstammung nachgeschaut und tatsächlich ist in ihr Laudan drin, 5 Generationen zurück als Urururgroßvater. Zwischenzeitlich wurde aus Schwarzbunt Rotbunt und die Ohrspitzen waren nicht mehr vorhanden, kamen aber wieder durch.
 
Das ist ihre Abstammung, jeweils mit Schwarz- oder Rotbunt dabei und den Allelkombinationen der Fellfarbe. Dazu siehe im Post vom 06.02.2015:
Talya (RBT, rr) von Coloredo-P (RBT, rr)
  Tabea (RBT, rr) von Tableau (RBT, rr)
    Buffy (SBT, Sr) von NOG Bela R (RBT, rr)
      Zia (SBT, SS) von Zabing (SBT, SS)
        Gloria (SBT, SS) von Laudan (SBT, SS)
           Fee (SBT, SS) von Bonatus (SBT, SS)
             Filja (SBT, SS) von Tober (SBT, SS)
Über die Bullenlinien kann ich ihre Abstammung insgesamt 12 Generationen weit zurück verfolgen, darunter auch mehrfach Starbuck und Chef II als Vorfahren (vgl. Post vom 27.02.2015).
 
Erwähnenswertes beim Stammbaum: Über NOG Bela R bekam die Familie das erste rotbunte Allel, ihre Großmutter Buffy hatte somit einen Rotfaktor. Von Tableau kam dann das zweite rotbunte Allel und Tabea war damit die erste Rotbunte in der Familie.
Tableau war der wichtigste rotbunte Bulle in Deutschland in den 2010er und neben Tabea haben wir ettliche weitere seiner Töchter in der Herde. Auf seinem Herkunftsbetrieb bin ich auch schon mal gewesen (siehe Post vom 15.05.2014).
Ihre Urgroßmutter Zia ist mittlerweile in der 7. Laktation und liegt bei 64.000 kg Lebensleistung. Sie ist eine Laudan-Enkelin und über ihren Vater Zabing eine Zunder-Enkelin. Zunder war auch der Vater von Leonie, der Mutter meiner Braunie. Wie Laudans Nachfahren weiß sind, so sind die von Zunder schwarz und bei Zia hat in der Farbe Zunder über Laudan gesiegt und man erkennt, dass sie die Cousine von Braunie ist. 
 
 
Ein Gruß geht noch raus an Gusti. Er ist Kuhbauer in Südbayern und berichtet in seinem Kuhstallbau-Podcast seit einem dreiviertel Jahr über seinen aktuellen Stallbau in der ganzen Bandbreite: Genehmigung, Planung, Erschließung, Bau usw. Weitere Infos und Reinhören unter kuhstallbau.com
  
Benjamin

Donnerstag, 24. September 2020

Hornloszucht - Teil 2

Noch ein weiterer Post über die Hornloszucht, weil in der aktuellen Milchrind ein Artikel zu dem Thema ist mit interessanten Zahlen.
Wieviel Prozent der eingesetzten Besamungsbullen hornlos sind habe ich im Kuhblog ab und zu berichtet, wenn es Neuigkeiten vom RBB gab. Das letzte Mal wusste ich war im Oktober 2019. Den Post habe ich sofort gefunden (siehe hier), dass es damals 26 % waren wusste ich gar nicht mehr. Bin scheinbar irgendwann mal bei 10 - 15 % hängen geblieben.
 
In der aktuellen Milchrind waren die Zahlen zum Anteil der hornlosen Bullen, die 2019 in Deutschland eingesetzt wurden. 21,8 % der eingesetzten Holsteinbullen  (das geht nach versamten Spermaportionen) waren hornlos, bei den Schwarzbunten 18,0 % und bei den Rotbunten 46,4 %.
Das sind heterozygot Hornlose (Pp) und homozygote Hornlose (PP) zusammen, 
Die homozygoten hatten 2019 14,0 % Anteil, bei den Schwarzbunten 11,2 % und bei den Rotbunten 31,9 %. Die homozygot Hornlosen haben also mittlerweile unter den Hornlosbullen die Mehrheit, über die Jahre ist es somit gelungen zwei Hornlosallele "anzusammeln".
Im Vergleich dazu hätten die homozygoten 2010 0,0 % gehabt. und ich kann mich auch dran erinnern wie 2014 (?) die RBB ihren ersten PP-Bullen hatte, der vom Zuchtwert weit abgeschlagen war, aber wegen der homozygoten Hornlosigkeiten und damit 100 % hornlosen Kälber es in den Besamungseinsatz geschafft hatte.

Die Hornlosen Bullen haben im Zuchtwert immer hinterhergehinkt, denn mit der seltenen Hornlosigkeit rekutierten sich die hornlosen Besamungsbullen aus einer kleinerem Kreis. Und bei einer Auswahl von 20.000 statt 2 Mio. sind die Allerbesten rein statistisch dann doch deutlich schlechter. 
Mittlerweile haben die heterozygot Hornlosen (Pp) mit der großen Mehrheit der behornten Bullen (pp) gleich gezogen und die homozygot Hornlosen (PP) liegen 6 Punkte oder knapp 2 Jahre Zuchtfortschritt im Gesamtzuchtwert (RZG) dahinter. 
Also im Zuchtfortschritt sind mit den hornlosen Bullen jetzt keine großen Abstriche mehr zu machen.

Über die Typisierung der weiblichen Kälber bei KuhVision wird auch der Hornstatus ermittelt und da waren es 2019 deutschlandweit 13,2 %, im Vergleich 2012 2,1 %.
Es ist noch ein weiter Weg bis wir uns das Enthornen sparen können und alle Kälber ganz sauber ohne Hörner auf die Welt kommen, aber als ich 2008 mit den Kühen angefangen haben war Hornlosigkeit eher eine Art Kuriosität und da ist der gegenwärtige Stand ein gewaltiger Fortschritt.

Benjamin

Dienstag, 22. September 2020

Nach Guben

Am Wochenende war ich in Guben an der Neiße, im Südosten Brandenburgs. Dort war ich bisher noch nicht gewesen. 2009 in der Nachbargemeinde auf einem Betrieb, dem ersten mit mehr als 1000 Kühen den ich überhaupt gesehen habe und zufällig auch der auf dessen Maisacker vorletzte Woche das erste Wildschwein mit ASP in Deutschland gefunden wurde. Und 2017 war ich etwas weiter südlich gewesen (siehe Posts vom 14.05.2017, 16.05.2017, 18.05.2017 und 20.05.2017).
 
Der Grund waren diesmal nicht Kühe sondern was aus dem Bereich Drumherum. Mit der Jugendfeuerwehr war ich als Betreuer mit zur Landesmeisterschaft im CTIF. CTIF ist die internationale Feuerwehrorganisation, also ein Wettbewerb nach internationalen Regeln.
Der Wettbewerb umfasst zwei Disziplinen: Einmal die Hindernisübung (auf dem Foto) und dann ein 400m-Staffellauf mit Hindernissen.
Coronabedingt ruhte der gesamte Betrieb der Jugendfeuerwehr bis zu dieser Woche und das Training für die Landesmeisterschaft durfte als Einziges stattfinden.
Daher wurde dann in der Gemeinde eine Mannschaft dafür aufgestellt. Die Bedingungen waren schon erschwert: An sechs Samstagen wurde geübt, davon nur einmal davon mit der finalen Mannschaft.
Freitagnachmittag ging es los, mit den benötigten neun Startern und keinem Ersatz. Dafür wurde ich gehandelt, vom Alter her (Geburtsjahrgänge 2004 bis 2008) nicht ganz passend, könnte man aber doch noch zurechtbiegen... 
Am Samstag bei allerschönstem Sonnenschein dann der Wettkampf mit einem beeindruckenden Teamgeist und unter den den besseren Bedingungen als beim Training auf unserem Sportplatz ("Stoppelacker") wuchsen die geradezu über sich hinaus und erreichten den 3. Platz. Von den drei teilnehmenden Jugendfeuerwehren, als Neuling gegenüber den beiden anderen die seit Jahren diese Meisterschaften dominieren. Und wurden weder wegen Fehlern disqualifiziert noch deklassiert, sodass eigentlich alle bei der nächsten Meisterschaft in zwei Jahren wieder teilnehmen wollen:
 
Benjamin
 

 

Freitag, 18. September 2020

PhöniX

Für mich habe ich gestern die Corona-Pandemie für beendet erklärt. Denn das Medikament, das ein halbes Jahr nicht lieferbar war, weil einer der Grundstoffe aus China nicht mehr kam, gibt es nun wieder. Das war die einzige Einschränkung in meinem Alltag gewesen.

Die positiven Folgen von Corona merkt man an den digitalen Möglichkeiten, die nun verstärkt genutzt werden.

So auch gestern Abend die gestreamte Pressekonferenz zur Gründung der PhöniXGroup. Im Vorfeld war schon groß angekündigt worden, alles recht nebulös über die Zukunft der Rinderzucht. Ich hatte gemutmaßt, dass ein gemeinsames Holstein-Zuchtprogramm für ganz Deutschland verkündet wird.

PhöniX ist der Zusammenschluss für das Zuchtprogramm und die Vermarktung der Zuchtverbände RinderAllianz (Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt), Rinderproduktion Berlin-Brandenburg (Brandenburg), Qnetics (Hessen, Thüringen), Rinder-Union West (Rheinland-Pfalz, Saarland, Nordrhein-Westfalen) und Rinderunion Baden-Württemberg. Es wurde extra gesagt, dass sie in Zukunft auch offen für weiter Kooperationspartner seien.

Die Bullen gehören weiterhin den einzelnen Verbänden, werden aber ausschließlich unter dem Namen PhöniX im ganzen Gebiet angeboten. Neben Holsteins auch Fleckvieh, Braunvieh und Fleischrassen. Insgesamt dürften es rund 50 % aller Herdbuchkühe in Deutschland sein. Erwähnt wurde extra, dass es auch in Richtung Mastanpaarungen gehen soll; dabei auch die Kapazitäten des Testherdenporgramms ProFitPlus von RBB und RinderAllianz zu nutzen. In der aktuellen Blickpunkt Rind war zu dem Thema auch ein Artikel über den Geburtsverlauf von Masthybriden, wobei Holstein x Uckermärker am besten Abschnitt. Das ist also ganz am Puls der Zeit.

Des Weiteren die Zusammenarbeit mit dem IFN in Schönow und es soll eine eigene Biotechnologie-Station für Embryotransfer und Ovu-Pick-Up aufgebaut werden, die in Nückel gehört ja der Masterrind (siehe Posts vom 06.06.2019 und 11.06.2019). Und das neue Sexing-Labor der RBW in Bad Waldsee, dazu wurde nichts gesagt aber das dürfte ein gewichtiger Grund bei den Verhandlungen gewesen sein.

Der Geschäftsbetrieb startet dann zum 1. Januar.

Auf die Zukunft des Zuchtprogramms und was für neue Ideen in der Zucht jetzt umgesetzt werden bin ich gespannt.

Internetseite der PhönixGroup (noch recht überschaubar): www.phoenix-genetics.de

Benjamin

Sonntag, 13. September 2020

100 % behornt

Die Besonderheit diese Woche war die Enthornung einer Kälbergruppe, bei der alle Kälber Hörner hatten. Das war die letzten 5 Jahre nie der Fall gewesen.
 
Enthornen habe ich auf meinem Stammbetrieb LVAV Hofgut Neumühle gelernt, das war im April 2008. Das war im Rahmen der überbetrieblichen Ausbildung einer Klasse der Landwirtschaftsschule aus Ettelbrück in Luxemburg. Da wurden dann die Kälber vom Trocken-TMR-Versuch (siehe auch Post vom 13.03.2016) genommen, die waren gerade im passenden Alter. Damals wurden die Kälber noch nicht sediert sondern in einer Enthornungsbox fixiert. Das ging sehr schnell, weil die Kälber den Kopf nicht bewegen konnten.
Wie ich nach Boberow kam hatte ich mit dem Enthornen gar nichts mehr zu tun, denn das wurde mit Kaliumhydroxid (KOH) gemacht, wo die Hornanlagen nicht verödet sondern verätzt werden. Und das nebenher beim Anlernen an den Tränkeautomat. Das mit am Abstand einfachste und schonenste Verfahren der Enthornung, aber leider mittlerweile verboten.
Stattdessen wurde 2015, mit dem Brennen der Hörner angefangen, weil das Arla für das Arlagarden vorgeschrieben hatte. Hatten das bis zum Audit hin in Pinnow aber nicht umgesetzt und dann gab es darüber eine Diskussion mit dem Auspasser aus Dänemark, der dem Auditor vom LKV Mecklenburg-Vorpommern auf die Finger schauen sollte und dieser das mit "Arla will Premium produzieren!" abwürgen wollte. Worauf mein Chef mit : " 30 Cent sind aber kein Premium" antwortete. Das ist auch das Problem von Arla, die es als einer der größten Molkereien Europas mit hunderten Millionen Euro Investitionen jedes Jahr nie aus der hinteren Hälfte beim Milchpreis herausschaffen.

Es waren bei jeder "Charge" an Kälbern zum enthornen hornlose dabei, in den letzten Jahren hat sich das bei so 25 - 30 % der Kälber eingependelt, manchmal auch nur einzelne und einmal sogar 75 %, aber nie 0 %.

Zur Vererbung der Hornlosigkeit. Als scheinbare Besonderheit ist beim Hornlosgen das Allel für Hornlosigkeit dominant und das für Hörner rezessiv. Die allermeisten Rinder weltweit haben aber Hörner. Das kommt noch von der Zucht auf Hörner, denn die brauchte es Jahrtausende lang um ein Joch daran festbinden zu können. Dieser Grund ist inzwischen weggefallen, aber fast alle Rinder hatten dann Hörner. 
Ausnahmen sind die Aberdeen Angus und Galloway, die schon seit Jahrhunderten hornlos sind, weil sie nicht auf Hörner gezüchtet wurden und sich die hornlose Variante dann durchsetzen konnte.

behornt: pp
heterozygot hornlos: Pp
homozygot hornlos: PP

pp x pp = pp
Pp x pp = 1/2 Pp, 1/2 Pp
Pp x Pp = 1/4 PP, 1/2 Pp, 1/4 pp
PP x pp = Pp
PP x Pp = 1/2 PP, 1/2 Pp
PP x PP = PP

Bei unserer Hornloszucht ist es meistens pp x Pp und auch pp x PP bei der Anpaarung von Hornlosbullen an behornte Kühe und wenn die Kuh schon hornlos ist Pp x Pp und Pp x PP. Homozygot hornlose Kühe haben noch Seltenheitswert.

Fortsetzung folt!

Benjamin
 

Donnerstag, 10. September 2020

Warntag

Momentan ist nicht viel Außergewöhnliches los, die Kollegen von der Pflanzenproduktion häckseln Mais und von der kleinen Besonderheit diese Woche schreibe ich dann im nächsten Post.
 
Heute war der deutschlandweite Warntag. Der Test der Sirenen und der digitalen Kanäle. Die Warnung der Bevölkerung über die Sirenen wurde vor der Wende als in Westdeutschland geübt, seitdem nicht mehr, sodass das fast die Hälfte der Deutschen gar nicht kennt. Da bin ich jetzt 30 Jahre alt und habe erstmals den "Fliegeralarm" gehört.
Der normale Feueralarm ist aber absolut drin, auch in Zeitalter der Piepser und Handyalarmierung. Und der wird auch regelmäßig getestet, in Rheinland-Pfalz war es einmal pro Monat komplett 3x 12 Sekunden, hier in Brandenburg einmal wöchentlich 12 Sekunden. 
Der Heulton zur Warnung ist dann eine Minute lang und entsteht dadurch, dass die Sirene immer kurz anläuft und dann wieder ausläuft.
 
Gehört habe ich den heute aber auch nur weil ich bewusst drauf geachtet habe. Die Anlage liegt ja etwas abseits am Dorfrand und dann fährt der Teleskoplader über den Hof und in einer anderen Ecke brummt der Kärcher, das ist trotz der vermeintlichen Ruhe im Stall schon ein ordentlicher Geräuschspegel im Hintergrund. 
Hätte ich den Alarm in einem normalen Fall gehört, hätte ich wie vorgesehen das Radio angeschaltet um rauszufinden was da los ist.

Aber was bei den Probealarmen für die Feuerwehr routiniert problemlos klappt ging nach der Einschätzung der Innenministeriums schief: Der Warntag war ein Misserfolg weil alle Stellen gleichzeitig alarmierten und die Netze überlasteten, sodass die Warnung nicht überall zeitnah ankam. Mein Handy blieb still, von der Feuerwehr-App hatte ich erwartet, dass da was kommt und vielleicht eine SMS von der Telekom als Netzbetreiber. Aber war gar nichts.

Ein Symbolbild dafür. Das habe ich erst nach meiner Überbleibselserie zu 25 Jahre Einheit (siehe auch Post vom 03.10.2015) aufgenommen. Ein Schild, das in der ehemaligen Werkstatt in Pinnow hängt und die Sirenensignale in den 1970ern (?) erklärt, die damals aber nicht geübt wurden:

Benjamin
 

 

Montag, 7. September 2020

Trockenstehdauer

Zum Abschluss meiner Serie über die verlängerte Laktation noch eine Auswertung über die Trockenstehdauer. 
Die Trockenstehdauer hatte ich im Datenmaterial dabei, um den Unterschied zwischen Melktagsleistung (Zwischen Kalbung und Trockenstellen) und Futtertagsleistung (bis zur nächsten Kalbung) berechnen zu können. War etwas Rechenarbeit, denn die im Herde angegebenen Melktage stimmten nicht mit dem Zeitraum zwischen Kalbung und Trockenstellen überein.
 
Bei der Trockenstehdauer war während meines Studiums vor so zehn Jahren der Trend zur reduzierten Trockenstehdauer, auf 28 Tage verkürzen bei Mehrkalbskühen war da so eine gängige Zahl. Daneben die Diskussion die Kühe durchzumelken und sich beim Verzicht auf die Biestmilch die mindestens zweimalige Futterumstellung zu sparen und die Kuh kontinuierlich wie sie es gewohnt ist weiterzufüttern.
Da kamen dann aber recht schnell Forschungsergebnisse, dass die Kühe langfristig in der Leistung abfallen weil die Erholungsphase für den Stoffwechsel fehlt.

Nach dem Trockenstellen hört mit ansteigenden Euterinnendruck die Milchbildung auf und dann beginnt der Abbau der Milch, nach einer Ruhephase beginnt die Bildung der Biestmilch für das neue Kalb. Bei null Ruhephase dauert das zwischen 30 und 35 Tagen, alles darüber verlängert die Ruhephase für das Euter. Daher war für mich immer die 35 Tage ein fixer Wert, der nicht unterschritten werden sollte.

Irgendwann mal habe ich eingeführt, dass die Jungkühe der 1. Laktation 10 Tage früher trockengestellt werden, weil denen einer längere Trockenstehzeit zugute kommt weil sie noch nicht ganz ausgewachsen sind.
Für mit Fleischrindern besamte Kühe um 4 Tage später trockenstellen, was meine ermittelte längere Tragezeit ist und für mit Zwillingen tragende Kühe (falls erkannt) ein Termin früher. Bei der kürzeren Tragezeit kommen meine Statistiken auf nur 6 Tage, aber das können die betroffenen Kühe eh gebrauchen.

Für die Auswertungen habe ich die Kühe in 5 Klassen eingeteilt, dass da jeweils ähnliche Anzahlen dahinter stehen. Kriterium ist die Trockenstehdauer, die Werte sind auf die Folgelaktation bezogen, also bei der 1. dann die 2. usw. 100-Tage-Leistung als Maß wie gut die Kühe "in Gang" gekommen sind, 305d-Leistung, Leistung pro Melktag und Leistung pro Futtertag wieder energiekorrigierte Milch.
Das Ergebnis ist ziemlich eindeutig:
 

 


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Ein Grund mehr die Laktation zu verlängern, dass man die Kühe wegen acht bis neun Wochen Trockenstehzeit nicht so früh abwürgen muss.

Benjamin

Mittwoch, 2. September 2020

Remontierungsrate vs Zuchtfortschritt

Jetzt kommt ein Post, der aus der unten stehenden Grafik entstand, die bei meinen Datenauswertungen zur verlängerten Laktation als Nebenprodukt abfiel. Mit etwas Rechnerei wurde da aber ziemlich viel daraus.

Vor paar Jahren habe ich mal überschlagen wie hoch denn der Zuchtfortschritt sein müsste, dass es sich lohnt die Remontierungsrate dafür zu erhöhen. Damals kam ich auf einen utopischen Zuchtfortschritt von 2.000 kg Jahresleistung pro Jahr. Den Rechenweg dafür weiß ich aber nicht mehr.

Der Hintergrund davon: Die Remontierungsrate ist der Anteil der Kühe die im letzten Jahr neu in die Herde gekommen sind, der Ersatz für abgegangene Kühe, egal ob freiwillig oder unfreiwillig aussortiert. Die Remontierungsrate liegt in Deutschland im Schnitt bei 32 - 33 %, also gut ein Drittel der Kühe pro Jahr. Schlechtere Betriebe kommen teilweise auf über 40 %, die besten auf unter 20 %.

Und dann gibt es doch nicht wenige Leute die meinen, dass man nicht unter 30 % Remontierungsrate gehen sollte, weil man sonst nicht genügend junge Kühe und damit die neueste Genetik bekommt. Ich beziehe das jetzt auf die Milchleistung, weil die mit 45 % am Gesamtzuchtwert die höchste Gewichtung hat und zudem gut nachvollziehbar ist.
 
Da sind dann aber gleich mehrere Denkfehler auf einmal dabei:
- der Zuchtfortschritt ist auch bei der Leistung vvergleichweise gering, man sagt als 70 - 80 kg pro Jahr. Wenn man durch eine bewusst hohe Remontierungsrate das Durchschnittsalter senken will kommen da nur wenige Monate raus. Eine Herde mit 35 % Remontierungsrate dürfte gegenüber einer mit 25 % geschätzte 10 Monate im Durchschnitt jünger sein. [Rechenformel siehte unten] Das wären knapp 65 kg Mehrleistung.
- Die hohe Remontierungsrate ist viel teurer. Geschätzt wird die Herde mit einer um einen Prozentpunkt höheren Remontierungsrate um gut einen Monat im Durchschnitt jünger. 1 Monat jünger wären 6,5 kg mehr Jahresleistung. Mal 15 ct (Milcherlös minus Futterkosten was die Kuh zusätzlich für die Mehrleistung fressen muss) sind rund 1 € pro Kuh und Jahr mehr.  1 % Remontierungsrate sind pro Kuh der Herde 1 % einer neuen Jungkuh mehr pro Jahr, bei Aufzuchtkosten der Größenordnung von 2.000 € sind das 20 € Zusatzkosten. Also äußerst unwirtschaftlich.
- Die schärfere Selektion auf der Kuhseite. Mit einer niedrigeren Remontierungsrate und weniger benötigten Jungkühen hat man mehr Auswahlmöglichkeit welche Kühe man zur Zucht der nächsten Generation nehmen möchte. Wenn man bei einer hohen Remontierungsrate 3/4 der Kühe braucht und nur auf das schlechteste Viertel verzichten kann, dann bei einer niedrigen auf die schlechtere Hälfte. Die Kuhseite kann dann deutlich mehr zum Zuchtfortschritt beitragen.
- Der physiologische Leistungsanstieg mit dem Alter der Kühe. Die Leistung steigt die ersten Jahre im Leben einer Kuh an. Dazu ist die Grafik. In der ersten Laktation geben die Kühe im Schnitt die wenigste Milch. Sie sind noch nicht ausgewachsen und können daher weniger fressen. Sie wachsen auch nach der ersten Kalbung noch weiter und sind erst im Alter von so vier Jahren komplett ausgewachsen. Da sie dann mehr fressen können geben sie auch mehr Milch. Die meisten Kühe erreichen dann zwischen der 3. und 5. Laktation ihre höchste Leistung, bei den 100.000-Liter Kühen eher in der 6. oder 7., das sind da die Langstreckenläufer. Bei Tina war es übrigens auch die 7.
Mit einer niedrigeren Remontierungsrate werden die Kühe älter (bzw. mit älteren Kühe ist die Remontierungsrate niedriger, hängt ja zusammen) und mehr Kühe der Herde sind dann in den Laktationen mit der höchsten Leistung. Somit ist dann auch die Durchschnittsleistung der Herde höher. 

Wieder als Ergebnis: Es gibt keinen Grund die Remontierungsrate hoch zu halten. Das Ziel muss so niedrig wie möglich sein, dass die Kühe möglichst alt werden.

Die Grafik; die durchschnittliche energiekorrigierte 305-Tage-Leistung für die Laktationen 1 - 7, darüber waren einfach zu wenige Kühe:






 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Meine Rechenformel:
1 / % Remontierungsrate = Nutzungsdauer der abgegangenen Kühe in Jahren
2/3 der Nutzungsdauer abgegange Kühe = durchschnittliche Nutzungsdauer lebende Kühe
+ Erstkalbealter = Durchschnittsalter lebende Kühe

Benjamin