Samstag, 30. November 2019

Agritechnica 19 - Teil 2

Weitere Fotos von der diesjährigen Agritechnica.

Belarus hat eine außerordentlich Kontinuität beim Design ihrer Traktoren. Wo andere Hersteller alle paar Jahre das Design radikal umkrempeln und sobald alle Modelle einheitlich sind schon wieder von vorne beginnen setzt Belarus auf Evolution statt Revolution. Diesmal war es eine etwas größere Veränderung: Es gibt eine neue Kabine und die Farbgebung änderte sich von silbernen zu roten Felgen und die Motorhaube in Grau. Das hatten die Belarus-Traktoren schon mal Anfang der 1990er wie z.B. der ehemalige Futtertraktor in Boberow (siehe Post vom 08.07.2013).
Belarus verbaut schon länger in größeren Modellen "westliche" Komponenten, z.B. Motoren von Deutz oder Getriebe von ZF und dieser 923 hat eine 3,6 l-Motor von Caterpillar mit 70 kW:


















Ebenfalls aus Weißrussland ist dieser Gomselmash Palesse GS4218 CNG, ein Mähdrescher mit Erdgasantrieb. Bei Autos ist der Erdgasantrieb längst Großserie wenn auch mit geringem Marktanteil, bei LKWs und Bussen schon lange in Kleinserie und bei Traktoren gab es schon diverse Prototypen und Erprobungsmuster, z.B. von Steyr.
Es ist in großer Fünfschüttler mit einem 12 l-Cummins-Erdgasmotor und 260 kW. In der gelb-weißen Kiste auf der Strohhaube befinden sich die Gastanks:


















JCB Fastrac world's fastest tractor. Die Form, der Motorblock und die Achsen sind vom Fastrac, der Rest hat damit nichts zu tun. 5 t schwer, 750 kW stark und hat 167 km/h erreicht. Ein relativ hoher Aufwand im Vergleich zum bisherigen Rekordhalter, einem Valtra T4 mit um die 130 km/h, wo außer dem ziemlich aufgedrehten Motor nicht viel verändert war:


















Nicht mehr so extrem wie noch vor einigen Jahren sind auf der Agritechnica die Präsentation von riesigen Maschinen, die enstprechend Platz wegnehmen. Eine Horsch Maestro 36.50, eine Einzelkornsämaschine mit 36 Reihen und 50 cm Reihenabstand, macht 18 m Arbeitsbreite:


















Dafür gab es eine Silbermedaille der DLG: Krone EasyCut F400 CV fold. Ein Aufbereitermähwerk im Frontanbau mit 4 m Arbeitsbreite und 3 m Transportbreite wofür auf beiden Seiten die zwei äußeren Mähscheiben nach hinen geschwenkt werden. Ziel soll es sein in Verbindung mit Heckmähwerken genügend Überlappung zu haben um bei Kurvenfahrten oder am Hang keine Streifen ungemähten Grases stehen zu lassen. Im Vergleich zu Seitenverschiebungen u.ä. am Heckmähwerk finde ich da den Aufwand zu groß:


















Benjamin

Mittwoch, 27. November 2019

Agritechnica 19 - Teil 1

Meine Posts zur diesjährigen Agritechnica fehlen noch.
Wie jedes Jahr ging es mit dem Zug nach Hannover. Genau wie die Eurotier anstrengend, nicht weil so ein volles Programm sondern deutlich mehr zu laufen, denn wie vor zwei Jahren auch waren alle Messehallen belegt.
Einige Bekannte habe ich getroffen und ansonsten schauen, was es so Neues gibt und die Trends.
Die Trends sind ganz klar Digitalisierung und Elektronik, die großen Hersteller hatten auf ihren Ständen extra Bereiche dafür. Mit der Verbotsproblematik bei den Herbiziden deutlich mehr Hackgeräte und Striegel und auch Bodenbearbeitungsgeräte allgemein. Striegel und Hacken von Horsch, wer hätte sich das vor wenigen Jahren vorstellen können, wo deren Firmenideologie ganz auf Minimalbearbeitung und Totalherbizide eingestellt war.
Richtung alternative Antriebe gab es auch einiges zu sehen: Mechanisch-elektrisch leistungsverzweigtes Getriebe von John Deere, Hybridantrieb von Steyr, Erdgasmotor von Fiat.

Gleich am Eingang stand bei Claas ein Lexion 8900 auf einer Drehplattform. Ein absoluter Blickfang, mit 13,8 m Schnittbreite, 18.100 l Korntank und 580 kW Motorleistung der weltweit größte Mähdrescher. Und passte nicht mal ganz aufs Foto:


 















Weitere Fotos vom Claas-Stand gibts keine, denn die interessanten Neuheiten waren so belagert, dass man nicht vernünftig fotographieren konnte.
Jaguar 990 TerraTrac (Typ 499) als neues Topmodell der Häcksler mit 680 kW und Raupenlaufwerk.
Xerion 5000 TS. TS steht für Trac System, die lange erwartete Raupenversion des Xerion. Sind nicht die TerraTrac weil die nur für starre Achsen geeignet sind sonder Triangellaufwerke von Zuidberg für die beiden Lenkachsen.

War für mich eine der wichtigsten Neuheiten: Der Ploeger CM4240, ein selbstfahrender Bandschwader. Für mich als Luzerne-Fan haben die Bandschwader mit ihrer Futterschonung einen besonderen Reiz. Oxbo, der Mutterkonzern von Ploeger, hat schon seit vielen Jahren den Oxbo 4334 im Angebot, der ist aber für die amerikanischen Bedingungen ausgelegt. Bei Ploeger kommt der eigentliche Schwader von Reiter, wo ich skeptisch bin, weil mit deren spezieller Pickup-Konstruktion noch keine Langzeiterfahrungen gibt:



 














Das größte Ausstellungsstück war der 4.000. selbstfahrende Zuckerrübenvollernter von Holmer. Ein TerraDors T4-40 mit zwölfreihigem Rodeaggregat. Und 1250/50 R 32-Bereifung auf den Hinterachsen. In weißer Sonderlackerierung und geht an ein Lohnunternehmen aus Apolda:


 















Beregnungstechnik war auch mehr zu sehen oder es fiel von den zwei Dürrejahren geplagt einem mehr ins Auge. Fasterholt FM4900 Hydro, eine selbstfahrende Beregnungstrommel. Da wird die Regnerkanone nicht über das Feld zur Trommel gezogen sondern die Trommel fährt mit der Kanone hinten dran übers Feld und wickelt der Schlauch auf. Dadurch können auch Kurven gefahren und unregelmäfßige Flächen beregnet werden. Zwei davon habe ich dieses Jahr auf einem Karottenacker bei Wittstock gesehen:



 














Massey-Ferguson NEXT, wie sich die Traktorhersteller die Zukunft vorstellen: Viele Sensoren, Vernetzung und große Bildschirme sowie Joysticklenkung statt Lenkrad:



 














Fortsetzung folgt!

Benjamin

Sonntag, 24. November 2019

Gebärmuttervorfall - Teil 3

Es hat wirklich Seltenheitswert: Am Freitag hatte ich mal wieder eine Kuh mit Gebärmuttervorfall (siehe auch Posts vom 28.08.2014 und 09.07.2016). 
Abends riefen mich meine Kollegen an, dass in der Abkalbebox eine Kuh mit Gebärmuttervorfall liegt, die gerade gekalbt und scheinbar die Gebärmutter unmittelbar danach rausgedrückt hatte. Als ich dazu kam hatten sie schon sicherheitshalber die anderen Kühe allesamt weggesperrt und waren mit dem Wasserschlauch am Kühlen. Es war wirklich noch sehr frisch, denn es hing noch die Nachgeburt an den Karunkeln. 

Bis der Tierarzt kam kühlte ich die Gebärmutter weiter und überlegte dabei wann der letzte Vorfall gewesen war: Im Juli 2016, vor über drei Jahren. Denn mit unserem damaligen Tierarzt hatte ich mich dabei über das Halbfinalspiel der Fußball-EM am Abend davor unterhalten, wo ich kein Fernsehn schaue und die als zu bauernunfreundlichen Zeiten spielen.
Das 2014 "alle zwei, drei Jahre mal" stimmte also wieder und die damals angenommene Häufigkeit 1 von 1.000 Kalbungen korrigiere ich auf 1 von 2.000 Kalbungen.

Wurde bei den letzten beiden Fällen im Stehen die Gebärmutter wieder zurückgeschoben lag die Kuh diesmal mit Milchfieber fest. Dies wird dadurch begünstigt, dass das Herausdrücken der Gebärmutter extrem viel Calcium verbraucht und dann genauso wie bei "normalen" Milchfieber zu wenig für die Muskeltätigkeit zum Austehen vorhanden ist.
Die Kuh wurde daher nach einer Infusion mit dem Teleskoplader an den Hinterbeinen hochgezogen und hing dann in Rückenlage. Zuerst wurde noch die Nachgeburt abenommen, wenn die schon so leicht zugänglich ist.

Hat alles gut funktioniert, sie ist danach auch aufgestanden und heute dann hat sie schon 35 Liter gemolken.

Benjamin

Donnerstag, 21. November 2019

Labmagenverlagerung - Teil 4

Ab und zu gibt es größere Labmagenoperationen mit Öffnung der Bauchhöhle. "Blutige Operation" sage ich dazu. Hauptsächlich bei rechten Labmagenverlagerungen, weil man die mit Wälzen und Toggeln nicht hinbekommt, da passt es mit dem Drehsinn in der Kuh nicht auch wenn man sie gegen den Uhrzeigersinn drehen würde.

Truxa wurde mal nach ihrer dritten Kalbung mit einer rechten Labmagenverlagerung operiert.

Die Operation erfolgt immer von der rechten Seite. Das verwundert erst einmal bei einer linken Labmagenverlagerung quer durch die Kuh zu gehen aber der Grund ist der Pansen, der soviel Platz einnimmt, dass man von links nicht herankommt. Da kann man als Vergleich die Rumenozentese zur Gewinnung von Pansensaftproben oder das Anstechen von Pansenaufgasungen nehmen, wo links von außen problemlos der Pansen getroffen wird.
Bei einer linken Labmagenverlagerung wird der Labmagen quasi hinter dem Pansen herausgezogen.

Der Labmagen wird am Netz, dem umgebenden Gewebe, auf halber Höhe an der rechten Bauchwand mit einer Art Knopf festgenäht, sodass er dann in seiner normalen Position liegt.

Die größte Vorteil dieser Operationsmethode ist der Blick in die Kuh, es ist alles zu sehen woran gearbeitet wird und zudem kann auch im Inneren der Kuh kontrolliert werden ob der Rest in Ordnung ist. Dies betrifft insbesondere die Leber (Fettleber usw.).
Als Nachteile sehe ich die Wunde und mögliche Komplikationen damit, die für diese nötige antibiotische Behandlung und allgemein der ganze Aufwand für die Operation. Für das Toggeln muss nur frisch eingestreut werden, bei der Operation an der offenen Kuh müssen viel höhere Hygienestandards eingehalten werden. Der OP-Platz muss grünclich sauber gemacht werden, dann die OP-Kleidung wie auf den Fotos zu sehen und Frost darf auch nicht sein (siehe Post vom 22.01.2016).

Der Labmagen wird in Position gebracht:




 















Der Labmagen ist angenäht, jetzt wird die Kuh wieder Schicht für Schicht zugenäht:
























Die fertige Naht bevor Blau- und Zinkspray drauf kommt. Die lange Naht ist die "Arbeitsöffnung", die kurze für den Knopf mit dem der Labmagen festgenäht wurde:


 






















Danke an Yvonne, die mir die Details der Operation erklärt hat!

Benjamin

Montag, 18. November 2019

Labmagenverlagerung - Teil 3

Nun zur Operation von Labmagenverlagerung wo es die verschiedensten Varianten gibt, mit Öffnung der Bauchhöhle oder minimalinvasiv unter anderem auch mit Endoskopen.

Am meisten Erfahrung habe ich mit der minimalinvasiven Methode mit Toggeln, die ich auch als meine "bevorzugte" Methode ansehe, da recht schnell geht und wenige Komplikationen verursacht.

Meine erste Labmagenoperation die ich mit gemacht habe war ein solches Toggeln, im Mai 2008 in der Abkalbebuchte des damaligen Neumühler Kuhstalls. Die Kuh wurde sediert und wie sie sich abgelegt hatte für die Operation auf den Rücken gedreht:




 
















Seitdem habe ich immer ohne Sedierung gearbeitet. Die Kuh wird aufgehalftert und an das Gatter festgebunden, dann werden die Fußfesseln angelegt. Die üblichen Fußfesseln gegen Ausgrätschen, jeweils eine für die Vorder- und Hinterbeine mit einem Strick daran zum Ziehen. Außerdem das Seil zum Niederschnüren. Ein Ende wird am Halsband befestigt, einmal um dem Brustkorb hinter den Ellbogen und einmal um den Bauch vor dem Euter mit je einem Halbschlag, sodass das Ende vom Seil neben dem Schwanz liegt. Auf der Kuh muss das Seil links von der Wirbelsäule verlaufen. Ursrünglich verwendeten wir dafür ein Familienerbstück meines ehemaligen Kollegen Berthold, das ursprünglich das Seil zum Festbinden des Baums auf der Ladung des Leiterwagens war. Wie man das genau nennt weiß ich nicht, aber es war von einer Qulität die es heute nicht mehr gibt und trotzdem haben wir es irgendwann doch zerrissen und danach drei normale Halfterstricke aneinandergeknotet. Wenn alle Stricke angelegt sind werden die Eutervenen mit rotem Fettstift markiert, da man diese bei der auf dem Rücken liegenden Kuh nicht besonders gut sieht und ein Treffer mit dem Trokar äußerst ungünstig wäre.
Wenn alles fertig vorbereitet ist wird die Kuh noch einmal abgehorcht, ob der Labmagen noch verlagert ist. Es kommt teilweise vor, dass der alleine wieder in seine richtige Position gerutscht ist.

Vor der eigentlichen Operation muss die Kuh niedergeschnürt werden. Das ist eine aufwändigere und stressige Prozedur, sodass ich von der Lehrbuchmeinung kalbende Kühe zur Geburtshilfe niederzuschnüren gar nichts halte. Gefährlich ist es bisweilen auch; so habe ich mal eine Fuß unter die fallende Kuh bekommen und musste ins Krankenhaus.
Eine Person zieht hinten am Seil zum Niederschnüren, dieses zieht sich zusammen und drückt der Kuh die Luft ab, wenn sie dann "in die Knie" geht werden mit den Stricken an den Fußfesseln die Füße nach links weggezogen und die Kuh nach rechts umgestoßen, dass sie auf der rechten Seite zu liegen kommt. Die Richtung ist ganz wichtig, denn damit wird die Kuh um den gasgefüllten "Ballon" Labmagen herum in die richtige Position gedreht.
Dann springt eine Person auf den Kopf der Kuh um sie herunterzudrücken und eine andere fährt mit dem bereitstehden Hoflader heran um daran die Hinterfüße anzubinden und in die Höhe zu ziehen. Die Kuh wird in der Höhe der Hinterbeine und der Lage auf der Schulter ausgerichtet.

Der Tierarzt sucht mit dem Stethoskop und dem Hammer zum Klopfen das Echo des gasgefüllten Labmagens, ob dieser zur richtigen Position gewandert ist an der er fixiert werden soll:





 














Die Stellen für die Einstiche werden rasiert und mit Jodlösung desinifziert. Mit dem Skalpell wird die Haut angeschnitten wo mit dem Trokar eingestochen wird. Die Einstiche gehen durch die Bauchdecke und die Wand des Labmagens:



 















Nach dem Einstechen des Trokars wird der Stift im Inneren heraugezogen und durch die Hülse der eigentliche Toggel eingefädelt. Das ist ein ca. 30 mm langes und 3 mm dickes Edelstahlstück mit einem 30 cm langen Faden in der Mitte, das als Knebel vor dem Loch in der Labmagenwand liegt. Die Fäden müssen unbedingt festgehalten werden, es kam schon vor, dass ein dritter Toggel benötigt wurde weil einer ganz in der Kuh verschwand... Zunächst wird auf dem Bauch herumgedrückt, um das Gas das sich im Labmagen gesammelt hat ausströmen zu lassen, was man deutlich hört und riecht:


 
















Die beiden Fäden werden mit einer Binde als Druckverband festgezurrt und verknotet. Über die Toggel ist der Labmagen an der Bauchwand fixiert und wächst dort an. Auf die Wunden kommt noch Blauspray gegen Infektionen. Nach zwei Wochen ist der Labmagen soweit angewachsen und die Binde kann abgeschnitten werden:





 













Die Kuh wird dann nach rechts weitergedreht und alle Fesseln entfernt, dass sie aufstehen kann. Damit hat sie eine 360-Grad-Drehung vollzogen, wobei der Labmagen in seine normale Position gelangt ist, das Gas abgelassen und fixiert wurde.
Beim Wälzen ist der Ablauf des Niederschnürens, Zurechtdrehens und wieder Austehen der gleiche ohne dass die Toggel gesetzt werden. Dann besteht aber eine größere Gefahr, dass sich der Labmagen wieder verlagert.

Fortsetzung folgt!

Benjamin

Donnerstag, 14. November 2019

Labmagenverlagerung - Teil 2

Die wichtigste Prophylaxe gegen Labmagenverlagerungen ist die ausreichende Versorgung mit strukturwirksamer Rohfaser für eine gute Pansentätigkeit. Dabei kommt es nicht auf den relativen Rohfasergehalt in der Ration an sondern auf die tatsächlich aufgenommene Menge. Das vielgenannte Schlagwort der "wiederkäuergerechten Fütterung". 
Besonders bei frisch abgekalbten Kühen ist es immer eine Gratwanderung zwischen zu wenig Faser (-> Gefahr Labmagenverlagerung) und zu wenig Energie (-> Gefahr Ketose). Die Lösung dafür ist eine hohe Futteraufnahme, die beides einfacher macht. Das bedeutet bestes Grundfutter (nicht warm, keine Fehlgärungen usw.), häufiges Futteranschieben, genügend Fressplätze, genügend Tränken und auch schon in der Trockensteherzeit ein Hochhalten der Futteraufnahme.

Eine einfache Maßnahme ist auch der Energietrunk für die abgekalbten Kühe. Der liefert nicht nur Calcium für die Milchfieberprophylaxe sondern auch Energie und füllt vor allem nach der Kalbung das fehlende Volumen des Kalbs in der Kuh aus, dass der Labmagen auch unten bleibt (vgl. Post vom 18.01.2014). Sehr gute Erfahrungen habe ich mit dem Milki Kuhtrank von Milkivit gemacht (Gruß am Karsten!); der ist recht schmackhaft, da säuft eine erstkalbende Kuh schonmal 50 Liter davon und wenn eine den gar nicht anrühren will habe ich den auch schon gedrencht.

Zur Diagnose der Labmagenverlagerung. Das Ziel muss es sein die Verlagerung möglichst schnell zu erkennen, denn dann sind die Heilungsaussichten am besten. Äußere Anzeichen sind die Teilnahmslosigkeit der Kuh, bisweilen ein nicht so schönes Fell und weniger Wiederkauen. Der Kot wird weniger und dunkler (sekundäre Ketose, siehe Post vom 12.08.2019) und die Milchleistung sinkt und pendelt sich zunächst bei so 15 kg Tagesleistung ein, dafür braucht es aber recht lange, dass man diesen Trend auch erkennen kann.
Der sichere Nachweis ist das Abhorchen des Pansens mit einem Stethoskop. Bei normaler Pansentätigkeit hört man deutlich pro Minute zwei Kontraktionen zur Durchmischung. Bei einer linksseitigen Labmagenverlagerung hört man nicht den Pansen, da der gasgefüllte Labmagen davor liegt. Wenn man dann dagegen schnippst hört man ein charakteristisches metallisch klingendes Echo ("Steel drum"). Man kann auch ermitteln wie weit der Labmagen nach oben gewandert ist. 
Teilweise kann man es auch an der Pansenfüllung in der Hungergrube erkennen, dass diese unförmig ist, wenn der Labmagen darin liegt. Zur Pansenfüllung und Hungergrube zwischen letztem Rippenbogen und Hüfthöcker muss ich auch mal einen extra Post mit Fotos zur Veranschaulichung schreiben.

Die Diagnose und auch Behandlung wird durch einen pendelnden Labmagen erschwert. Dies ist eine Labmagenverlagerung die nur zeitweise auftritt und sich zwischendrin wieder in Normalposition zurückverlagert oder auch zwischen links und rechts verlagert wechseln kann.

Einfachste Möglichkeit der Behandlung einer Labmagenverlagerung und erste Wahl bzw. erster Versuch bei leichten oder noch frühen Fällen ist das Wegdrechen (vgl. Post vom 10.05.2019). Die Kuh wird an mehreren Tagen hintereinander gedrencht, um die Pansentätigkeit anzuregen und den Labmagen zu "beschweren". 

Fortsetzung folgt!

Benjamin

Sonntag, 10. November 2019

Labmagenverlagerung - Teil 1

Jetzt in der ersten Novemberhälfte ist traditionell nicht viel los und nur Alltagsbetrieb bevor die "Veranstaltungssaison" beginnt. Deshalb schreibe ich endich mal die Serie über die Labmagenverlagerung, die ich schon seit Ewigkeiten vor mir herschiebe.
Angefangen hat es bereits im Herbst 2016. Damals war Fabienne in der 8. Klasse und sollte ein Referat über ein mediziniches Thema halten. Sie schrieb mir deswegen, welches Thema sich denn aus dem Kuhbereich dafür eignen würde. Mir fiel eigentlich sofort die Labmagenverlagerung ein, einerseits eine recht bekannte Erkrankung und weil man das schön in die Abschnitte Anatomie mit den vier Mägen der Wiederkäuer, Ursachen, Prophylaxe und Therapie unterteilen kann. In der Mittagspause schrieb ich ihr eine E-Mail mit einem Entwurf in wenigen Stichworten. Später schickte ich ihr noch ein paar Fotos dazu. Fabienne bemühte sich sehr und bekam ganz souverän eine 1,0 auf das Referat.
Danach wollte ich das Thema auch noch mal im Kuhblog bringen, woraus aber bis nun heute nichts geworden war.

Die Wiederkäuer haben mit ihrem Vormagensystem insgesamt vier Mägen mit dem sie eigentlich unverdauliches faseriges Futter verwerten können. 
1. Pansen (Rumen) dem großen Gärbehälter in dem die Mikroben für die Faserverdauung leben.
2. Netzmagen (Reticulum), dem Schleudermagen mit dem das Futter zum Wiederkauen hochgewürgt wird.
3. Blättermagen (Omasum) in dem dem Futterbrei Wasser entzogen wird.
4. Labmagen (Abomasum) der dem "normalen" Magen der Nichtwiederkäuer entspricht bzw. bei den Kälbern die Milchverdauung stattfindet, quasi mit den Labenzymen die Milch verkäst wird.

Die Labmagenverlagerung wird mit LMV abgekürzt, umgangsprachlich wird von "Labmagen" gesprochen, was fachlich natürlich falsch ist, denn jedes Rind hat einen Labmagen und der ist in den seltesten Fällen verlagert. Der lateinische Begriff ist Dislocatio Abomasi; dafür reichen meine Lateinkenntnisse. Im Englischen wird meist mit der Abkürzung LDA - left displaced abomasum - gearbeitet; die seltenere RDA habe ich noch nie gelesen.

Normalerweise liegt der Labmagen leicht rechts ganz unten in der Bauchhöhle, bei der Verlagerung kann er sich nach meistens links oder seltener rechts verlagern. 
Ursache sind Verdauungsstörungen, vor allem bei zu viel leichtverdaulichen Kohlehydraten und zu wenig Faser läuft die Pansenverdauung nicht optimal und im Labmagen kann sich Gas ansammeln. Dieses Gas lässt den Labmagen wie ein Ballon im Körper der Kuh aufsteigen und sich verlagern. Problem dabei ist einmal die gestörte Verdauung, was die Versorgung der Kuh beeinträchtig und zu dem können am verlagerten Labmagen Blutgefässe etc. abgequetscht werden was die Folge hätte, dass der unbehandelt irgendwann abstirbt.

Theoretisch kann jedes Rind eine Labmagenverlagerung bekommen, einmal habe ich sogar eine bei einem vier Wochen alten Kalb erlebt. Am aller häufigsten ist es aber bei frischmelkenden Kühen nach der Kalbung, meist in der zweiten Woche, weil diese Kühe mit noch geringer Futteraufnahme am als erste zu wenig Faser für eine gute Pansentätigkeit. Die Häufigkeit ist sehr unterschiedlich, was vor allem an den Eigenschaften de Futters liegt, ob diese das Auftreten von Labmagenverlagerungen begünstigen oder fast schon ausschließen. Manche Beratungsfirmen geben an, dass man bei 3 % der gekalbten Kühen mit Labmagenverlagerungen rechnen müsste. Ich sehe das viel zu hoch gegriffen für den Durchschnitt; wenn es mal richtig "knallt" können es auch mal mehr sein, aber im Jahresschnitt würde ich eher 0,5 - 1,0 % angeben.

Fortsetzung folgt!

Benjamin

Dienstag, 5. November 2019

Zwischenfrüchte

Mal wieder was über das Drumherum zu den Kühen. Ich sage immer "in unserem Vorgarten" dazu: Die Flächen vor der Milchviehanlage die beiderseits der Straße liegen. Einmal die Wiese und auf der anderen Seite der Acker. Nach dem Winterroggen dieses Jahr kommt nächstes Jahr Mais dorthin und weil von der Ernte Anfang August bis zur Maisaussaat Anfang Mai ganze neun Monate Zeit ist kommt noch eine Zwischenfrucht dazwischen.

Zwischenfrüchte haben eine Reihe von Funktionen:
- Schutz vor Wasser- und Winderosion; könnte man meinen, dass das im flachen Brandenburg kein Problem ist, aber nach der Dürre 2018 hab ich auch einen ordentlichen Sandsturm erlebt (vgl. Post vom 22.09.2018)
- Unterdrückung von Unkraut
- Humusbildung
- Fixierung von Nährstoffen im Aufwuchs als Zwischenspeicherung für die Folgekultur
- Bindung von Luftstickstoff (Leguminosen)
- Humusbildung
- Lebensraum für Tiere, weil nach der Maisernte bis ins Frühjahr nicht mehr viel auf den Äckern steht
- aus politischen Gründen, weil Zwischenfrüchte über bestimmte Fristen angebaut mit dem Faktor 0,3 auf das "Greening" angerechnet werden können

Die Zwischenfrucht hat sich nach der Dürre jetzt beim ausreichenden Regen seit Ende September doch ganz gut entwickelt.
Es ist die Mischung TerraLife Rigol TR von DSV Saaten. Besondere Schwerpunkte der Mischung sind die Durchwurzelung und Lockerung des Bodens sowie die Fixierung von Phosphor.
Enthalten sind folgende Arten:
Öllein
Rauhafer
Sonnenblume
Phacelia (vgl. Post vom 09.10.2016)
Leindotter
Buchweizen
Sommerwicke
Alexandrinerklee
Abessinischer Kohl
Tiefenrettich (für die Lockerung)
Ramtillkraut

Zumindest davon erkannt habe ich Sonnenblume, Wicke, Hafer und "irgendwas mit Kohl":

Benjamin