Mittwoch, 30. Dezember 2020

Badsch

Böllerverbot hin oder her, man sollte sich daran erinnern woher die Bräuche zum Jahresende herkommen, lange vor Schwarzpulver und der christlichen Vereinnahmung: Mit Lärm die bösen Geister des alten Jahres zu vertreiben. 

Am Wochenende habe ich die alte Badsch meines Großvaters aus dem ehemaligen Hühnerstall geholt, die nun möglicherweise bei meinen Eltern zu Silvester zum Einsatz kommt.  
Offiziell heißt es Knallschreckgerät, umgangssprachlich Schussapparat genannt und im Dialekt lautmalerisch Badsch.
Damit werden im Herbst die Stare aus den Weinbergen vertrieben, die sonst in erheblichen Mengen die reifen Trauben wegfressen. Wobei ich den Eindruck habe, dass sich durch den Klimawandel die Problematik etwas entschärft hat: In den 1990ern war die Weinlese hauptsächlich im Oktober, in den 2010ern eher den ganzen September, zudem kommen die Stare später aus dem Norden.

Geschätztes Alter würde ich aus den 1960ern vermuten, wurde mit Carbid oder direkt mit Acetylen (Ethin, C2H2) betrieben, obwohl ein Anschluss für eine Propangasflasche wie bei den moderneren Modellen später drangebastelt wurde. Dieser Typ ist heute gängig (--> Link), Foto davon gibts im Post vom 19.09.2016.

Mein Großvater hatte damals noch eine eigene, in meiner Erinnerung fand das aber immer schon kooperativ statt, quasi eine "ZBE Starenabwehr Bergkloster Gundheim" die im Gemeindegebiet alle Geräte aufstellt und betreut.

Benjamin



Montag, 28. Dezember 2020

Winter in Rheinhessen

Momentan bin ich auf Urlaub in der alten Heimat. Ein Besuchsprogramm gab es wieder keines, nicht Sonntagsmorgens auf die Neumühle zum Melken, nicht zu meinem Bruder an die TH Bingen um mir mal die neuen Liegeboxen live anzukucken (siehe auch Post vom 02.10.2020) und auch nicht zu Christian nach Lampertheim, wo er jetzt eine interessante Neuerung im Stall hat.

Aber einen Spaziergang durch die Felder und Weinberge habe ich gemacht, bei drei Grad und schönstem Sonnenschein. Die Feldwege waren sehr matschig, an Weihnachten hatte es ordentlich geregnet. Wobei mit nur um die 400 mm Jahresniederschlag 2020 da unten deutlich trockener war als 2018 und 2019.

Im Ackerbau gibt es hauptsächlich zwei Kulturen: Zuckerrüben und Winterweizen. Den Winterweizen sieht man auf dem Foto als die grünen Felder. Zuckerrüben sind von diesem Jahr schon alle abgefahren, auch wenn die Kampagne in Offstein momentan noch läuft. Die Äcker für nächstes Jahr liegen brach; Zwischenfrüchte habe ich gar keine gesehen, wie das dann mit dem Greening gemacht wird kann ich nicht sagen.

Im Weinberg ist es gerade zwischen den Jahren ruhig, aber vom November bis in den März hinein ist die meiste Handarbeit: Reben schneiden, rausziehen (die Abgeschnittenen) und anbinden. Einige geschnittene Weinberge habe ich gesehen und auch einen der schon rausgezogen war.
Obwohl zum Reben rausziehen solches Wetter nicht ideal ist. Am besten ist leichter Frost, denn man läuft in den unbegrünten Erdreihen, auf dem Foto die rechte Reihe. Denn das Rebholz wird kleingehäckselt und später eingearbeitet. Das wird entsprechend nicht in den Grasreihen gemacht. Also läuft man in der Erdreihe und wirft die Reben da auf den Boden. Raureif oder Schnee auf den Reben ist auch nicht so toll, weil man dann schnell durchnässte Handschuhe hat.
Aber mittlerweile bin ich ja auf komfortablere Arbeitsbedingungen umgestiegen mit betonierter Melkstandgrube und kuhangewärmten Melkzeugen.

Am Horizont kann man ganz schwach erkennen, dass im Odenwald Schnee liegt, ungefähr 35 km entfernt:

Benjamin



Samstag, 26. Dezember 2020

Perle - Teil 6

Zur Kälberaufzucht gehört auch das Impfprogramm. Im Studium wurde ich da sehr geprägt, präventiv zu arbeiten statt später Krankheiten therapieren zu müssen. Also mit Impfungen das Immunsystem zu stärken.

Wie immer nenne ich hier aufgrund des Heilmittelwerbegesetzes (-> Link) keine Präparatenamen sondern "Fragen Sie Ihren Tierarzt!".

Es fängt vor der Geburt mit der Mutterschutzimpfung (siehe Post vom 14.12.2019) der Kuh an, dass Antikörper gegen Durchfallerreger in der Biestmilch enthalten sind.
Perle hat nach ihrer Geburt drei Liter Biestmilch gesoffen.

Wenn die Kälber in die Automatengruppe kommen beginnt das Impfprogramm gegen Rindergrippe und Kälberflechte.

Der Impfstoff für die Rindergrippe ist gegen die Erreger von Lungenentzündungen, die Viren Bovines Respiratorisches Synzytialvirus und Bovines Parainfluenzavirus und das Bakterium Mannheimia haemolytica.

Der Flechteimpfstoff ist gegen den Pilz Trichophyton verrucosum, der die Kälberflechte verursacht. Wobei wir damit keine Probleme haben und ich immer stolz sage: "Unsere Rinder haben alle möglichen Krankheiten außer Kälberflechte!" So gravierende Auswirkungen hat die Flechte nicht, aber sie fordert das Immunsystem und stört das Wohlbefinden, also wieder niedrigere Tageszunahmen und damit längere Aufzucht und höhere Aufzuchtkosten.
Nicht zu verwechseln ist die Kälberflechte mit dem Bovinen Papillomavirus das Hautwucherungen verursacht, meist im Hals- und Nackenbereich. Das ist ein gutartiger Tumor, der bei Färsen auftritt und irgendwann fallen die auch wieder ab. Ab und zu sieht man es mal, eigentlich so oft, dass man sich noch dran erinnern kann was das ist.
 
Nach der Einstallung in die Automatengruppe gibt es die erste Grippeimpfung, da meist Donnerstags eingestallt wird dann Freitags. Die Kälber sind dann zwei bis vier Wochen alt. Bei Perle war es am 27.11. im Alter von 19 Tagen.
In der Woche drauf folgt die erste Flechteimpfung. Bei Perle am 30.11. mit 22 Tagen.
Dann nach zwei Wochen die zweite Flechteimpfung. Bei Perle an 14.12. mit 36 Tagen.
Wiederum eine Woche später die zweite Grippeimpfung, vier Wochen nach der ersten. Bei Perle am 24.12. mit 46 Tagen.
Im Alter von sechs bis acht Wochen sind die Impfungen damit abgeschlossen.

Benjamin

Donnerstag, 24. Dezember 2020

Rot-Weiße Weihnachten

Wie jedes Jahr gibt es im Kuhblog Weihnachtsgrüße an die Leser.

Und auch wie jedes Jahr gibt es keine weiße Weihnachten. In Brandenburg kann ich mich nicht daran erinnern. Wo ich jetzt einen Laptop mit Windows 10 (dazu mehr im nächsten Jahr) habe inklusive der Wetterapp in der eine Rekordschneehöhe für die Weihnachtstage von ganzen 5 mm (1999) steht bei einer durchschnittlichen Schneehöhe von 0,5 mm in den letzten 30 Jahren. Also im Durchschnitt leichter Nachtfrost mit etwas Puderzucker.

Im Gegensatz zu den letzten Jahren gibt es keine Schwarz-Weißen Weihnachten sondern Rot-Weiße mit Perle! Sie ist nun sechseinhalb Wochen alt und säuft am Tag um die 10 Liter:

Benjamin















Dienstag, 22. Dezember 2020

Online-Seminar - Teil 2

Der dritte Vortrag beim Online-Seminar am letzten Donnerstag war von Dr. Fasching von der Höheren Bundeslehr- und Forschungsanstalt (HBLFA) Raumberg-Gumpenstein über Sensortechnik. Ihn hatte ich schon mal beim Praxisseminar vor drei Jahren gehört (siehe auch Post vom 30.03.2018).

Es ging um den Einsatz von Allflex SenseHub und Smaxtec bei Milchkühen. SenseHub ist die Weiterentwicklung von Heatime, nachdem Allflex vor zwei Jahren SCR übernommen hat. Smaxtec mit ihren Pansenboli wurde hauptsächlich in Raumberg-Gumpenstein entwickelt und später mit einer ausgegründeten Firma vermarktet. 

Ich kenne es seit 2011 aus dem Studienfach Precision Livestock Farming - also das was man heute eingedeutscht als Landwirtschaft 4.0 bezeichnet. Es war da gerade am Übergang von der Forschungsebene zum praktischen Einsatz. Dass man den Pansen-pH-Wert in Echtzeit und kabellos in der Kuh messen kann. Damals war der begrenzende Faktor die Batterielaufzeit von 3 Monaten. Heute wären es 4 Jahre. Dafür habe ich mal nachrecherchiert. Der eigentliche Bolus (Smaxtec Classic) hat gar keine pH-Messung mehr sondern "nur" Aktivitäts-, Wiederkau- und Temperaturmessung. Daher sind dann auch 4 Jahre Batterielaufzeit möglich und danach könnte man noch einen zweiten Bolus ersatzweise eingeben. Mit dann zusammen 8 Jahren kriegt man so 98 % der Kühe abgedeckt.
Bei den Bauern kam natürlich die Frage der Wiederverwendbarkeit auf. Ein Halsband kann man schnell einer anderen Kuh ummachen oder eine abgeschnittene Transponderohrmarke mit einem neuen Dorn versehen. Die Boli sind aber nicht mehr zu verwenden; im Schlachthof wird der Panseninhalt durchgesiebt, um Magnete, Fremdkörper usw. zu entfernen bevor der in die Biogasanlage wandert und die Smaxtec-Boli gehen in den Elektroschrott.
 
Nach den Ergebnissen zeigt die Wiederkaumessung Gesundheitsprobleme deutlich früher an als die Temperaturmessung. Die Funktion der Abkalbemeldung beruht darauf, dass der Verlauf der Körpertemperatur vor einer Kalbung langsam ansteigt und 36 Stunden vor der Geburt rapide und deutlich (so 1 Grad) abfällt.

Als Praxisbeispiel gab es die Erfahrungen aus Neißetal, wo das Smaxtec im Einsatz ist. Dazu Screenshots mit den einzelnen Verläufen und die Krankengeschichte der Kühe wurde erläutert.
Eine Beispielkuh hatte eine Euterenzündung und drei Fieberalarme und dazwischen Normaltemperatur, damit wäre sie über normales Fiebermessen als Momentaufnahme wahrscheinlich nicht aufgefallen und erst später auf dem Melkkarussell. 
Da stellt sich die Frage dann, ob mit solcher Technik das klassische Fiebermessen (siehe auch Post vom 03.09.2016) noch Sinn macht.
Weitere Erfahrungen:
Die Brunsterkennung funktioniert sehr gut.
Die Geburtserkennung funktioniert auch, mit teilweise sehr genauen Meldungen.
Die Temperaturangabe muss man einschätzen lernen.
Insgesamt bietet es einen besseren Überblick über die Herde, aber es muss im alltäglichen Betrieb eingesetzt werden.
 
Für Smaxtec ist der Ausblick in Zukunft erstmal im "Modelljahr" 2021, wo es die Überwachung der Wiederkautätigkeit auf Gruppenebene gibt, wo vom Einzeltier auf dei Gruppe gegangen wird z.B. für Auswirkungen von Rationsveränderungen erkennen zu können.
Außerdem wird sich damit beschäftigt Daten aus der Pansenmotorik nutzbar zu machen. Dabei gibt es den A-Zylus, an dem der Netzmagen mit beteiligt ist und den B-Zyklus bei dem nur der Pansen tätig ist. Beim Abhören mit dem Stethoskop kann man die beiden nicht unterscheiden - da hört man in beiden Fällen das Rumpeln. Der Bolus im Pansen könnte sie aber unterscheiden. Wenn sich das anteilige Verhältnis der beiden Zyklen verschiebt kann es z.B. ein Signal für Verdauungsstörungen sein.
 
Fortsetzung folgt!

Benjamin

Samstag, 19. Dezember 2020

Online-Seminar - Teil 1

Was ich dieses Jahr besonders vermisse sind die Tagungsveranstaltungen die abgesagt wurden. Wo ich doch gerne "draußen rumziehe" und mir dabei neue Anregungen und Wissen hole um auf der Höhe der Zeit zu bleiben und auch viele Bekannte zu treffen.
Nach einem dreiviertel Jahr merkt man nun wie nach und nach auf Onlineangebote umgeschwenkt wird. 
So auch die RBB, die am Donnerstag ein Online-Seminar zum Thema "Milchrind-Fütterung im Blick" machte. Ursprünglich war die Veranstaltung bei der Bauern-AG Neißetal (siehe auch Post vom 20.05.2017) geplant gewesen, wo ich wahrscheinlich nicht hingefahren wäre bei drei Stunden Fahrzeit einmal quer durch Brandenburg.

Online-Veranstaltungen haben dann doch einige Vorteile: Nicht den ganzen Tag unterwegs sondern einfach eine halbe Stunde früher Feierabend machen, wobei es doch anstrengender ist am späten Nachmittag konzentriert zuzuhören.
Und daheim kann man auch schnell mal (öfters) in die Küche gehen um Verpflegung zu holen.

Der 1. Vortrag war von Hrn. Langehage von der Firma Ahrhoff mit dem Thema "Trockensteherfütterung - richtige Vorberereitung für einen reibungslosen Start in die Laktation".
Ahrhoff liefert auch das Mineralfutter für die Besamungsbullen der RBB.

Zuerst die Fütterung von sauren Salzen in der Transitration. Da waren für mich auch noch mal paar neue Aspekte dabei. Im Studium wurde das eher nur erwähnt und sich auf die klassische Variante mit der calciumreduzierten Fütterung konzentriert wie wir sie auch machen. Dabei kriegen die Kühe vor der Kalbung wenig Calcium um die Regelkreisläufe für die Aufnahme aus dem Darm und die Auslagerung aus den Knochen zu aktivieren wenn nach der Kalbung mit der einsetzenden Milchleistung der Calciumbedarf stark steigt.
Bei hohen Milchleistungen stößt das aber an seine Grenzen weil vor allem von den Futtermitteln her der Mindestcalciumgehalt und der Einfluss der anderen Mineralstoffe vorgegeben ist. Die Variante mit sauren Salzen ist da effizienter. Über den DCAB mit dem Verhältnis von Kationen zu Anionen wird das Blut angesäuert. Es werden größere Mengen der sauren Salze gefüttert die viele Anionen in Form von Chlorid enthalten, dadurch wird das Blut dann sauer und der Körper lagert Calcium (Kationen) aus den Knochen aus um das auszugleichen. Dass die Kühe keine Osteoporose bekommen wird ein normaler oder sogar erhöhter Calciumgehalt gefüttert. 
Dadurch wird nicht nur die Prophylaxe von akutem Milchfieber möglich sondern auch von subklinischem, einem leichteren Calciummangel, den man der Kuh direkt nicht anmerkt aber Einfluss auf andere Körperprozesse hat und die Kuh nicht optimal "rundläuft". Wie z.B. Calciumbefarf der Pansenmuskulatur für die optimale Verdauung.
 
Dann zum Einsatz von pansengeschützten Aminosäuren und pansengeschütztem Fett in der Frühlaktation, wenn die Futteraufnahme dem Bedarf nicht nachkommt und es in der Fütterung immer ein Gegensatz von geügend Eiweiß zu genügend Energie ist. Dann den benötigten Spitzenbedarf am Pansen vorbei, der erstmal alles klein macht, in den Darm zu liefern.

Als Praxisbeispiel davon eine Auswertung aus der Lübbinchener Milch & Mast, einem der größten und leistungsstärksten Betrieben in Brandenburg. Dort war ich auch schon mal gewesen, ist schon lange her - im April 2009 - damals noch in ihrem alten Stall und war der erste Betrieb überhaupt mit (knapp) mehr als 1.000 Kühen den ich gesehen habe.
Das Fütterungscontrolling ist für das Leistungsniveau sehr ausgefeilt, täglich wird bei allen Fütterungsgruppen die Trockenmasseaufnahme bestimmt und die Trockensubstanz im Vergleich zur Rationsberechnung. Bei den Trockenstehern und Transitkühen wird das Futter stündlich mit einem Futterschieberoboter angeschoben.
In der Herdenauswertung des RBB haben die Kühe ab der 3. Laktation in der 2. Milchleistungsprüfung im Durchschnitt über 50 kg Tagesleistung, was zeigt, dass sie sehr gut in die Laktation starten was erst die hohen Leistungen über die ganze Laktation möglich macht.

Der 2. Vortrag war von Dr. Peters vom IFN Schönow, die auch im Herdenmanagerlehrgang Dozentin für Fütterungscontrolling war (siehe auch Post vom 13.02.2018). Thema war "Fütterung & Fruchtbarkeit - Wie hängt das Zusammen."

Die Fruchtbarkeit leidet unter der negativen Energiebilanz nach der Kalbung. Dabei gibt es die metabolische Priorität des Euters und die Fruchtbarkeit wird hintenan gestellt. Biologisch absolut sinnvoll, das aktuelle Kalb ist wichtiger als das nächste. 
Als Ziel wurden angegeben, dass die Kuh innerhalb von 130 Tagen nach der Kalbung wieder tragend ist und zeitnah wieder in den Zyklus kommen. Bei mäßiger negativer Energiebilanz wäre die erste Brunst nach im Schnitt 32 Tagen. Da ist bei mir die Wahrnehmung vielleicht verzerrt, aber gefühlt rammeln unsere Kühe in der Frischabkalbergruppe ständig, sehr viele zwischen 25 und 35 Tagen nach der Kalbung. Müsste man mal den Anteil von allen bestimmen.

Sehr interessant dabei war im Detail der Energiebedarf bzw. Folgen von Energiemangel auf die einzelnen Organe. Wo es wieder mal das Erstaunen war, dass trotzdem noch die Fruchtbarkeit halbwegs funktioniert.
Sowie auf die elementaren Stoffwechselprozesse heruntergebrochen die Energiesituation in den einzelnen Laktationsstadien. Sehr anschaulich und ich habe mal ein Thema für den Kuhblog im nächsten Jahr, da werde ich mich mal einlesen.

Die erneute Trächtigkeit innerhalb von 130 Tagen bezieht sich auf eine amerikanische Studie, bei der rauskam, dass dann die nächste Laktation am besten verläuft. Weil weniger Kühe hintenraus verfetten was immer Probleme macht. Dazu meine Quellenkritik, weil ich mich ja schon intensiver mit verlängerter Laktation beschäftigt habe um die ganze Fruchtbarkeit in die Zeit einer stabilen Stoffwechsellage zu verschieben. Da vermute ich, dass unter den amerikanischen Verhältnissen hohe Energiekonzentrationen über die ganze Laktation gefüttert wurden mit entsprechendem Verfettungsrisiko für Kühe die später tragend wurden sowie genetisch bedingt schlechter Persistenz der Milchleistung. Das Problem haben wir bei uns ja auch durch den starken amerikanischen Einfluss in der Zucht mit deren Ausrichtung auf die Spitzenleistung.

Fortsetzung folgt!

Benjamin

Montag, 14. Dezember 2020

Blutdruck

Noch ein Anwendungsgebiet für den Enthorner oder Lötkolben wie wir als umgangssprachlich dazu sagen: Das Verschweißen von stark blutenden Wunden bei denen die Blutgerinnung nicht mehr ausreicht.
 
Nach langer Zeit hatte ich am letzten Dienstag wieder so einen Fall. Das letzte Mal war das angebrochene Horn von Nr. 157 vor knapp vier Jahren gewesen (siehe auch Post vom 20.02.2017).
Am schlimmsten sind Verletzungen an den Eutervenen unten am Bauch. Zum Glück kenne ich das nur vom Hörensagen und musste es noch nie selbst miterleben. Mit der Faustzahl 500 Liter Blut die für einen Liter Milch durchs Euter fließen kann man das ausrechnen. Bei der deutschen Durchschnittskuh mit 29 Liter Tagesleistung sind das genau 10 Liter pro Minute, 5 pro Seite. Kühe haben eine für ihre Körpermasse geringe Blutmenge, nicht so wie beim Menschen wo man als 10 % sagt; es wären eher so 40 Liter. Und bei einer großen Verletzung an einer Eutervene kann die Kuh innerhalb von Minuten verbluten.

Diesmal hat es Jacina "nur" am Ohr erwischt. Was genau passiert war lässt sich nicht genau sagen, wahrscheinlich war die Ohrmarke damals zu nah an einem Blutgefäß eingezogen und jetzt hatte sie sich vielleicht die Ohrmarke im Fressgitter eingeklemmt und dann aufgerissen. Anfangs nur etwas blutend spritzte es später heraus und sie saute damit sich, die anderen Kühe um sie herum und auch die Einstreu ein. Überall Blut!
Die Ohrmarke wurde herausgeschnitten und die Wunde mit dem Enthorner verödet, das ganze umliegende Gewebe verschmilzt und dichtet das Blutgefäß ab.
 
Ein Foto habe ich gemacht auf dem man das Blut spritzen sieht, weil man glaubt gar nicht wie stark die Ohren durchblutet sind. Das Originialfoto ist stark zugeschnitten, weil eigentlich nur Blut zu sehen ist und es viel schlimmer wirkt als in natura. Das Blut ist aber dann recht schnell abgetrocknet und nur noch am verklebten Fell zu erkennen gewesen und vor allem an der fehlenden Ohrmarke.
 
Im grünen Kreis:
 
Benjamin
 

 


Donnerstag, 10. Dezember 2020

Perle - Teil 5

Gestern wurde Perles Gruppe enthornt. Sie nicht, da sie ja hornlos ist. Aber da das zur Kälberaufzucht dazugehört gibt es einen Post darüber.

Ganz wichtig: Die Enthornung dient der Sicherheit von Mensch und Tier, denn die Hörner sind Waffen und können schlimme Verletzungen verursachen. Und solange noch nicht alle Rindern hornlos sind müssen die behornten enthornt werden bevor die Hörner wachsen. 
Im letzten halben Jahr waren 70 % der Kälber behornt (pp), 29 % heterozygot hornlos (Pp) und 1 % homozygot hornlos. Zur Vererbung der Hornlosigkeit siehe im Post vom 13.09.2020. In Perles Gruppe sind viele hornlos: 12 von 26.

Enthornt wird meistens mittwochs, wenn eine Gruppe das passende Alter hat. Ich mache das relativ spät. Das betäubungslose Enthornen ist bis zum Alter von sechs Wochen erlaubt. Da richte ich mich nach dem ältesten Kalb der Gruppe, wenn das knapp sechs Wochen alt ist, ist das jüngste meist drei bis dreieinhalb Wochen alt und man kann die Hornansätze schon sicher fühlen. Das klappt bei den Holsteins recht gut, die Glanrinder z.B. bekommen ihre Hörner erst deutlich später. Aber es schwankt auch von Kalb zu Kalb stark, ein Zusammenhang würde ich am ehesten zum allgemeinen Wachstum sehen, dass für ihr Alter schwerere Kälber auch weiter im Hornwachstum sind. Alles natürlich im Millimeterbereich.
 
Die Sedierung zählt nicht als Betäubung, die "schlafen" dann nur besonders tief. Zusätzlich wird ein Schmerzmittel gespritzt. 
Die Sedierung macht unser Tierarzt, ich laufe mit und fühle bei allen Kälbern die Hornansätze. Die Hornlosen schreibe ich mir zum Abhaken auf den Handschuh. Ob hornlos oder behornt und dann das Sedativum gespritzt bekommen zwei blaue Striche mit dem Fettstift auf den Rücken, dass man sieht wer schon abgearbeitet ist. Die sedierten Kälber legen sich innerhalb von Minuten ab und die Hornlosen laufen dazwischen rum. Diese extra zu sperren geht nicht in der Buchte, aber es funktioniert auch so und alle Kälber haben damit jederzeit Zugang zu Milch, Wasser und Futter.

Die sedierten Kälber kriegen das Schmerzmittel gespritzt - wie immer gibt es hier keine Werbung für Arzneimittel, aber es ist der gängige Wirkstoff für diesen Fall. Danach werden mit der Schermaschine die Hornansätze freigeschoren. Dann trifft man die mit dem Enthorner besser und vor allem werden nicht so viele Haare in die Wunde eingebrannt wodurch es auch viel weniger qualmt und stinkt.
Beides bei den schlafenden Kälbern reihum, dass das Schmerzmittel auch wirkt wenn das eigentliche Enthornen beginnt.
Nach der erfolgten Enthorfnung gibt es Blauspray drauf für eine Wundheilung ohne bakterielle Infektionen. 
Die Kälber gehen in die Aufwachphase, wo es ganz indivduell bis zu mehreren Stunden dauern kann bis sie wieder mobil sind.
 
Später wird noch die Arzneimittelanwendung und der Hornstatus im HERDE dokumentiert.

Aktuelles Foto von Perle als alle wieder wach waren, noch mit den blauen Markierungen:

Benjamin


 

Sonntag, 6. Dezember 2020

Milchtaxi-Tuning

Gemäß dem Motto "Arbeitsscheinwerfer kann man nie genug haben!". Gute Ausleuchtung ist wichtig für produktives Arbeiten und die Arbeitssicherheit. Zudem ist der tote Winkel vor dem Milchtaxi auch nicht zu unterschätzen.

Dafür hat das Milchtaxi vorne eine eingebaute Beleuchtung. Die war jetzt aber kaputt und da das Ersatzteil ziemlich teuer ist hat unsere Werkstatt einfach einen Arbeitsscheinwerfer von der Stange angebaut. Deutlich günstiger und macht auch was her. Die Leistung ist auch nicht zu vergleichen: Damit wird der ganze Hof ausgeleuchtet. Als ich das zum ersten Mal gesehen habe fragte ich mich welcher Traktor da mit voller Beleuchtung über die Anlage fährt.

Benjamin 

 











 
Nachtrag vom 05.01.2021:
In der aktuellen Ausgabe 1/21 der Elite habe ich eine Anzeige von Holm&Laue gesehen für das Milchtaxi, jetzt mit SpotLight; eine Leuchte auf einem 360° drehbaren Schwanenhals oben drauf. Über diese "Funzel" musste ich dann schon sehr lachen.

Donnerstag, 3. Dezember 2020

Hype töchtergeprüft

Um Hype (siehe auch Posts vom 09.08.2017 und 08.08.2016) war es in der letzten Zeit ruhig geworden. Er war weiterhin im Angebot der RinderAllianz.

Am Dienstag wurde vom VIT die Zuchtwertschätzung Dezember 2020 veröffentlicht. Intern glaube wird die Zuchtwertschätzung mittlerweile täglich berechnet; oder zumindest einmal in der Woche. Veröffentlicht werden sie aber nur dreimal im Jahr - jeweils Anfang April, August und Dezember, wonach dann die Zuchtorganisationen ihre Angebote ausrichten.

Und diesmal war Hype erstmals als töchtergeprüfter Bulle dabei mit Zuchtwerten nicht nur anhand der eigenen Genotypisierung sondern nach Daten der eigenen Töchter. 
Das ist der klassische Altersverlauf der Besamungsbullen wie man im Studium oft durchgerechnet hat:
Geboren am 05.05.2016 kam er im Sommer 2017 mit etwas über einem Jahr in den Ersteinsatz und in der Augustzuchtwertschätzung 2017 mit 15 Monaten ins Angebot. Im Mai bis Juli 2018 (Hype 24 bis 26 Monate alt) wurden seine ersten Töchter dann geboren. Die wiederum kalbten von April bis September 2020 (Hype 47 bis 52 Monate alt) erstmals ab und somit waren in der Dezemberzuchtwertschätzung (Hype 55 Monate alt) Daten von 219 Töchtern vorhanden um für ihn einen töchterbasierten Zuchtwert zu berechnen.

Mit der Zuchtwertschätzung gibt es auch das erste Bullenangebot der PhöniXGroup. Schon beeindruckend die Auswahl an Rassen, die hauptsächlich durch die RBW (Braunvieh, Fleckvieh, Vörderwälder, Hinterwälder) eingebracht werden.

Wo sich Hype im Vergleich befindet: Auf der Bestenliste der schwarzbunten töchtergeprüften Holsteinbullen nach Gesamtzuchtwert RZG auf Platz 11 und nach ökonomischem Zuchtwert RZ€ auf Platz 27. Die Diskrepanz kommt durch seinen hohen RZE von 125 zustande, da das Exterieur in den RZG zwar mit 15 % Einfließt, aber als ökonomisch unbedeutend nicht in den RZ€.

Das ist sein offizielles Datenblatt mit den ganzen Zuchtwerten.
Seine letzten rein genomisch geschätzten Zuchtwerte sieht man im Vergleich nicht, aber ich hatte mir die abgespeichert um sie Vergleichen zu können.
Die Entwicklung der wichtigsten Zuchtwerte jetzt mit der Töchterinformation:
RZG + 4
RZ€ - 58 €
RZM +/- 0
RZE + 3
RZN + 3
RZGes + 1
Mkg - 105
Fett% + 0,09
Eiweiß% + 0,03
 
Eine deutliche Veränderung ist auch im Linearprofil des Exterieurs die Körpertiefe von 105 auf 96 und das Zentralband von 98 auf 84.
Schwächen sind die Totgeburtenrate und besonders die extreme Schärfe; ein BCS von 71 bei einem Milchcharakter von 130, da würde ich in wirklich nur für sehr "unedle" Kühe empfehlen.

Benjamin