Donnerstag, 31. Oktober 2019

Besamerstammtisch - Teil 3

Früher hatten die Bezirke Potsdam, Frankfurt und Cottbus jeder drei Besamungsstationen. Heute gibt es in Brandenburg davon nur noch die Station in Schmergow. Und im Zeitalter der genomischen Selektion mit der sehr hohen Selektionsintensität kauft die RBB nur noch 25 - 30 Bullen pro Jahr an. So stand ein Teil der Station leer und wurde nun durch einen Neubau ersetzt, der im Frühjahr bezogen wurde.
Im Gegensatz zu den bisherigen Offenställen die quasi nur aus Dächern bestehen kann dieser Stall komplett geschlossen werden. Hintergrund sind im Sommer die ganzen Stechmücken von der nahen Havel und deren Bedeutung als Krankheitsüberträger. Und die Zertifizierung für Spermaexporte.
Im Stall stehen alle Bullen die gerade in Produktion sind, direkt an den Sprungraum (rechts im Bild) angrenzend müssen die Bullen nicht mehr durchs Freie geführt werden.

Die rechte Boxenreihe hat Ausläufe nach draußen, die linke nicht; dafür war nicht genügend Platz auf dem Grundstück. Im Vordergrund ist die große Wellnessbox mit Sandeinstreu für „Sonderfälle“, dass sich die Bullen mal richtig austoben können:

Benjamin


Montag, 28. Oktober 2019

Besamerstammtisch - Teil 2

Zum Schluss des Besamerstammtischs gab es noch zwei Vorträge über Fruchtbarkeit und Zucht.

Einmal Dr. Jung vom IFN Schönow zu aktuellen Forschungprojekten zur Fruchtbarkeit.
- Rastzeit. Die Verlängerung der Rastzeit bis zu ersten Besamung ist seit mehreren Jahren ein viel disktutiertes Thema, das auch in der Praxis immer mehr Zuspruch findet. Das IFN hat bei einem Betrieb in einem Projekt nebenher eine Untersuchung zur Rastzeit gemacht. Der Vergleich von 42 zu 120 Tagen freiwillige Wartezeit bis die Kuh zur Besamung zugelassen wurde. Der Erstbesamungserfolg lag bei 30 zu 41 % und in der 120 Tage-Variante gab es keine Fälle von embryonalem Frühtod. Für diesen Betrieb kam als Ergebnis heraus, dass die Kühe mit einer Wartezeit von 80 bis 110 Tagen mit 50 % den höchsten Erstbesamungserfolg hatten, das ist fast doppelt so hoch!
- Forschungen zum Einsatz von Milchsäurebakterien im Zeitraum nach der Kalbung als Probiotika gegen Gebärmutterentzündungen.
- Nutzbarmachung von Interferon τ als Marker für die Trächtigkeit im Blut. Mit diesem signalisiert der Embryo der Gebärmutter die erfolgte Befruchtung um sich dann einnisten zu können.
- Versuche mit Techniken zur Geburtsüberwachung (Moocall, Velphone usw.), womit die Totgeburtenrate auf 0 % gesenkt werden konnte.
- Versuche zum Spermahandling beim Besamen und dem Einfluss dadurch auf die Befruchtungsfähigkeit. Einmal wie weit die anderen Portionen bei der Entnahme mit aus dem Stickstoffbehälter gezogen werden und zweitens wie lange es dauert bis die Portion ins Auftaugerät kommt. Hintergrund dabei ist die Lagerung im flüssigen Stickstoff bei - 196 °C, durch die dünnen Pailetten wird schnell eine von - 120 C erreicht, wo Umkristallisationen stattfinden, die die Spermien beschädigen. Wird umgehend aufgetaut, wird dieser Bereich quasi übersprungen.

Danach noch von Hrn. Dalle vom RBB über Aktuelles aus der Zucht.
Im August hat das VIT den Kälbergesundheis-Zuchtwert RZKälberfit gestartet. Dieser berechnet sich aus der Überlebensrate der Kälber des Bullen vom 3. bis 458. Lebenstag (= 15 Monate). Unter 3 Tagen zählt zu Totgeburten. Dieser Zeitraum wird in 5 gleich gewichtete Abschnitte 3 - 14, 15 - 60, 61 - 120, 121 - 200 und 201 - 458 Tage unterteilt. Ein RZKälberfit von 100 entspricht 93% überlebende Kälber, die Standardabweichung von 12 Pkt. sind 3 %. Der RZKälberfit korreliert mit fast allen anderen Zuchwerten leicht positiv bis auf das Exterieur. Das hat genau wie bei den Gesundheitszuchtwerten der Kühe einen negativen Einfluss.

Fortsetzung folgt!

Benjamin

Mittwoch, 23. Oktober 2019

Besamerstammtisch - Teil 1

Weiter geht es mit dem Programm von letzter Woche. Am Donnerstag war ich auf dem Besamer-Stammtisch der RBB in Schmergow bzw. Groß Kreutz. Ich war tatsächlich zum ersten Mal dort, weil die Anmeldung geht nur mit der Einladung, die all die Jahre in der Verwaltung hängen blieb. Dieses Jahr war ich aber dabei, wieder einmal ein "Familientreffen" der brandenburger Milchrindzüchter. Es richtet sich nicht ausschließlich an Besamer sondern ist allgemein über die praktische Zucht.

Auf der Besamungsstation in Schmergow wurde ein Teil der aktuellen Bullen vorgeführt. Wegen der hohen Standards der Biosicherheit darf man nicht in den inneren Bereich der Station (Schwarz-Weiß-Prinzip). Daher werden die Bullen aus dem Stall geholt und am Zaun entlang geführt, wo die Zuschauer außerhalb sitzen bzw. stehen. Waren insgesamt 13 Bullen, als typisch Brandenburger Rassen jeweils ein Uckermärker und ein DSN (Deutsches schwarzbuntes Niederrungsrind) und die anderen 11 Deutsche Holsteins verschiedener Altersklassen, von töchtergeprüften bis zu den jüngsten genomischen Jungbullen. Wenn ich es mir richtig behalten haben sind aktuell 12 % vom Spermaabsatz Fleischrinder, 7 % gesext und 26 % hornlose Bullen.

Bei den genomischen Bullen war Miko (Milord x Mr.Max) dabei, ziemlich genau 2 Jahre alt. Den kenne ich aus dem Testeinsatz. Im Rahmen des Testherdenprogramms (RBBplus, siehe auch Post vom 13.02.2016) wird mit den neusten genomischen Bullen als erstes in den Testherden besamt um dort die ersten Töchter in der umfassenden Datenerfassung für die Zuchtwertschätzung zu haben. Von den jährlich 25 bis 30 neuen Bullen bekommt aber nicht jeder Testherdenbetrieb Sperma von allen sondern die werden zufällig verteilt, die Anzahl richtet sich nach der Herdengröße. Zudem ist Miko ein gebürtiger Brandeburger, aus der Prignitz stammend, von der Agrargenossenschaft Karstädt:



















Zum Schluss als letzter Bullen mit dem Team der Station Freemax (Imax x Modesty), mit 16 Monaten einer der jüngsten und kleinsten der Bullen. Freemax ist zur Zeit der beste Bulle in Brandenburg, der zweitbeste in Deutschland und der drittbeste weltweit:


















Anschließend gab es in der Auktionshalle in Groß Kreutz die Nachzuchten von drei Bullen zu sehen. Von diesen Bullen haben gerade die ersten Töchter zum ersten Mal gekalbt und bis zur nächsten Zuchtwertschätzung im Dezember werden sie dann die Anzahl von 80 Töchtern in Milch überschreiten und ihren ersten töchterbasierten Zuchtwert erhalten. Töchtergruppe des Bullen Kaluscho, den ich auch aus dem Testeinsatz kenne (Ende 2016):

Fortsetzung folgt!

Benjamin



Sonntag, 20. Oktober 2019

Traktortreffen

Gestern war ich von der Feuerwehr aus im Nachbarort zum Traktortreffen. Eigentlich heißt es Treckertreffen, aber den Begriff Trecker mag ich nicht; auch wenn hier im Norden total gängig schwingt für mich darin so ein ostholsteinische Gutsherrenmentalität mit. Da verwende ich lieber den hochdeutschen Begriff Traktor, wenn auch in seiner Rheinhessischen Aussprache Tragdor. Mein Käse-Trecker ist als Eigenname eine Ausnahme (vgl. Post vom 03.11.2013).

Über 160 Teilnehmer jeder Größe und jeden Alters waren angereist, vom Einachser bis Knicklenker, von Lanz Bulldog bis ganz neu. Dazu einige Pkw- und Motorradoldtimer sowie alte Militärfahrzeuge von NVA und Sowjetarmee.
Die Aufgabe der Feuerwehr war die Absicherung der Rundfahrt durchs Dorf mittem im fließenden Verkehr was bis auf wenige Fälle erstaunlich diszipliniert ablief.

Nachmittags fand das Trakrorpulling stand. Motorsport auf dem Lande eben. Die daran teilnehmenden Traktoren und auch einige LKWs wurden in vier Klassen eingeteilt. Am interessantesten war die Königsklasse über 10 t Gewicht.

Natürlich dürfen die K700A dabei nicht fehlen, die aber genau wie der New Holland T9.565 mit Power-Hopping zu kämpfen hatten und keinen Full Pull schafften: 





 

















Optisch am meisten her machte ein Claas Xerion 5000, die Farbe schon ausgeblichen, mit gekürztem Auspuff und getönten Scheiben. Auf dem Heckaufbauraum ein Betonklotz von 3 t als Zusatzbalast. Der verfehlte knapp den Full Pull mit 95 von 100 m:




 

















Akustisch führend war ein Tatra 815, der auch mit Abstand am meisten rauchte und man dann gar nichts mehr sah. Der blieb bei 50 m stehen, fuhr in einem kleineren Gang nochmal an und schaffte es noch bis zu 70 m:



 
















Als einer von zwei Teilnehmern schaffte dieser John Deere 8400R einen Full Pull im ersten Durchgang. Mit 710er + 900er Reifen, Reifendrucksteueranlage, wo man hier den niedrigen Luftdruck deutlich sieht und auf geschätzte 20 t aufballastiert für mich der am besten vorbereitete Traktor für das Pulling:




 
















Klarer Favorit und zum Schluss auch Sieger war ein Case-IH Quadtrac 500, der im zweiten Durchgang mit nochmal 2 t zusätzlichen Eisenbahnschwellen und Erdmeißel am Bremsschlitten über 70 m packte wo der 8400R bei 11 m stehen geblieben war. An diese Kombination von Gewicht und Aufstandsfläche reicht kein anderer heran:

Benjamin


 

Freitag, 18. Oktober 2019

Grüne Kreuze

Hier im Kuhblog bin ich recht unpolitisch, über all' die Jahre habe ich fast gar Nichts zur Agrarpolitik geschrieben. Ausnahmen waren nur über meine Teilnahme an Demonstrationen in Berlin und Potsdam und ab und zu ein Seitenhieb auf den deutschen Auflagenwahn.
Das soll auch so bleiben, mit tagtäglicher Agrarpolitik beschäftigen sich andere Blogs und den Kuhblog sehe ich als zuständig für professionelle Milchviehhaltung und das Lebensgefühl mit Kuh.

Aber aus aktuellem Anlass gibt es doch mal etwas Politisches und zwar über die Grünen Kreuze, eine Protestaktion der Bauern gegen das Agrarpaket von Bundeslandwirtschaftsministerium und Bundesumweltministerium, das mit umfangreichen Verboten und Auflagen die Situation und vor allem Kostenbelastung der deutschen Landwirtschaft weiter steigern wird. Angestoßen hat es der bekannte Bauer Willi.

Die Grünen Kreuze als Mahnung, die einheimische Landwirtschaft nicht aufs Spiel zu setzen. Dieses steht gut sichtbar an der vielbefahrenen Straße (für Brandenburg...) zum Nachbardorf:





 
















Die Pressmitteilung von Bauer Willi dazu:




















"Überall in Deutschland finden Sie derzeit grüne Kreuze in den Feldern. Was sollen diese bedeuten?

Am 4. September 2019 hat das Bundesministerium für Landwirtschaft gemeinsam mit dem Bundesumweltministerium ein sogenanntes Agrarpaket verabschiedet.
Seitdem geht in vielen landwirtschaftlichen Betrieben die Angst um, dass damit jegliche  Produktion auf dem Acker und im Stall erschwert und in Einzelfällen nahezu unmöglich gemacht wird. Die Maßnahmen greifen massiv in die Eigentumswerte von uns Landwirten ein. Einzelne Flächen werden wertlos und können nicht mehr der für die Nahrungsmittelproduktion genutzt werden. Die Folge: Lebensmittel werden aus dem Ausland importiert, ohne Rücksicht darauf, wie sie dort erzeugt wurden. Das kann nicht im Sinne des Verbrauchers sein.

Die zahlreichen Verbote führen dazu, dass die Erträge sinken. Die Versorgung der heimischen Bevölkerung mit regionalen Produkten ist gefährdet. Auch das widerspricht dem Wunsch des Verbrauchers. Zunehmend versuchen traditionelle Landwirte, dieser Entwicklung durch Umstellung auf biologische Landwirtschaft zu begegnen. Dies führt durch ein zunehmendes Überangebot auch in diesem Markt zu einem gewaltigen Preisdruck.
Eine Gruppe von unabhängigen, engagierten Landwirten möchte mit dem Aufstellen der grünen Kreuze auf das jetzt massiv einsetzende Höfe-Sterben (vor allem kleine und mittlere bäuerliche Familienbetriebe) aufmerksam machen.
Wir stellen keine Forderungen. Die grünen Kreuze sollen als Mahnung an die Gesellschaft verstanden werden, sich dem Wert der heimischen Landwirtschaft  bewusst zu werden.
Noch ist Zeit zu handeln, weil die Beschlüsse noch den Bundestag passieren müssen. Sprechen Sie Ihren regionalen Abgeordneten an. Vielen Dank für Ihre Unterstützung."


Benjamin

Sonntag, 13. Oktober 2019

Die Väter

Hintergrund zu diesem Post war die Diskussion, ob man aus dem Herde-Programm rauskriegt wie viele Töchter die einzelnen Bullen in der Herde haben. Das ist relativ einfach, denn man kann Vater und Muttervater in den Tierlisten anzeigen lassen und diese auch in Excel exportieren. 

Besonders seit der Einführung der genomischen Zuchtwertschätzung und dem sich damit verringernden Generationsintervalls gibt es immer wieder die Unkenrufe einer stark ansteigenden Inzucht. Dieser Eindruck verstärkt sich dann auch noch durch Bullen wie Bookem, dessen Enkel und Urenkel die Bullenlisten dominieren.

Für die Boberower Herde wusste ich, dass sie eigentlich von zwei Bullen aus den 1960er und 1970ern abstammt (siehe Post vom 27.02.2015) und auch, dass die Bullen Laudan und Joko Besn sowie deren Söhne deutliche Spuren hinterlassen haben.

Aber die Liste überraschte mich dann doch: Spontan hätte ich gesagt, dass 30 - 40 Bullen die Väter der Kühe sind, doch es sind weitaus mehr: 111! Jeder Bulle hat unter den 358 Kühen durchschnittlich 3,2 Töchter.
53 Kühe sind "Einzelkinder", sie sind die einzige Tochter ihres Vaters in der Herde. Ein Beispiel dafür ist Truxa von Truman. Nochmal 17 Bullen haben jeweils zwei Töchter.
6 Bullen haben mehr als 10 Töchter:
Guarini mit 20; also Halbschwestern von Gisela
Bolaro mit 14, ist ein Bookem-Enkel
Citizen mit 14
Hafnar mit 14
Lonar mit 14; ist ein Laudan-Sohn
Banesto mit 13; ist ein Sohn von Bookem
Diese sechs häufigsten Väter haben zusammen 89 Töchter, was ziemlich genau ein Viertel der Herde ausmacht.
Laudan selbst ist auf dem 26. Platz mit 4 Töchtern; die Söhne von Joko Besn haben zusammen 5 Töchter.

Bei den Muttervätern streut es mehr, was auch zu erwarten ist, denn es kommt noch mal ein deutliche zeitliche Differenz mit rein, ob die Kuh das erste oder 8. Kalb ihrer Mutter ist, da kann der Muttervater schnell aus den frühen 1990ern stammen.
Mutterväter sind es 156 verschiedene, also hat jeder durchschnittlich 2,3 Töchter in der Herde. 
88 Bullen haben eine einzige Enkelin (über die mütterliche Seite!), 30 zwei.
Zwei Bullen sind öfter als 10 mal der Muttervater:
Laudan mit 16 Enkelinnen
Ticket mit 12.
Auf dem dritten Platz folgt der Joko Besn-Sohn Janosch mit 9 Enkelinnen, sein Bruder Junker hat 6, Jefferson eine Enkelin.

Am Beispiel von Laudan sieht man die Generationen in der Herde, als Vater; ist er nicht mehr stark vertreten, als Muttervater und Vatervater dafür viel stärker und noch eine Generation früher als Muttermuttervater dürften es noch mehr sein.

Benjamin

Montag, 7. Oktober 2019

Rendas Erben

Noch ein Foto von der Neumühle.

Die fleißigen Kuhblogleser werden sofort beim Titel dran gedacht haben, dass Renda das perfekte Beispiel für die falschrum liegende Kuh ist (siehe Post vom 20.08.2014). Ihr Geist ist aber weit über die Grenzen von Brandenburg hinaus verbreitet bis ins südliche Rheinland-Pfalz:




















Wie die drei sich falschrum hingelegt haben, weiß ich nicht; ob sie sich umdrehten und dann ablegten oder gleich rückwärts einparkten. Renda drehte sich um und daher auch nur in der etwas breiteren Box.

In der Gruppe sind Färsen zwischen 6 und 10 Monaten Alter und die erste Gruppe wenn sie aus dem Kälberstall in den Jungviehbereich des Kuhstalls umziehen.
Wie mir der Leiter der Lehrwerkstätte Milchviehhaltung mal gesagt hat wäre es extrem schwer die Färsen, die zuvor nur Stroh im Tiefstreustall kannten an die Liegeboxen zu gewöhnen. Ich bin zwar nur mal alle paar Monate dort, aber es gibt definitiv mehr Falschparker als Ganglieger.

Mit Jungvieh in Liegeboxen habe ich wenig Erfahrung und auch kein Patentrezept für das Gewöhnen an Liegeboxen. Für Kühe, die als Jungvieh immer auf Stroh waren und dann nach der Kalbung in Liegeboxen liegen sollen würde ich drei Dinge benennen:
1) Der gewaltige Umstellungsstress (Melken, ältere Kühe usw.) bringt sie zum Nachahmen der richtigen Boxenbenutzung.
2) Den Komfortunterschied zwischen Laufgang und Liegebox groß halten; beides mit Gummimatte funktioniert nicht gut.
3) Die Spalten/Ganglieger stören, z.B. durch Mistschieber oder zu hoher "Verkehrsdichte" in einem alten, engen Stall.

Das ist natürlich alles nicht Vernünftiges zum Weiterempfehlen.
Daher Liebe Kuhblogleser (mit Kühen): Was habt ihr so an Verfahrensweisen und Strategien entwickelt und umgesetzt um das in den Griff zu kriegen?
Mal als "Kuhblog - interaktiv" ein Brainstorming oder Marktübersicht oder wie man es nennen mag.

Benjamin

Samstag, 5. Oktober 2019

Neumühle 4/2019

In meinem Herbsturlaub bin ich nicht nur auf dem Traubenvollernter mitgefahren, zum Melken auf meinem Stammbetrieb Hofgut Neumühle war ich auch. Da kann ich nicht nach Rheinland-Pfalz fahren und das einfach ausfallen lassen.

Eine Neuerung gibt es im Melkstand: Alle Melkplätze auf der Fischgrätenseite sind wieder auf die ursprünglichen PosiCare-Arme umgerüstet worden (siehe Post vom 25.06.2019).

Die Leistung der Herde lag bei den letzten wöchentlichen Milchleistungsprüfung um die 35 kg bei "normalen" Inhaltsstoffen (4% Fett und 3,4% Eiweiß).

Mai ist jetzt in der 3. Laktation bein knapp 170 Melktagen, ihre bisherige Lebensleitung beträgt rund 37.000 kg und für die aktuelle Laktation hat sie eine Hochrechnung für die 305-Tage-Leistung von 1.004 Fett-Eiweiß-Kilo, was 13.570 kg energiekorrigierter Milch entspricht. Das ist um die 900 kg weniger als in der 2. Laktation, zeigt aber deutlich wie gut unsere Holsteins ihr genetisches Leistungsvermögen bei guter Haltung, Fütterung und Management ausschöpfen können. Momentan liegt sie bei so 40 kg Tagesleistung.

Im Herde plus sind mittlerweile unter den Zuchtwerten für die Einzeltiere auch die Gesundheitszuchtwerte (vgl. Post vom 23.03.2019) drin. Dabei ist mir der Unterschied zwischen RZS (Zellzahlzuchtwert) und RZEuterfit (Eutergesundheitszuchtwert) aufgefallen. Die Korrelation zwischen beiden beträgt 0,61; die Zellzahl ist ja nicht identisch mit der Eutergesundheit, war über Jahrzehnt halt ein mit der Milchkontrolle leicht zu erfassendes Hilfsmerkmal. 
Mai liegt beim RZS bei 108 und beim RZEuterift bei unterdurchschnittlichen 98, ihre Tochter Matilda ist zwar noch ein Kalb, ist über KuhVision aber schon genotypisiert worden und hat einen RZS von 105 und eine RZEuterfit von 104. 
Dann kommt nocht der Unterschied zwischen Genotyp und Phänotyp dazu, wo Braunies Familie eigentlich schon immer wenig Probleme mit der Eutergesundheit hatte.




















In der Forschung laufen momentan die Vorbereitungen zum nächsten Versuch. Gegenstand wird die Phosphorreduzierte Fütterung in der Transitphase sein. Phosphor hat eine wichtige Rolle im Stoffwechsel, teilweise analog zum Calcium, wo eine Reduzierung vor der Kalbung vielleicht sinnvoll wäre. Was aber nie so richtig untersucht wurde. Eine Studie ist an der Universität Utrecht zur phosphorreduzierten Fütterung vor und nach der Kalbung gemacht worden. Wahrscheinlich auch wegen der Phosphorquote, was in den Niederlanden ein vergleichbares Überregulierungsmonster ist wie hier in Deutschland die Düngeverordnung. Vor der Kalbung brachte es positive Einflüsse, nach der Kalbung negative. Auf dieser Basis aufbauend wird auf Neumühle nun weitergearbeitet.
Problem dabei ist auch die Beschaffung von phosphorarmem Kraftfutter. Mit der gentechnikfreien Fütterung ist Rapsextraktionsschrot zum vorherrschenden Eiweißträger geworden, der nicht nur viel Schwefel ins Futter bringt, was für die DCAB wichtig ist (vgl. Post vom 22.04.2019) sondern auch viel Phosphor. So sind wir auch vor zwei Jahren schon in Boberow auf ein Mineralfutter umgestiegen, das weniger Phsophor enthält, weil genügend vom Rapsextraktionsschrot kommt.

Benjamin

Dienstag, 1. Oktober 2019

Grapeliner - Teil 4

Nun der letzte Post über die Weinlese in Rheinhessen.

Eine gute Stunde bin ich selber mit dem Grapeliner im Weinberg gefahren. Mitten in der Reihe ist es recht einfach: Mit Lenkautomatik über die Ultraschallsensoren und Tempomat kann man sich auf die "Arbeitshöhe" und die Seitenneigung der Maschine konzentrieren. Das Umdrehen sind dann aber extrem viele Arbeitsschritte auf einmal. Maschine anheben, Schüttelwerk abschalten, Förderbänder abschalten, auf Rückfahrkamera umschalten, wenden meist mit sehr wenig Platz, wieder auf die Frontkamera umschalten, in die nächste Reihe einfädeln, Maschine absenken, Förderbänder einschalten, Schüttelwerk einschalten. Ob die neueren Modelle eine Art Vorgewendemanagement haben weiß ich nicht.
Die Kameras sind aber eine echte Hilfe, einmal nach hinten beim Wenden, dass man nicht auf der anderen Seite vom Weg etwas umfährt und die vordere, wo man schräg von vorne auf den Einzug sieht und beim Einfahren in die Reihe einen zweiten Blickwinkel hat neben dem Glasboden der Kabine.

In diesem Weinberg wurde die Sorte Regent gelesen, eine Rotweinsorte die als Besonderheit einige Pilzresistenzen hat, also mit einem geringeren Pflanzenschutzaufwand auskommt. Der Ertrag war sehr gut, dürfte an die 200 hl Maische/ha gewesen sein.
Bei 3,5 km/h Fahrgeschwindigkeit, 190 m Reihenlänge und 2 m Reihenabstand dauerte eine Runde hin und zurück inklusive Umdrehen und Auskippen ziemlich genau 9 min; bei mir waren es dann etwas mehr... Macht eine Stundenleistung von 0,5 ha.

Aus der Fahrerperspektive:


















In Rheinhessen dürften über 95 % der Trauben mit dem Vollernter gelesen werden; Handlese gibt es auch bei einigen Weingütern, die damit versuchen über gezielte Auswahl der Trauben am Stock eine höhere Qualität zu erzielen. Dies rechnet sich aber allenfalls als Flaschenwein in der Direktvermarktung.

Für mich ist die Handlese Folklore. 
Gelesen wurde ein Teil eines Weinbergs, der nicht mit dem Vollernter befahren werden kann, weil aufgrund des unregelmäßigen Flächenzuschnitts drei Reihen ineinander zulaufen. Da dachte mein Großonkel bei der Anlage in den 1970ern nicht an die künftigen Vollernter, die nicht nur den Platz zwischen zwei sondern drei Reihen brauchen. Der erste Vollernter - eine Krieger K1 - kam dann zur Saison 1980 und seitdem müssen zwei der drei Reihen weiterhin mit der Hand gelesen werden. 
Es handelt sich um die Rotweinsorte Portugieser, die die häufigste in Rheinhessen ist. Für die 35 Stöcke der beiden Reihen brauchten wir zu viert rund 20 Minuten, der Grapliner hätte es mit Umdrehen trotz der langsamen Geschwindigkeit von 2,5 km/h bei dieser widerspenstigen Sorte in vielleicht zweineinhalb geschafft:





















Zur Vermarktung noch: Der Großteil wird nicht als Wein sondern wenige Tage nach dem Keltern als Saft verkauft. Die Ernte erfolgt meist passend zur Abholung. Die Kellereien als Abnehmer werden über die Weinkommissionen als Händler und Dispatcher für die Speditionen beliefert. Die Kellereien bauen den Wein dann unter ihrem Namen aus und füllen ihn in Flaschen ab. Der Saft darf noch nicht begonnen haben zu gären um den Gärverlauf wie gewünscht steuern zu können, daher werden teilweise mit Schwefeldioxid die Hefen inaktiviert, also steril gemacht ("stumm machen").

Benjamin