Montag, 28. März 2022

Vor 25 Jahren

Schon so lange her... Das Foto ist heute vor genau 25 Jahren von meinem Vater aufgenommen worden. Das hatte ich vor einige Zeit auf meinem alten Laptop wieder entdeckt.

2012 schickte er mir das, nachdem er das analoge Foto digitalisiert hatte: "Als Bild hab ich ein Foto drangehängt das ich vor ziemlich genau 15 Jahren geschossen habe, Weisst du was das ist??"
"Natürlich weiß ich was das für ein Foto ist. [...] Kann mich noch daran erinnern, weil ich mich drüber geärgert hab, denn in der Nacht davor, wie ich gekuckt hab, sah man den nicht so gut."


Das Foto zeigt den Kometen Hale-Bopp. Der bedeutenste Komet des 20. Jahrhunderts und auch der einzige den ich bisher gesehen habe. 
Mein Vater mit seinem Interesse an Astronomie hat mich da schon geprägt: Die Sonnenfinsternis 1999, wo wir ins Elsass gefahren sind, weil es dort als totale Sonnenfinsternis zu sehen war, den Venustransit 2004, Mondfinstenisse, Überflüge der ISS und Besuche im Planetarium Mannheim.
Über zwei Sonnenfinternisse zu Kuhblog-Zeiten habe ich berichtet: Siehe Posts vom 20.03.2015 und 10.06.2021

Benjamin
 

 

Donnerstag, 24. März 2022

Im Schwarzwald

Letzte Woche war ich digital im Schwarzwald. 
Das war eine Olnline-Veranstaltung des Projekts EIP Rind. Die Koordination liegt bei der Hochschule Nürtingen und dem LAZBW Aulendorf. EIP Agri sind von der EU geförderte Projekte im Agrarbereich, in denen Innovationen durch die Zusammenarbeit von Forschung, Praxis und Industrie umgesetzt werden und als Schrittmacher wie es früher hieß zu wirken.
Es geht um Stallbau mit innovativen Lösungen für Tierwohl, Nachhaltigkeit  und Umweltschutz, vor allem Kuhkomfort und Reduktion von Ammoniakemmissionen.

Jeden Monat gibt es bei einem der teilnehmenden Betriebe eine virtuelle Stallbesichtigung. Gastgeber im März war Familie Hermann, die Bio-Milchviehhaltung im Südschwarzwald betreiben. Für mich ganz ungewohnte Dimension. Auf 1.000 Höhenmeter gelegen mit fünf Monaten Schnee im Jahr wo es außergewöhnlich ist, dass jetzt im März keiner lag. Ein reiner Grünlandbetrieb mit möglichst viel Weidehaltung. Als Rasse Vorderwälder, auch wenn man zwei Braunvieh im Jungviehbereich sah. 

Der Juniorchef machte eine Führung durch den Stall die gefilmt und im Meeting gezeigt wurde, über ein Headset mit der Moderatorin verbunden konnte er Fragen beantworten und auf Details näher eingehen. Richtig interessant und so war es trotz rund 100 Teilnehmern wie eine private Stallführung. Ein klasse Format!

Das Projekt war eine Stallerweiterung auf 40 Kuhplätze. Der ursprüngliche Stall war alles unter einem Dach: Der Heuboden, Tiefsilos für Silage, Kuhstall mit dem Futtertisch quer durch das Gebäude und Melkstand. Die Erweiterung wurde in Verlängerung des Futtertischs gebaut. 
Wichtige Punkte waren der Fesskomfort durch Platzteiler alle zwei Fressplätze, dass sich die Kühe nicht gegenseitig verdrängen können. Unüblich die Ausführung mit kurzen freitragenden Brettern von 50 cm Länge, dass der Spaltenroboter (Lely Discovery 90SW) unten durch fahren kann. 
Dann Stehkomfort, dass die Kühe in Ruhe mit allen vier Füßen in den Liegeboxen stehen können. Das ist eine ganz andere Herangehensweise, weil auch ich immer den Blick darauf gerichtet habe, dass die Kühe sich hinlegen, weil die stehende Kuh die Hinterklauen stärker belastet und die auf dem Gang im Dreck stehen. Das gilt aber nicht für die Kühe die mit allen vier Füßen in der Box stehen. Dafür haben die Boxen eine Nackenkette und das Querrohr wurde auf 1,60 m hochgesetzt. Die Liegeboxen sind als Tiefboxen ausgeführt mit den Gummimatten Kraiburg Polsta in der vorderen Hälfte um den Einstreubedarf zu senken. Da Einstreu auf einem Grünlandbetrieb eh knapp ist, aktuell werden Dinkelspelzpellets verwendet, die recht teuer sind aber eine sehr gute Saugkraft haben.
Laufkomfort durch die Verwendung von Gummimatten auf allen Stallböden, auch in der Abkalbebox unter der Einstreu. Auf den Gängen sind es drei verschiedene Spaltenbodenbeläge von Kraiburg: Die Standardvariante, dann die PediKURA mit Korund zum stärkeren Klauenabrieb und die KURA SB, bei der durch die Oberflächenform Urin merklich schneller abfließt, was auch die Ammoniakemissionen reduziert.
Für Emissionsreduzierte Spalten, dass Ammoniak nicht aus den Güllekanälen ausgast hat Familie Hermann ein eigenes System entwickelt; unter den Spalten sind dachförmige Kunststoffplatten angebracht, die mit Gummilippen abgedichtet werden. So kann Kot und Urin nach unten durchrutschen, Gase aber nicht nach oben entweichen.

Ein Screenshot mit Blick von der Empore (Projektteil Öffentlichkeitsarbeit) am Heuboden über den Futtertisch. Das ist ein Stichfuttertisch hinter dem sich ein Quergang befindet über den die Kühe die Futtertischseite wechseln können. Vor dem Quergang parkt der Futtermischwagen der nur im Winter benutzt wird. Im Sommer sind die Kühe auf der Weide und werden im Stall mit Frischgras und Heu zugefüttert. Es ist ein elektrischer Mischwagen von Kuratli. Die Stromversorgung erfolgt über ein Schleppkabel, da der Mischwagen sich nur auf dem Futtertisch bewegt bis zur Einfüllöffnung vom Heuboden; das ist auch dem Winterwetter angepasst:
 
Benjamin
 

 


Sonntag, 20. März 2022

Endlich Frühling!

Um 16:32 war Tag- und Nachtgleiche, jetzt steht die Sonne also schon nördlich des Äquators und wir haben astronomisch Frühling.

Irgendwie habe ich dieses Jahr länger auf den Frühling gewartet als die letzten Jahre. Der Winter war sehr mild, aber die erste Märzhälfte war dann schon recht kalt, zwar total sonnig und bis auf einen Tag keinerlei Regen und vor allem fast jede Nacht Frost und bis es Vormittags wieder in die Plusgrade ging ist man gefühlt im Winter hängen geblieben.
 
Das Wetter jetzt macht richtig Laune  für einen Wochenendspaziergang im Feld; 13 Grad, strahlender Sonnenschein und die Bäume treiben aus:
 
Benjamin
 

 
 

Mittwoch, 16. März 2022

Polia

Polia ist gut drei Wochen alt und auf den ersten Blick ist sie ein ganz normales schwarzbuntes Kalb. 
Als ich ihre Zuchtwerte bekommen habe war ich mehr als erstaunt: Sie ist hornlos, was bei ihrer Abstammung auch zu erwarten war und vor allem: Sie hat einen RZG von 151! Das ist 4,25 Standardabweichungen über dem Populationsmittel und der bisher beste Gesamtzuchtwert den ich nach mittlerweile über fünf Jahren Genotypisierung hatte. Also von der Häufigkeit nicht mal im Promillebereich.

Ihre Abstammung:
 
  x Sunday P 811522 (von ihm kommt die Hornlosigekeit)
   x Police 507157 (von ihm stammt das Poli... im Namen)
     x Laudan 810695 (also eine "richtige" Brandenburgerin)
      x Argument 460219 

Ihre Zuchtwerte:



   

















Also fast ganz perfekt: Gesund und Leistungsstark. Strichlänge und Melkbarkeit (RZD) hätte ich zu bemängeln... Aber ansonsten kommen die RZG 151 schließlich nicht von ungefähr.

Und natürlich ein Foto von ihr:

Benjamin



Sonntag, 13. März 2022

Kolostrumdieb

Ein Schnappschuss wie Mikesch in der Kälberküche aus einer Kanne mit frischem Kolostrum säuft oder besser gesagt nascht, denn richtig kam er bei der halbvollen Kanne nicht ran. Mit der linken Pfote stützte er sich auf dem Rand ab und die rechte tauchte er ein und leckte sie dann ab. Schien mühsam zu sein aber er störte sich gar nicht an meiner Anwesenheit und ließ sich ja auch fotografieren.
 
Die Katzen bevorzugen eindeutig Kolostrum gegenüber dem Mischkolostrum der Folgegemelke oder der reifen Milch später als fünf Tage. Das mag bestimmt am höheren Fettgehalt und dem hohen Gehalt an Eiweiß (Immunglobuline, siehe auch Post vom 16.06.2021) liegen.  
Trotz Leben mit Kuh habe ich noch nie richtig Kolostrum probiert. Man soll von dem hohen Fettgehalt Durchfall bekommen und außerdem will ich den Kälber auch nicht das Kolostrum als wichtigste Mahlzeit im Leben wegsaufen, dafür ist es zu wertvoll. Hatte mich auch vehement dagegen ausgesprochen als die Geschäftsführung vor ein paar Jahren mal eine Anfrage von einer Firma bekam die "überschüssiges" Kolostrum für die Herstellung von Kolostrum-Pillen abkaufen wollte.
Nur einmal habe ich eine Fingerspitze gefrorenes Kolostrum probiert, wo der Eimer hinten im Kühlschrank gestanden und sich etwas Eis gebildet hatte. Das hat mich etwas an Pfirsisch-Eis erinnert und mich spontan neugierig gemacht; schmeckte aber nach gar nix außer recht cremig.

Benjamin



Donnerstag, 10. März 2022

Generationsintervall

Zuchtfortschritt gibt es mit jeder Generation wenn die Gene neu gewürfelt werden; mit der Vorraussetzung, dass die Eltern besser sind als der Populationsdurchschnitt.
Mit dem Generationsintervall kommt noch eine zeitliche Komponente hinzu, wie oft Zuchtfortschritt stattfindet.

In den Zuchtfortschritt fließt die Abweichung der Eltern zum Populationsmittel ein, z.B. die Milchzuchtwerte + 725 kg, + 1283 kg usw. 
Das wir mit der Selektionsintensität verrechnet, das ist der Anteil der Tiere die für die Erstellung der nächsten Generation eingesetzt werden. Umso höher desto niedriger ist der Anteil an der Population und so gentisch besser können die Tiere sein wenn man immer die besten "von der Spitze her" nimmt.
Über die Standardnormalverteilung werden da die Zuchtwerte berechnet, an denen man sie htzum wieviel besten Teil der Population diese Weret gehören. Hier habe ich grob die Relativzuchtwerte (RZ, z.B. Milch, Nutzungsdauer usw., die berechnen sich statistisch alle gleich). Die erste Zahl ist der Mindestzuchtwert den das Tier erreichen müsste, die zweite der durchschnittliche über alle selektierten Tiere.

Kühe/Färsen: 100 % alle Tiere werden für die Remontierung eingesetzt; RZ 0 / RZ 100
Kühe/Färsen: 25 % besten Tiere mit gesextem Sperma; RZ 108 /  RZ 114
Kühe/Färsen: 5 % besten Tiere über Embryotransfer; RZ 120 / RZ 124

Bullen: 1 % besten Tiere als Deckbullen; RZ 128 / RZ 131
Bullen: 0,1 % besten Tiere als Besamungsbullen; RZ 137 / RZ 139
Bullen: 0,01 % besten Tiere als Besamungsbulle; RZ 145 / RZ 147

Mit Relativzuchtwerten bis über 160 die es bei den Bullen gibt sieht man wie stark die Selektion ist, das sind dann von den Millionen Holsteins weltweit die Allerbesten.
 
Dann fließt die Sicherheit der Zuchtwertschätzung mit ein. Bei der genomischen Zuchtwertschätzung die einzig auf dem Genom der Tiere beruht liegt die Sicheheit im Schnitt bei knapp über 70 %, bei den Einzelmerkmalen von unter 40 bis 80 %.

Als Beispiel der Bulle Canitz, den wir im Testherdenprogramm aktuell im Einsatz haben:
Und zum Vergleich Laudan mit Sicherheiten in allen Zuchtwerten von durchgehend 99 %. Da stehen aber auch über 80.000 Töchter dahinter, die mit der Töchterzuchtwertschätzung eingeflossen sind.   

Das Generationsintervall ist das durchschnittliche Alter der Eltern bei der Geburt der nächsten Generation. Es kommt dann dazu, wie lange es dauert bis der Zuchtfortschritt umgesetzt werden kann. 
Am Beispiel hätte Canitz jetzt versamt einen Milchzuchtwert von + 1804 kg mal 73 % Sicherheit durch 1,92 Jahre Generationsintervall (Kalb am 13.12.2022 geboren). Wären 686 kg/Jahr Zuchtfortschritt von ihm, davon fließt aber nur die Hälfte ein, weil die Mutter die andere Hälfte beisteuert.
Für Laudan wären es + 46 kg mal 99 % Sicherheit durch 24,17 Jahre Generationsintervall = 2 kg/Jahr. Dabei ist aber zu bedenken, das da 24 Jahre Zuchtfortschritt der gesamten Population dazwischen liegen, mittlerweile sind unsere Kälber meistens seine Ururenkelinnen, da hat nicht nur einmal sondern schon viermals Zuchtfortschritt stattgefunden.

Das Generationsintervall fließt wieder von beiden Seiten, Mutter wie Vater ein und das unterscheidet sich schon stark.
 
Allgemein zu den Bullen, auch als Kuhväter
Die allermeisten Bullen (80 - 85 %) sind die genomisch getesteten Jungbullen, die mit etwas über einem Jahr in den Ersteinsatz gehen und dann ein bis zwei Jahren lang eingesetzt werden. Bei der Geburt der Kälber sind sie dann knapp zwei bis vier Jahre alt.
Bei den töchtergeprüften Bullen dauert es deutlich länger bis sie in den breiten Wiedereinsatz kommen. Etwas über ein Jahr in den Testeinsatz, neun Monate Tragezeit der Kälber, dann zwei Jahre Erstabkalbealter der Töchter bis sie Milch geben und man überhaupt eine vererbbare Milchleistung des Bullen kennt. Bis genügend Töchter abgekalbt haben und drei Monate in Milch sind für eine sichere Zuchtwertschätzung ist der Bulle inzwischen gut vier Jahre alt. Im Wiedereinsatz sind es noch mal neun Monate bis zu Geburt der Kälber und dann noch eine Zeit lang in der Besamung verwendet sind es so um die 6 Jahre Generationsintervall.

Bei den Bullenvätern ist es noch eine krassere Verkürzung. Früher waren die Bullenväter nicht die allerneusten töchtergeprüften Bullen sondern welche die schon einige Töchter mehr hatten. Sieht man schön in den Stammbäumen, da ist in den Bullenlinien meist ein 7-Jahre-Takt drin gewesen. Heute wird das erste verfügbare Sperma der Jungbullen für die allerhöchsten Anpaarungen verwendet wie im Embryotransfer. Da ist das Generationsintervall unter zwei Jahren.

Bei den Bullenmütter hat es sich auch stark verkürzt, waren es früher die besten Kühe, die sich meist über zwei Laktationen bewährt hatten und dann nach dem dritten Kalb in den Embryotransfer gingen. Bis diese Kälber von den Trägertieren dann ausgetragen, so waren sie 5 bis 6 Jahre alt.
Heute sind die Bullenmütter fast ausnahmslos Färsen mit hohen Zuchtwerten und da ist das Generationsontervall um und auch deutlich unter zwei Jahren.

Bei den Kuhmüttern hängt es von der Kalbenummer ab. Von einer Färse ist es das Erstkalbealter, um die zwei Jahre. Bei einer Zweitkalbskuh meist etwas über drei, beim dritten Kalb Richtung viereinhalb usw. Da gibt es mit die größten Einflussfaktoren, wie z.B. gesextes Sperma bei Färsen einzusetzen oder aber auch bei Kühen oder die Nutzungsdauer auf dem Betrieb was die Anteile der Kalbenummern schon stark verschieben kann.

Mit der genomischen Zuchtwertschätzung hat sich das Generationsintervall auf der Bullenseite (Bullenväter, Bullenmütter) stark reduziert und dadurch ist der Zuchtfortschritt angestiegen. Da haben alle Zuchtwerte 2010 einen Knick nach oben gemacht.

Benjamin

Montag, 7. März 2022

Kuhväter und Bullenmütter

Ganz allgemein mal über Rinderzucht. 
Rinderzüchter ist auch ein Teil meines Berufs, aber ich definiere mich weniger als solcher, da die Zucht nur ein Baustein der ganzen Milchkuhhaltung ist. Für den unmittelbaren Erfolg eher klein, langfristig über den Zuchtfortschritt aber sehr groß.
 
Warum Zucht? Zucht ist die Vermehrung von guten Genen in der Population, die gezielte Fortpflanzung von Tieren. Bei der Fortpflanzung werden die Gene neu zusammengewürfelt und über die Zucht werden quasi dafür die Würfel festgelegt.
So kann man die nächste Generation besser machen, sei es langlebiger, weniger Schwergurten oder so Sachen wie die Strichstellung am Euter, das man die Zitzen nicht über dem Melkbecher sortieren muss weil sie zu dicht beisammen stehen.
Da für die allermeisten Merkmale ein genetischer Einfluss besteht kann darauf gezüchtet werden, z.B. DDcontrol, die Anfälligkeit für Dematitis Digitalis (Mortellaro; siehe auch Posts vom 08.10.2015 und 28.10.2015). Dafür sind manche Rinder genetisch anfälliger als andere. Und wenn man nur noch die nicht anfälligen Rinder sich fortpflanzen lässt kann man ganz vereinfacht gesagt das Problem wegzüchten. Rein theoretisch zumindest, weil das lange dauern würde und ein einziges Merkmal nicht sinnvoll ist. 

Grundsätzlich ist die Rinderzucht sehr alt, so wurde schon in der Steinzeit die Hornlosigkeit sehr erfolgreich weggezüchtet weil man die Hörner brauchte um die Ochsen daran anzuspannen. Paar tausend Jahre später züchten wird die Hornlosigkeit aus Tier- und Arbeitsschutzgründen wieder zurück, was ein gutes Beispiel für das Auswählen der Würfel ist.
Die organisierte Rinderzucht begann in Deutschland um 1870 mit der Gründung der Herdbücher, in denen die Zuchttiere eingetragen sind und man so überhaupt erst einen Überblick bekam wie man gute Gene weiterverbreiten kann. Ende des 19. Jahrhunderts kam dann die Milchleistungsprüfung mit der man die Milchleistung als wichtigstes Leistungsmerkmal quantifizieren konnte, in den 1960/70ern dann Zuchtwertschätzung und die Rechenzentren mit der EDV. Und 2010 die genetische Zuchtwertschätzung für alle Rinder vom Embryo an.

Die Zuchtwertschätzung wird für die einzelnen Tiere durchgeführt um zu bestimmen welchen Wert sie für die Verbesserung der nächsten Generation haben. Bei einem Bullen kann man nur indirekt die vererbte Milchleistung über seine Töchter bestimmen. Die Wachstumsleistung dagegen mit der Eigenleistung. Daneben gibt es noch den Pedigree-Zuchtwert anhand der Eltern.
Die heute üblichen genomischen Zuchtwerte basieren auf der Genotypisierung des individuellen Erbguts. Auf dem Genom wurden mit hundertausenden Rindern als Vergleichsreferenz (Lernstichprobe) Abschnitte (SNPs) beststimmt, die Einfluss auf die unterschiedlichsten Merkmale haben. Bei einem Kalb kann dann an diesen Abschnitten nachgeschaut werden welche Varianten vorliegen und der Zuchtwert geschätzt werden. Es wird immer nur geschätzt, weil man ja nie weiß was genau kommen wird. Je nach Merkmal beträgt die Sicherheit der Schätzung aber so 50 - 80 % und das schon wenn das Kalb nur wenige Wochen alt ist bzw. eigentlich schon als Embryo aus wenigen Dutzend Zellen.
 
Rinder haben eine recht geringere Reproduktionsrate; fast immer nur ein Kalb und 9 Monate Tragezeit. Da sind Schweine mit vielen Dutzend und Geflügel mit hunderten Nachkommen viel einfacher zu vermehren.
Daher sind die meisten Kühe auch Kuhmütter, denn aus ihren Kälbern wird wieder die nächste Generation Kühe. Ausnahme sind die Mastanpaarungen, aber das ist trotz der Zunahme in den letzten Jahren weiterhin die Minderheit.
Die Kuhväter sind dagegen nur wenige. Seit sich die künstliche Besamung in den 1950er Jahren durchgesetzt hat kann ein Bulle nicht mehr einige hundert Nachfahren haben sondern viele (Zehn)tausende. Es können so auch die allerbesten Bullen ausgewählt werden, die nicht nur hohe Milchleistung vererben, sondern auch gute Eutergesundheit, die gewünschten Körpermerkmale usw. Für die Population der Deutschen Holsteins sind es pro Jahr vielleicht 600.000 Kuhmütter und 300 Kuhväter als Besasmungsbullen die neu hinzu kommen. Deckbullen kann ich schwer schätzen, vielleicht noch mal 10.000, aber die haben nur so 10 % Anteil auf die Töchter bezogen.
Bullenmütter sind die Kühe aus deren Bullenkälber die Besamungsbullen und Deckbullen werden. Da nicht so viele Bullenmütter gebraucht werden sind die Auswahlkriterien viel strenger. Klassisch ist es für den künftigen Deckbullen die beste Kuh im Stall. Bis in die 2000er hatten die Zuchtorganisation ihren Pool an Bullenmüttern, besonders gute Kühe aus dem ganzen Zuchtgebiet, die dann gezielt angepaart wurden und mit Embryotransfer die nächste Bullengeneration erzeugten. Mit der genomischen Zuchtwertschätzung findet man die guten Kühe schon als Kalb und so sind heute fast alle Bullenmütter bei ihrer Auswahl Färsen. Siehe auch Posts vom 07.02.2015, 14.02.2015, 18.02.2015, 13.03.2015, 06.06.2019 und 11.06.2019.
Die Bullenväter sind die Väter der Bullen, sowohl der Deckbullen als auch besonders der Besamungsbullen und die sind dann auch global gesehen die absolute Spitze.
 
Fortsetzung folgt!

Benjamin

Mittwoch, 2. März 2022

Aktuelles von Taiga

Was Taiga so macht, denn das letzte Mal habe ich von ihr geschrieben als ich sie enthornt habe (siehe Post vom 13.11.2021). Inzwischen ist sie längst abgesetzt und knapp fünf Monate alt.

Beim Absetzen war sie erst 83 Tage alt, da musste ich die Tränkedauer für sie und ihre Kolleginnen in der Gruppe etwas zusammenkürzen weil Platzmangel herrschte. Die alten Kälberställe aus den 1990ern sind einfach zu knapp bemessen.

In diesen 83 Tagen der Tränkeperiode hat sie ungefähr 650 Liter gesoffen mit einer enthaltenen Trockenmasse von rund 90 kg. 

Ihre Krankenakte ist vorbildlich dünn: Stehen nur die Enthornung mit Sedativum und Schmerzmittel sowie die vier Impfungen (siehe auch Post vom 26.12.2020) drin.

Benjamin