Montag, 27. November 2023

Zwillingsträchtigkeiten vermeiden

Zwillingsträchtigkeiten sind unerwünscht, weil sie die betroffenen Kühe sehr belasten. Es ist zwar nur einmal eine Kalbung, aber dann müssen trotzdem zwei Kälber raus. Dazu das erhöhte Risiko für Schwer- und Totgeburten ("Vorfahrtsverstoß") und davor auch für Spätaborte und Verkalbungen. Nach der Kalbung erhöhtes Risiko für Milchfieber, Nachgeburtsverhaltung, Gebärmutterentzündung, Ketose usw.
Erstmals wurde mir das deutlich bewusst als ich 2014 auf einer Veranstaltung war, bei der jemand vom RBB (wer es war weiß ich nicht mehr) über Ergebnisse aus den ersten fünf Jahren des Testherdenprogramms referierte. Das war lange vor den Gesundheitszuchtwerten und sie berechneten für verschiedene Diagnosen die Wiederkalbewahrscheinlichkeit. Und die war durch eine Zwillingsgeburt am stärksten reduziert.

Andererseits haben die Kälber geringere Geburtsgewichte, grob gesagt 30 statt 40 kg, womit sie schon einen Entwicklungsnachteil haben für Zucht wie Mast. Und als letzter Punkt noch die Zwicken (siehe Post vom 12.05.2023).

Die "amerikanische Methode" wäre die Kälber abzuspritzen. Das sehe ich kritisch, neben der ethischen Problematik ist es vor Allem die folgenden Fruchtbarkeitsprobleme. Da hat man die Kuh endlich tragend und dann induziert man einen Abort; dann ziehen sich Gebärmutterentzündungem lange hin bis die Kuh wieder sauber ist und zum Schluss wird es eng sie wieder tragend zu bekommen. Nicht anhand der Laktationstage sondern der Milchleistung zum Trockenstellen, der damit verbundenen Verfettungsgefahr und den Folgen in der nächsten Laktation.

Für sinnvoller halte ich das bewusste Management der Zwillingskühe und noch mehr die Vermeidung von Zwillingsträchtigkeiten.

Benjamin

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Samstag, 11. November 2023

Kuh-Heizung

Jetzt kommt noch ein Post zum Thema Milchkühlung bzw. Erneuerbare Energien auf der Milchviehanlage bei dem ich mich mal wieder richtig verkünstelt habe. Bzw. zusammen mit meinem Vater, der mir mit seinen Erfahrungen zur Wärmepumpe die Rechenwege und Forneln gegeben hat. Da bin ich mit fast nur Verbrennungsmotor in der Schulphysik und im Studium mit fast nur Mähdrescher in Landtechnik eher schwach aufgestellt. Sind also alles grobe Überschlagungsrechnungen ohne jegliche wirtschaftliche Betrachtung und technische Realisierbarkeit im Detail, das müsste dann ein Anlagentechniker vernünftig berechnen.

Ausgehend vom Post über die Milch-Luft-Wärmepumpe (siehe Post vom 27.10.2023) ging es darum wie viel Energie im Temperaturniveau der Milch steckt die über die Milchkühlung abgeführt wird und diese dann zu nutzen. Wärmerückgewinnung aus der Milchkühlung ist schon üblich bei Einzelbauern mit Kleinbetrieben, wo damit das Brauchwasser erwärmt und das Wohnhaus auf dem Bauernhof geheizt wird. Das ist bei uns aber abseits der Wohnbebauung und mit den Biogasanlagen als Wärmelieferant nicht der Fall.

Wobei die Wärme der Milch quasi auch Biogas ist bzw. das Bild der Biogasanlage als Betonkuh. Die ganze Energie stammt aus der Pansenfermentation. Die Mikroben produzieren sehr viel Abwärme, sodass schon die Körpertemperatur bei Rindern bei 38 - 39 °C liegt, zwei Grad mehr als beim Menschen. Und den Rindern wird es schnell zu warm bei höheren Außentemperaturen (siehe Post vom 07.05.2019).
Eine Kuh strahlt je nach Leistungsniveau und dem damit verbundenen Stoffwechsel so 1 bis 2 kW Wärme ab. Das merkt man am deutlichsten wenn an im Winter beim Melken zwischen den Kühen durch den Vorwartehof läuft, da ist es immer angenehm warm.
Daher funktioniert auch die Eisfreihaltung der Tränken im Abkalbestall mit "Heizvieh" (siehe Post vom 06.01.2016).

Die Milch die eine Kuh gibt ist auch kuhwarm. Die Milch kommt mit 38 °C aus der Kuh und mit 36 °C am Vorkühler an, da geht nicht viel verloen. Im Winter werden damit beim Melken nach zwei bis drei Durchgängen die Melkzeuge und Schläuche warm.
Von den 36 °C mit denen die Milch ankommt bis heruntergekühlt auf 6 °C für die Lagerung ergibt sich die Wärmemenge die man nutzen kann.
Bei Wasser beträgt die Wärmekapazität 4,18 Joule pro Gramm und Kelvin (bzw. Grad Celsius). Das war früher die Definition der Kalorie. 1 J ist die Energie einer Wattsekunde, wovon man dann in kWh und kW als Leistung weiterrechnen kann.
Die Wärmekapazität von Milch beträgt 3,95 kJ/kg. Dass ich hier nicht Milch mit Wasser gleichsetze. Diese Zahl habe ich aus dem Handbuch der Milchverarbeitung von Tetra Laval, mit dem ich mal im Studium zu tun hatte. Die ganz dicke Fachliteratur und auszugsweise im Internet zugänglich.
Beim Kühlen eines kg Milch von 36 °C auf 6 °C werden 118,5 kJ frei bzw. 33 Wh (0,033 kWh). Mit dieser Zahl kann man weiterrechnen für die Wärmemengen die man zur Verfügung hat.

Meine Überlegung war wieviel Wärme die Pinnower Kühe am Tag über die Milch zur Verfügung stellen und was man damit alles Heizen könnte. Ist nur ein Gedankenspiel, da eh über die Biogasanlage beheizt und das neue Melkhaus damals in die bestehende Anlage integriert wurde inklusive Teilen der Kühltechnik aus dem alten Melkhaus.

Die Milch wollte ich nach einem ähnlichen System kühlen: Mit Brunnenwasser im Vorkühler und dann mit Eiswasser direkt bis auf 6 Grad herunter. Und die Wärme die das Kühlaggregat bei der Eiswasserbereitung "abpumpt" zur Heizung zu verwenden.

Benjamin
 
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Mittwoch, 8. November 2023

Smart Dairy Grid - Teil 2

Noch eine Ergänzung zum letzten Post, wo ich die Kochendwasserreingigung und Eiswasserkühlung als Möglichkeiten beschrieben habe im Milchviehbetrieb den Stromverbrauch im Tagesverlauf zu verteilen/verschieben.

Der ursprüngliche Gedanke dabei war über geringeren Anschlusswert und Spitzenstrom die Stromkosten über die Grundkosten zu senken. Heute ist es mehr für die Nutzung von selbst erzeugtem Strom, dem Eigenverbrauch. Dieser kam mit dem EEG 2012, wo einmal über die massiv gesenkten Einspeisevergütungen der Ausbau Erneuerbarer Energien fast zu erliegen kam (Altmaier-Delle) und andererseits es interessant wurde den Strom selbst zu verbrauchen. Vorher war die Einspeisevergütung höher als der Strompreis im Bezug, also lohnte sich das gar nicht. Jetzt ist es gegeben sobald der Eigenstrom in der Produktion samt den Steuern die trotzdem abgeführt werden müssen günstiger ist als der Netzbezug.

Naheliegend ist Photovoltaik, weil auf den Ställen und Hallen viel Platz vorhanden ist. 
Biogas wäre auch naheliegend zur Verwertung von anfallender Gülle, Mist und Futterresten. Dazu käme noch die Möglichkeit der Wärmenutzung, sowohl auf der Anlage selbst oder als Nahwärme in der Umgebung.
Windkraft bietet sich eher nicht an, weil die Hofanlagen die auf dem Markt verfügbar sind produzieren recht teuren Strom. Durch die kleine Größe sind die Investitionskosten pro kW recht hoch und gleichzeitig der Ertrag niedriger. Die Hofanlagen sind in Luftschichten von so 10 - 40 m unterwegs im Gegensatz zu "kommerziellen" Anlagen in windreicheren Schichten zwischen 50 und 250 m. Also nur etwas für solche Küstengebiete in denen die Windkraft wegen der guten Bedingungen eh traditionell stark ist.
Vor allem für die Photovoltaik bieten sich noch Batterien als Möglichkeit für die Zwischenspeicherung an, wo dann die Speicherkosten halt geringer sein müssen als die Differenz zwischen Eigenstrom und zugekauftem Strom. Bisher kenne ich nur einen Betrieb der mit Batteriespeichern arbeitet. Und zwar die PBK in Schönhagen für die Photovoltaikanlage auf dem Dach des Jungviehstalls (Foto im Post vom 09.02.2016).

Für den Eigenstromproduktion vor allem bei Photovoltaik wäre die Verschiebung des Bedarfs auf tagsüber sinnvoll. Über Kochendwasserbereitung und Eisspeicher für den Bereich Melken, das eigentliche Melken (Milchentzug) liegt eher ungünstig in den Tagesrandbereichen. Die Gülletechnik (Pumpen, Rührwerke, Separator) können relativ einfach angebotsorientiert betrieben werden. Ventilatoren/Berieselung sind im Sommer genau passend als Verbraucher, Beleuchtung halt gegenläufig zur Sonne, aber das sind nicht die größten Mengen.
 
Dazu kommt als Verbrauchsmöglichkeit die Elektrifizierung der Landtechnik. Da ist die Hoftechnik gut geeignet mit dem geringeren Leistungsbedarf, kleinen Aktionsradien und nicht stundenlangem Volllastbetrieb.
Im Post vom 14.05.2020 hatte ich über Elektro-Hoflader geschrieben und eine kleine Marktübersicht verlinkt. In den letzten dreieinhalb Jahren hat es sich da rasant weiterentwickelt mit dem Fortschreiten der Batterietechnik. Der Trend geht da eindeutig zu größeren Maschinen wie Teleskoplader in der Klasse "2 m breit - 2 m hoch".
Liste elektrischer Lader (nicht vollständig!): 
 
Dazu kommen elektrische Futtermischwagen, nicht nur Fremdbefüller sondern mittlerweile auch Fräsmischwagen; aber akuell mit 16 - 20 t Futter pro Akkuladung bei einmaligem Laden am Tag sind diese nur für Kleinbetriebe geeignet.

Benjamin

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Samstag, 4. November 2023

Smart Dairy Grid

Smart Grid ist ein total aktueller Begriff und bedeutet übersetzt intelligentes Stromnetz. Ganz so neu ist es aber nicht, während meinem Studium war das schon 2010 im Studiengang Energie- und Prozesstechnik ein großes Thema. Das Ziel ist im Stromnetz von der "Grundlastideologie" des 19. Jahrhunderts wegzukommen hin zum Verbrauch nach Angebot. Also über die Steuerung des Verbrauchs. Als typisches Beispiel der Gefrierschrank, der bei vielem verfügbaren Strom tiefer herunterkühlt und dann bei wenig Strom nicht kühlen muss.

Auf einem Milchviehbetrieb ist es erstmal nicht so leicht Stromverbräuche zu verschieben nach dem Angebot. Die Melkzeiten mit Vakuumpumpe und Milchkühlung sind für den konstanten Tagesablauf von Kuh und Mensch fix.

Aber es gibt schon einige Möglichkeiten: Die klassischen Technologien dafür sind die Kochendwasserreinigung und die Eiswasserkühlung. Ursprünglich ging es darum den Anschlusswert und die Spitzenlast gering zu halten, dass bei der Spülung nicht Vakuumpumpe und Milchkühlung gleichzeitig auf Volllast laufen. 
Bei der Kochendwasserreinigung wird zwischen den Melkzeiten Wasser erhitzt, das dann später zur Spülung dient. Und bei der Eiswasserkühlung wird in der Zwischenmelkzeit Wasser zu Eiswasser heruntergekühlt, mit dem dann die Milch gekühlt wird. Daher auch der Begriff Eisspeicher.

So kann man den Strombedarf vom Melken und Kühlen über den Tag verteilen bzw. dort hinlegen wenn mehr Strom verfügbar ist, z.B. aus Photovoltaik.
 
Benjamin
 
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