Samstag, 14. Dezember 2019

Mutterschutzimpfung

Ein Post zu einem alltäglichen Thema im Hintergrund. Unser Tierarzt war letzte Woche auf einer Tagung zur Kälbergesundheit und berichtete, dass beim Kälberdurchfall mittlerweile Kryptosporidien vorherrschend sind, weil Rota- und Coronaviren durch die fast flächendeckende Mutterschutzimpfung meist unter Kontrolle wären.
Da für mich die Mutterschutzimpfung in meiner Kuhlaufbahn schon immer Standard war kann ich dazu mal im Kuhblog schreiben.

Mit Kälberdurchfall haben wir zum Glück nur wenige Probleme. Man kann niemals nie sagen, geschätzt sind es pro geborenem Kalb 0,15 Behandlungstage. Positive Faktoren dafür sind einmal die intensive Tränke, dass die Kälber von Anfang an mit tägliche Tränkeaufnahmen von 12 Liter und mehr ausreichend Energie aufnehmen für ein starkes Immunsystem und Reserven für schlechtere Tage haben. Als zweites die Hygiene in der Haltung zur Reduzierung des Keimdrucks, was sich mit dem neuen Kälberstall mit Rein-Raus-Prinzip, einfacher Reinigung und Desinfektion und Stallbrache (Leerstand) verbessert hat.

Kryptosporidien sind Einzeller, die parasitär die Darmzotten befallen und schädigen, mit dem Durchfall werden die Eier ausgeschieden, die wiederum andere Kälber infizieren können. Durch die Gabe des Arzneimittels Halofuginon haben wir das so weit im Griff.
Für die anderen wichtigen Durchfallerreger gibt es die Mutterschutzimpfung. Rinder haben kein angeborenes Immunsystem, das entwickelt sich erst nach der Geburt. Das Rind hat entwicklungstechnisch noch die älteste Plazenta-Version der Säugetiere, wo die Blutkreisläufe von Mutter und Kalb komplett getrennt sind und nur Nährstoffe und keine Antikörper übertragen werden können. Dafür bildet die Kuh die Biestmilch, die extrem viele Antikörper (Immunglobuline) enthält und zudem mit einer in den ersten Lebensstunden sehr durchlässigen Darmwand gut vom Kalb aufgenommen werden kann. 
Die Mutterschutzimpfung der Kuh gegen die Durchfallerreger wirkt dann als Schluckimpfung beim Kalb.

Viele Pharmafirmen bieten Mutterschutzimpfstoffe an, die sich in den verwendeten Virenstämmen und Serotypen unterscheiden, zudem Lebendimpfstoff oder inaktiviert.
Es sind enthalten: Bovines Rotavirus (Rota), Bovines Coronavirus (Corona) und meistens auch gegen Coli-Bakterien (Escherichia coli).
Vor drei Jahren habe ich selbst mit dem Impfen der Kühe (Mutterschutzimpfng) und Kälber (Grippeimpfung und Flechteimpfung) begonnen. Anlass war die Reduzierung der Tierarztkosten; war halt die Mentalität der Geschäftsführung den Tierarzt als Kostenfaktor zu sehen und nicht wie ich als Partner für die Tiergesundheit...
Habe dafür eine Einweisung in den Umgang bekommen und das wurde auch ans Kreiveterinäramt gemeldet, dass ich als Einziger auf dem Hof mit Impfstoffen umgehen darf. Impfstoffe werden da ganz strikt gehandhabt, sind ja quasi Biowaffen. Die Impfdosen werden auch nur wenige Tage vorher beim Tierarzt unter Angabe der Stall-/Ohrmarkennummern bestellt und kommen unter Einhaltung der Kühlkette in den Kühlschrank.

Geimpft werden die Kühe drei Wochen vor dem erwarteten Kalbetermin. Das ist der Zeitpunkt, an dem alle verschiedenen Impfstoffe eingesetzt werden können und ich den Impfstoff problemlos (Lieferschwierigkeiten etc.) wechseln kann ohne groß Umplanen zu müssen. Da ich von allen Abkalbungen die Tragedauer aufschreibe kann ich den Zeitpunkt besser treffen. Gemäß dem Motto "Nur was man dokumentiert kann man auch managen". Im Herde-Programm ist die Standard-Tragezeit mit 281 Tagen hinterlegt, nach meinen Erfahrungen sind es bei reinrassigen Holsteins 278 Tage und bei Kreuzungen mit Fleischrindern 282 Tage. Bei individuellen Bullen kann es auch auffällig abweichen was ich dann auch mit berücksichtige. 
Geimpft wird einmal pro Woche am Dienstagnachmittag beim Transensortieren. Aus der Trockenstehergruppe (V-Halle) werden die Kühe für die Transitgruppe (Bullenstall) raussortiert, dabei werden die Kühe für die Mutterschutzimpfung mitgenommen und alle im Fressgitter eingefangen. Die Kühe 24 bis 18 Tage vor der Kalbung werden geimpft und die Kühe 19 bis 13 Tage vor der Kalbung gehen in die Transitgruppe. Da gibt es eine kleine Schnittmenge; die mit 20 bis 24 Tagen gehen wieder zurück in die Trockenstehergruppe, die mit 13 bis 17 Tagen waren schon die Woche vorher geimpft worden.
Soweit die Theorie, denn die Imfstoffflasche enthält fünf Dosen und muss wie bei Impfstoff üblich auf einmal verwendet werden. Um immer fünf Kühe zur Impfung zusammenzubekommen ist bisweilen eine Herdengröße von 350 Kühen zu klein und man muss es bei der einzelnen Kuh um einige Tage verschieben. 
Bei den Kälbern ist das ein noch größeres Problem, denn da hat man nur noch halb so viele wenn die Bullenkälber verkauft sind.
Den Impfstoff mische ich im Büro an und spritze den mit einer Repetierspritze, mit der Revolverspritze habe ich es auch schon versucht, vor allem weil das mit der Verlängerung sehr bequem ist. Jedoch ist mir da auf 50 ml Gesamtvolumen die Dosierung von 2 ml zu ungenau.

Beim Saubermachen wird vorm Durchspülen der Spritze die Restmenge (so 0,2 ml) mit Klopapier aufgesaugt und geht wie die leeren Flaschen in die Mülltonne. Dass das nicht ins Abwasser kommt, man will schließlich nicht die Biowaffen auf dem Feld haben.

Benjamin

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