Dienstag, 12. Dezember 2023

Vermeintliche Konkurrenz

In den letzten Wochen ging eine Meldung rum, dass Naturland den Kraftfuttereinsatz in der Milchkuhfütterung seiner Mitgliedsbetriebe halbieren will (-> Link).

Nach der ersten Verwunderung über die dünne Argumentation und bewusste Falschinformationen dabei dachte ich, das könnt was für die Fütterungsserie im Kuhblog (hier zur Übersicht) sein.

Es geht darum weniger Futtermittel zu verfüttern die in Konkurrenz zur menschlichen Ernährung stehen. Diese Argumentation hat aber erhebliche Lücken:
- ökologische Landwirtschaft ist aufgrund ihrer massiven Mindererträge selbst die größte Konkurrenz
- Stilllegungen und Extensivierungen ebenso
- Verwertungsmöglichkeit minderwertiger Getreidepartien durch Tiere
- Fruchtfolgeeffekte durch den Anbau von Futterpflanzen
- Veredlung in tierische Produkte mit höherer Wertigkeit, z.B. Gluten in Casein
- und im Kapitalismus zählt die Wirtschaftlichkeit
 
In der EU-Öko-Verordnung ist der Kraftfuttereinsatz auf 40 % beschränkt. Das wusste ich gar nicht, denn sieser ganze Zertifizierungs-Kram betrifft mich nicht.
Bei dieser ganzen Rechnung wird in Trockenmasse gerechnet. 40 % Kraftfutter in der Frischmasse würde der Pansen und damt dem Rind drumrum in den meisten Fällen (Ausnahme Trocken-TMR) auch gar nicht überleben.
 
Zu Grund- und Kraftfutter siehe hier.
Das Grundfutter-Kraftfutter-Verhältnis in Prozent liegt bei der Fütterung im deutschsprachigen Raum meist zwischen 50 : 50 und 70 : 30; als krasse Gegenbeispiele sind Israel bis zu 40 : 60 weil dort in der Halbwüste Grundfutter knapp ist und Vollweidesysteme in Irland oder Neuseeland mit 100 : 00. 
Die 60 : 40 sind also nix Besonderes.

Naturland reduziert das Kraftfutter auf 20 % der Gesamttrockenmasse. Dabei wird aber ein Hintertürchen gelassen, dass Kraftfuttermittel die nicht in Konkurrenz zur menschlichen Ernährung stehen ausgeklammert werden. Das sind die aufgeführten Nebenprodukte wie Biertreber oder Kleie.
 
Zum Vergleich habe ich mal die Hochleistungsration aufgegliedert:
 
Futtermittel             kg TM  %
Maissilage              9,43    41,2     Grundfutter
Anwelksilage          3,30    14,4     Grundfutter
Rapsschrot             2,85    12,4     Nebenprodukt
Getreideschrot       2,20      9,6      Kraftfutter
Sojaschrot              1,76      7,7     Nebenprodukt
Körnermais            1,32      5,8      Kraftfutter
Luzerneheu            0,87      3,8     Grundfutter
Melasseschnitzel    0,46     2,0      Nebenprodukt
Glycerin                  0,30     1,3      Nebenprodukt
Mineralfutter           0,39      1,7     Mineralfutter
Summe                 22,88 100,0      TMR

Wenn ich die Nebenprodukte und das Mineralfutter zum Kraftfutter dazuzähle komme ich auf ein Grundfutter-Kraftfutter-Verhältnis von 59 : 41. Präziser sind das 59,4 : 40,6 und wenn ich das Mineralfutter außenvor lasse 60,5 : 39,5. Damit würde das als Ration der konventionellen, intensiv gefütterten Milchproduktion mit über 10.000 kg/Kuh/a den Anforderungen der Öko-Verordnung in diesem Punkt entsprechen.
In Konkurrenz zur menschlichen Ernährung stünden danach 15,4 %. Also noch viel eindeutiger die Beschränkungen von Naturland eingehalten. Wobei das kein Brotweizen ist sondern Körnermais, Triticale und Futterroggen und wahrscheinlich allesamt nicht besonders backfähig.
 
Insgesamt ist das als PR-Aktion einzustufen bzw. gezielte Desinformation. Dazu zählt auch die Aussage, dass Dreiviertel des Sojas weltweit an Tiere verfüttert werden und dabei ganz verschwiegen wird dass das der Sojaextraktionsschrot ist und das letzte Viertel das Sojaöl als Speiseöl/-fett.

Benjamin

1454

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen