Montag, 15. Juni 2020

Verlängerte Laktation - Teil 2

Am Anfang meiner Kuhlaufbahn war für mich eine niedriger Zwischenkalbezeit schon wichtig, auch wenn ich es nicht so verbissen gesehen habe wie andere Leute. Da folgte ich der damals recht geläufigen Faustformel: 400 Tage bei 10.000 kg Jahresleistung, pro 1.000 kg Unterschied 10 Tage. Also für 9.000 - 9.500 kg 390 - 395 Tage, tatsächlich waren es um die 410. Was ich auf die schlechte Brunsterkennungsrate zurück führte mit dem alten, engen Stall, den doch nicht allergenausten Aktivitätsmessern und auch durch die Bestandsgröße bedingte geringe Anwesenszeit im Stall.
Dass es Sinn macht, die Zwischenkalbezeit nach der Leistung auszurichten haben vor etlichen Jahren Dr. Römer und Dr. Boldt von der Landesforschunganstalt MV schon anhand der Daten der ProFit-Testherden der RinderAllianz nachgewiesen (u.a. in TopAgrar 12/2015).
Mit der freiwilligen Wartezeit hatte ich mich eigentlich gar nicht beschäftigt, die lag bei 40 Tagen, um bei der schlechten Brunsterkennungsrate nix zu verpassen. Nach 65 Tagen kamen die Kühe schon zur Sterilitätsuntersuchung, wo ich aber schnell das bei Kühen über 40 Liter Leistung auf 100 Tage ausgedehnt habe. Und da zur Trächtigkeits-/Sterilitätsuntersuchung eigentlich immer die Fressgitterplätze zu wenige waren wurden als erstes die frühsten Steris auf den nächsten Termin geschoben.

Wirklich einen Anstoß gab es dann als mein Bruder im Oktober 2016 auf dem Thüringisch-Sächsischen Fütterungskolloquium in Laasdorf gewesen war und mir von einem Vortrag vorn Prof. Kaske von der Universität Zürich erzählte. Dieser hatte bei der Agrargesellschaft Ruppendorf in Sachsen eine Studie durchgeführt, bei der die Herde in drei Gruppen mit 40, 120 und 180 Tagen freiwillige Wartezeit eingeteilt wurde. Und dabei hatte die Gruppe mit 180 Tagen die beste Fruchtbarkeit und Leistung.
Diese Studie brachte die ganze Diskussion über verlängerte Zwischenkalbezeiten in Deutschland in Schwung und es wurde in der Presse in den Jahren darauf oft darüber berichtet. In der Bauernzeitung, der TopAgrar (5/2019) und auch in der Milchrind, da aber recht ablehnend, kein Wunder, dahinter stehen ja die Zuchtverbände, die viel Sperma verkaufen und viele Zuchttiere vermarkten wollen.

Ich suchte daraufhin mir Literatur, wo ich merkte, dass das Thema gar nicht mehr so neu ist, da gab es schon Ende der 1990er Studien dazu. Mein Hauptfazit daraus war jedoch, dass man ohne dreimaliges Melken die nötige Persistenz der Milchleistung über durchschnittlich 400 und mehr Tage nicht hinkriegt. Mittlerweile denke ich da anders drüber, wieder als Beispiel Gabis über 1.100 Melktage (siehe Post vom 07.03.2018).

Anfang Januar 2017 fing ich dann als Projekt für das neue Jahr einen kleinen Versuch dazu in Boberow an, weil ich in der Herde den besten Überblick hatte. Die Kühe mit ungeraden Halsbandnummern blieben bei 40 Tagen freiwilliger Wartezeit, die mit geraden Halsbandnummern bekamen eine individuell verlängerte. Da wählte ich die Formel: Tage freiwillige Wartezeit = 2x Spitzenleistung in kg. Am 40. Tag nach der Kalbung schaute ich die bisherige Spitzenleistung im Alpro nach und legte daran in freiwillge Wartezeit fest. Die reichte bei durchschnittlich 85 Tagen bei den einzelnen Kühen von 46 bis 109 Tagen. 
Insgesamt hatte ich 112 Kühe in dem Versuch bis ich ihn nach gut vier Monate vorzeitig abbrach weil ich das Gefühl hatte, dass ich die Kühe mit 100 und mehr Tagen freiwilliger Wartezeit nicht mehr rechtzeitig tragend bekomme.
Aus heutiger Sicht hätte ich besser vorher die Daten der Herde analysiert und daran das Versuchsdesign ausgerichtet.

Dazu mehr im nächsten Post der Serie.

Fortsetzung folgt!

Benjamin

1 Kommentar:

  1. In Israel ist die verlängerte Laktation seit Jahren Praxis, die haben ja aber auch schon seit 100 Jahren TMR. Bei dem erwähnten Vortrag von 2016 war der Konsenz unter den thüringer Milchbauern, dass die Idee gut ist, aber zu wenig Platz für die ganzen Altmelker...

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