Donnerstag, 31. Oktober 2019

Besamerstammtisch - Teil 3

Früher hatten die Bezirke Potsdam, Frankfurt und Cottbus jeder drei Besamungsstationen. Heute gibt es in Brandenburg davon nur noch die Station in Schmergow. Und im Zeitalter der genomischen Selektion mit der sehr hohen Selektionsintensität kauft die RBB nur noch 25 - 30 Bullen pro Jahr an. So stand ein Teil der Station leer und wurde nun durch einen Neubau ersetzt, der im Frühjahr bezogen wurde.
Im Gegensatz zu den bisherigen Offenställen die quasi nur aus Dächern bestehen kann dieser Stall komplett geschlossen werden. Hintergrund sind im Sommer die ganzen Stechmücken von der nahen Havel und deren Bedeutung als Krankheitsüberträger. Und die Zertifizierung für Spermaexporte.
Im Stall stehen alle Bullen die gerade in Produktion sind, direkt an den Sprungraum (rechts im Bild) angrenzend müssen die Bullen nicht mehr durchs Freie geführt werden.

Die rechte Boxenreihe hat Ausläufe nach draußen, die linke nicht; dafür war nicht genügend Platz auf dem Grundstück. Im Vordergrund ist die große Wellnessbox mit Sandeinstreu für „Sonderfälle“, dass sich die Bullen mal richtig austoben können:

Benjamin


Montag, 28. Oktober 2019

Besamerstammtisch - Teil 2

Zum Schluss des Besamerstammtischs gab es noch zwei Vorträge über Fruchtbarkeit und Zucht.

Einmal Dr. Jung vom IFN Schönow zu aktuellen Forschungprojekten zur Fruchtbarkeit.
- Rastzeit. Die Verlängerung der Rastzeit bis zu ersten Besamung ist seit mehreren Jahren ein viel disktutiertes Thema, das auch in der Praxis immer mehr Zuspruch findet. Das IFN hat bei einem Betrieb in einem Projekt nebenher eine Untersuchung zur Rastzeit gemacht. Der Vergleich von 42 zu 120 Tagen freiwillige Wartezeit bis die Kuh zur Besamung zugelassen wurde. Der Erstbesamungserfolg lag bei 30 zu 41 % und in der 120 Tage-Variante gab es keine Fälle von embryonalem Frühtod. Für diesen Betrieb kam als Ergebnis heraus, dass die Kühe mit einer Wartezeit von 80 bis 110 Tagen mit 50 % den höchsten Erstbesamungserfolg hatten, das ist fast doppelt so hoch!
- Forschungen zum Einsatz von Milchsäurebakterien im Zeitraum nach der Kalbung als Probiotika gegen Gebärmutterentzündungen.
- Nutzbarmachung von Interferon τ als Marker für die Trächtigkeit im Blut. Mit diesem signalisiert der Embryo der Gebärmutter die erfolgte Befruchtung um sich dann einnisten zu können.
- Versuche mit Techniken zur Geburtsüberwachung (Moocall, Velphone usw.), womit die Totgeburtenrate auf 0 % gesenkt werden konnte.
- Versuche zum Spermahandling beim Besamen und dem Einfluss dadurch auf die Befruchtungsfähigkeit. Einmal wie weit die anderen Portionen bei der Entnahme mit aus dem Stickstoffbehälter gezogen werden und zweitens wie lange es dauert bis die Portion ins Auftaugerät kommt. Hintergrund dabei ist die Lagerung im flüssigen Stickstoff bei - 196 °C, durch die dünnen Pailetten wird schnell eine von - 120 C erreicht, wo Umkristallisationen stattfinden, die die Spermien beschädigen. Wird umgehend aufgetaut, wird dieser Bereich quasi übersprungen.

Danach noch von Hrn. Dalle vom RBB über Aktuelles aus der Zucht.
Im August hat das VIT den Kälbergesundheis-Zuchtwert RZKälberfit gestartet. Dieser berechnet sich aus der Überlebensrate der Kälber des Bullen vom 3. bis 458. Lebenstag (= 15 Monate). Unter 3 Tagen zählt zu Totgeburten. Dieser Zeitraum wird in 5 gleich gewichtete Abschnitte 3 - 14, 15 - 60, 61 - 120, 121 - 200 und 201 - 458 Tage unterteilt. Ein RZKälberfit von 100 entspricht 93% überlebende Kälber, die Standardabweichung von 12 Pkt. sind 3 %. Der RZKälberfit korreliert mit fast allen anderen Zuchwerten leicht positiv bis auf das Exterieur. Das hat genau wie bei den Gesundheitszuchtwerten der Kühe einen negativen Einfluss.

Fortsetzung folgt!

Benjamin

Mittwoch, 23. Oktober 2019

Besamerstammtisch - Teil 1

Weiter geht es mit dem Programm von letzter Woche. Am Donnerstag war ich auf dem Besamer-Stammtisch der RBB in Schmergow bzw. Groß Kreutz. Ich war tatsächlich zum ersten Mal dort, weil die Anmeldung geht nur mit der Einladung, die all die Jahre in der Verwaltung hängen blieb. Dieses Jahr war ich aber dabei, wieder einmal ein "Familientreffen" der brandenburger Milchrindzüchter. Es richtet sich nicht ausschließlich an Besamer sondern ist allgemein über die praktische Zucht.

Auf der Besamungsstation in Schmergow wurde ein Teil der aktuellen Bullen vorgeführt. Wegen der hohen Standards der Biosicherheit darf man nicht in den inneren Bereich der Station (Schwarz-Weiß-Prinzip). Daher werden die Bullen aus dem Stall geholt und am Zaun entlang geführt, wo die Zuschauer außerhalb sitzen bzw. stehen. Waren insgesamt 13 Bullen, als typisch Brandenburger Rassen jeweils ein Uckermärker und ein DSN (Deutsches schwarzbuntes Niederrungsrind) und die anderen 11 Deutsche Holsteins verschiedener Altersklassen, von töchtergeprüften bis zu den jüngsten genomischen Jungbullen. Wenn ich es mir richtig behalten haben sind aktuell 12 % vom Spermaabsatz Fleischrinder, 7 % gesext und 26 % hornlose Bullen.

Bei den genomischen Bullen war Miko (Milord x Mr.Max) dabei, ziemlich genau 2 Jahre alt. Den kenne ich aus dem Testeinsatz. Im Rahmen des Testherdenprogramms (RBBplus, siehe auch Post vom 13.02.2016) wird mit den neusten genomischen Bullen als erstes in den Testherden besamt um dort die ersten Töchter in der umfassenden Datenerfassung für die Zuchtwertschätzung zu haben. Von den jährlich 25 bis 30 neuen Bullen bekommt aber nicht jeder Testherdenbetrieb Sperma von allen sondern die werden zufällig verteilt, die Anzahl richtet sich nach der Herdengröße. Zudem ist Miko ein gebürtiger Brandeburger, aus der Prignitz stammend, von der Agrargenossenschaft Karstädt:



















Zum Schluss als letzter Bullen mit dem Team der Station Freemax (Imax x Modesty), mit 16 Monaten einer der jüngsten und kleinsten der Bullen. Freemax ist zur Zeit der beste Bulle in Brandenburg, der zweitbeste in Deutschland und der drittbeste weltweit:


















Anschließend gab es in der Auktionshalle in Groß Kreutz die Nachzuchten von drei Bullen zu sehen. Von diesen Bullen haben gerade die ersten Töchter zum ersten Mal gekalbt und bis zur nächsten Zuchtwertschätzung im Dezember werden sie dann die Anzahl von 80 Töchtern in Milch überschreiten und ihren ersten töchterbasierten Zuchtwert erhalten. Töchtergruppe des Bullen Kaluscho, den ich auch aus dem Testeinsatz kenne (Ende 2016):

Fortsetzung folgt!

Benjamin



Sonntag, 20. Oktober 2019

Traktortreffen

Gestern war ich von der Feuerwehr aus im Nachbarort zum Traktortreffen. Eigentlich heißt es Treckertreffen, aber den Begriff Trecker mag ich nicht; auch wenn hier im Norden total gängig schwingt für mich darin so ein ostholsteinische Gutsherrenmentalität mit. Da verwende ich lieber den hochdeutschen Begriff Traktor, wenn auch in seiner Rheinhessischen Aussprache Tragdor. Mein Käse-Trecker ist als Eigenname eine Ausnahme (vgl. Post vom 03.11.2013).

Über 160 Teilnehmer jeder Größe und jeden Alters waren angereist, vom Einachser bis Knicklenker, von Lanz Bulldog bis ganz neu. Dazu einige Pkw- und Motorradoldtimer sowie alte Militärfahrzeuge von NVA und Sowjetarmee.
Die Aufgabe der Feuerwehr war die Absicherung der Rundfahrt durchs Dorf mittem im fließenden Verkehr was bis auf wenige Fälle erstaunlich diszipliniert ablief.

Nachmittags fand das Trakrorpulling stand. Motorsport auf dem Lande eben. Die daran teilnehmenden Traktoren und auch einige LKWs wurden in vier Klassen eingeteilt. Am interessantesten war die Königsklasse über 10 t Gewicht.

Natürlich dürfen die K700A dabei nicht fehlen, die aber genau wie der New Holland T9.565 mit Power-Hopping zu kämpfen hatten und keinen Full Pull schafften: 





 

















Optisch am meisten her machte ein Claas Xerion 5000, die Farbe schon ausgeblichen, mit gekürztem Auspuff und getönten Scheiben. Auf dem Heckaufbauraum ein Betonklotz von 3 t als Zusatzbalast. Der verfehlte knapp den Full Pull mit 95 von 100 m:




 

















Akustisch führend war ein Tatra 815, der auch mit Abstand am meisten rauchte und man dann gar nichts mehr sah. Der blieb bei 50 m stehen, fuhr in einem kleineren Gang nochmal an und schaffte es noch bis zu 70 m:



 
















Als einer von zwei Teilnehmern schaffte dieser John Deere 8400R einen Full Pull im ersten Durchgang. Mit 710er + 900er Reifen, Reifendrucksteueranlage, wo man hier den niedrigen Luftdruck deutlich sieht und auf geschätzte 20 t aufballastiert für mich der am besten vorbereitete Traktor für das Pulling:




 
















Klarer Favorit und zum Schluss auch Sieger war ein Case-IH Quadtrac 500, der im zweiten Durchgang mit nochmal 2 t zusätzlichen Eisenbahnschwellen und Erdmeißel am Bremsschlitten über 70 m packte wo der 8400R bei 11 m stehen geblieben war. An diese Kombination von Gewicht und Aufstandsfläche reicht kein anderer heran:

Benjamin


 

Freitag, 18. Oktober 2019

Grüne Kreuze

Hier im Kuhblog bin ich recht unpolitisch, über all' die Jahre habe ich fast gar Nichts zur Agrarpolitik geschrieben. Ausnahmen waren nur über meine Teilnahme an Demonstrationen in Berlin und Potsdam und ab und zu ein Seitenhieb auf den deutschen Auflagenwahn.
Das soll auch so bleiben, mit tagtäglicher Agrarpolitik beschäftigen sich andere Blogs und den Kuhblog sehe ich als zuständig für professionelle Milchviehhaltung und das Lebensgefühl mit Kuh.

Aber aus aktuellem Anlass gibt es doch mal etwas Politisches und zwar über die Grünen Kreuze, eine Protestaktion der Bauern gegen das Agrarpaket von Bundeslandwirtschaftsministerium und Bundesumweltministerium, das mit umfangreichen Verboten und Auflagen die Situation und vor allem Kostenbelastung der deutschen Landwirtschaft weiter steigern wird. Angestoßen hat es der bekannte Bauer Willi.

Die Grünen Kreuze als Mahnung, die einheimische Landwirtschaft nicht aufs Spiel zu setzen. Dieses steht gut sichtbar an der vielbefahrenen Straße (für Brandenburg...) zum Nachbardorf:





 
















Die Pressmitteilung von Bauer Willi dazu:




















"Überall in Deutschland finden Sie derzeit grüne Kreuze in den Feldern. Was sollen diese bedeuten?

Am 4. September 2019 hat das Bundesministerium für Landwirtschaft gemeinsam mit dem Bundesumweltministerium ein sogenanntes Agrarpaket verabschiedet.
Seitdem geht in vielen landwirtschaftlichen Betrieben die Angst um, dass damit jegliche  Produktion auf dem Acker und im Stall erschwert und in Einzelfällen nahezu unmöglich gemacht wird. Die Maßnahmen greifen massiv in die Eigentumswerte von uns Landwirten ein. Einzelne Flächen werden wertlos und können nicht mehr der für die Nahrungsmittelproduktion genutzt werden. Die Folge: Lebensmittel werden aus dem Ausland importiert, ohne Rücksicht darauf, wie sie dort erzeugt wurden. Das kann nicht im Sinne des Verbrauchers sein.

Die zahlreichen Verbote führen dazu, dass die Erträge sinken. Die Versorgung der heimischen Bevölkerung mit regionalen Produkten ist gefährdet. Auch das widerspricht dem Wunsch des Verbrauchers. Zunehmend versuchen traditionelle Landwirte, dieser Entwicklung durch Umstellung auf biologische Landwirtschaft zu begegnen. Dies führt durch ein zunehmendes Überangebot auch in diesem Markt zu einem gewaltigen Preisdruck.
Eine Gruppe von unabhängigen, engagierten Landwirten möchte mit dem Aufstellen der grünen Kreuze auf das jetzt massiv einsetzende Höfe-Sterben (vor allem kleine und mittlere bäuerliche Familienbetriebe) aufmerksam machen.
Wir stellen keine Forderungen. Die grünen Kreuze sollen als Mahnung an die Gesellschaft verstanden werden, sich dem Wert der heimischen Landwirtschaft  bewusst zu werden.
Noch ist Zeit zu handeln, weil die Beschlüsse noch den Bundestag passieren müssen. Sprechen Sie Ihren regionalen Abgeordneten an. Vielen Dank für Ihre Unterstützung."


Benjamin

Sonntag, 13. Oktober 2019

Die Väter

Hintergrund zu diesem Post war die Diskussion, ob man aus dem Herde-Programm rauskriegt wie viele Töchter die einzelnen Bullen in der Herde haben. Das ist relativ einfach, denn man kann Vater und Muttervater in den Tierlisten anzeigen lassen und diese auch in Excel exportieren. 

Besonders seit der Einführung der genomischen Zuchtwertschätzung und dem sich damit verringernden Generationsintervalls gibt es immer wieder die Unkenrufe einer stark ansteigenden Inzucht. Dieser Eindruck verstärkt sich dann auch noch durch Bullen wie Bookem, dessen Enkel und Urenkel die Bullenlisten dominieren.

Für die Boberower Herde wusste ich, dass sie eigentlich von zwei Bullen aus den 1960er und 1970ern abstammt (siehe Post vom 27.02.2015) und auch, dass die Bullen Laudan und Joko Besn sowie deren Söhne deutliche Spuren hinterlassen haben.

Aber die Liste überraschte mich dann doch: Spontan hätte ich gesagt, dass 30 - 40 Bullen die Väter der Kühe sind, doch es sind weitaus mehr: 111! Jeder Bulle hat unter den 358 Kühen durchschnittlich 3,2 Töchter.
53 Kühe sind "Einzelkinder", sie sind die einzige Tochter ihres Vaters in der Herde. Ein Beispiel dafür ist Truxa von Truman. Nochmal 17 Bullen haben jeweils zwei Töchter.
6 Bullen haben mehr als 10 Töchter:
Guarini mit 20; also Halbschwestern von Gisela
Bolaro mit 14, ist ein Bookem-Enkel
Citizen mit 14
Hafnar mit 14
Lonar mit 14; ist ein Laudan-Sohn
Banesto mit 13; ist ein Sohn von Bookem
Diese sechs häufigsten Väter haben zusammen 89 Töchter, was ziemlich genau ein Viertel der Herde ausmacht.
Laudan selbst ist auf dem 26. Platz mit 4 Töchtern; die Söhne von Joko Besn haben zusammen 5 Töchter.

Bei den Muttervätern streut es mehr, was auch zu erwarten ist, denn es kommt noch mal ein deutliche zeitliche Differenz mit rein, ob die Kuh das erste oder 8. Kalb ihrer Mutter ist, da kann der Muttervater schnell aus den frühen 1990ern stammen.
Mutterväter sind es 156 verschiedene, also hat jeder durchschnittlich 2,3 Töchter in der Herde. 
88 Bullen haben eine einzige Enkelin (über die mütterliche Seite!), 30 zwei.
Zwei Bullen sind öfter als 10 mal der Muttervater:
Laudan mit 16 Enkelinnen
Ticket mit 12.
Auf dem dritten Platz folgt der Joko Besn-Sohn Janosch mit 9 Enkelinnen, sein Bruder Junker hat 6, Jefferson eine Enkelin.

Am Beispiel von Laudan sieht man die Generationen in der Herde, als Vater; ist er nicht mehr stark vertreten, als Muttervater und Vatervater dafür viel stärker und noch eine Generation früher als Muttermuttervater dürften es noch mehr sein.

Benjamin

Montag, 7. Oktober 2019

Rendas Erben

Noch ein Foto von der Neumühle.

Die fleißigen Kuhblogleser werden sofort beim Titel dran gedacht haben, dass Renda das perfekte Beispiel für die falschrum liegende Kuh ist (siehe Post vom 20.08.2014). Ihr Geist ist aber weit über die Grenzen von Brandenburg hinaus verbreitet bis ins südliche Rheinland-Pfalz:




















Wie die drei sich falschrum hingelegt haben, weiß ich nicht; ob sie sich umdrehten und dann ablegten oder gleich rückwärts einparkten. Renda drehte sich um und daher auch nur in der etwas breiteren Box.

In der Gruppe sind Färsen zwischen 6 und 10 Monaten Alter und die erste Gruppe wenn sie aus dem Kälberstall in den Jungviehbereich des Kuhstalls umziehen.
Wie mir der Leiter der Lehrwerkstätte Milchviehhaltung mal gesagt hat wäre es extrem schwer die Färsen, die zuvor nur Stroh im Tiefstreustall kannten an die Liegeboxen zu gewöhnen. Ich bin zwar nur mal alle paar Monate dort, aber es gibt definitiv mehr Falschparker als Ganglieger.

Mit Jungvieh in Liegeboxen habe ich wenig Erfahrung und auch kein Patentrezept für das Gewöhnen an Liegeboxen. Für Kühe, die als Jungvieh immer auf Stroh waren und dann nach der Kalbung in Liegeboxen liegen sollen würde ich drei Dinge benennen:
1) Der gewaltige Umstellungsstress (Melken, ältere Kühe usw.) bringt sie zum Nachahmen der richtigen Boxenbenutzung.
2) Den Komfortunterschied zwischen Laufgang und Liegebox groß halten; beides mit Gummimatte funktioniert nicht gut.
3) Die Spalten/Ganglieger stören, z.B. durch Mistschieber oder zu hoher "Verkehrsdichte" in einem alten, engen Stall.

Das ist natürlich alles nicht Vernünftiges zum Weiterempfehlen.
Daher Liebe Kuhblogleser (mit Kühen): Was habt ihr so an Verfahrensweisen und Strategien entwickelt und umgesetzt um das in den Griff zu kriegen?
Mal als "Kuhblog - interaktiv" ein Brainstorming oder Marktübersicht oder wie man es nennen mag.

Benjamin

Samstag, 5. Oktober 2019

Neumühle 4/2019

In meinem Herbsturlaub bin ich nicht nur auf dem Traubenvollernter mitgefahren, zum Melken auf meinem Stammbetrieb Hofgut Neumühle war ich auch. Da kann ich nicht nach Rheinland-Pfalz fahren und das einfach ausfallen lassen.

Eine Neuerung gibt es im Melkstand: Alle Melkplätze auf der Fischgrätenseite sind wieder auf die ursprünglichen PosiCare-Arme umgerüstet worden (siehe Post vom 25.06.2019).

Die Leistung der Herde lag bei den letzten wöchentlichen Milchleistungsprüfung um die 35 kg bei "normalen" Inhaltsstoffen (4% Fett und 3,4% Eiweiß).

Mai ist jetzt in der 3. Laktation bein knapp 170 Melktagen, ihre bisherige Lebensleitung beträgt rund 37.000 kg und für die aktuelle Laktation hat sie eine Hochrechnung für die 305-Tage-Leistung von 1.004 Fett-Eiweiß-Kilo, was 13.570 kg energiekorrigierter Milch entspricht. Das ist um die 900 kg weniger als in der 2. Laktation, zeigt aber deutlich wie gut unsere Holsteins ihr genetisches Leistungsvermögen bei guter Haltung, Fütterung und Management ausschöpfen können. Momentan liegt sie bei so 40 kg Tagesleistung.

Im Herde plus sind mittlerweile unter den Zuchtwerten für die Einzeltiere auch die Gesundheitszuchtwerte (vgl. Post vom 23.03.2019) drin. Dabei ist mir der Unterschied zwischen RZS (Zellzahlzuchtwert) und RZEuterfit (Eutergesundheitszuchtwert) aufgefallen. Die Korrelation zwischen beiden beträgt 0,61; die Zellzahl ist ja nicht identisch mit der Eutergesundheit, war über Jahrzehnt halt ein mit der Milchkontrolle leicht zu erfassendes Hilfsmerkmal. 
Mai liegt beim RZS bei 108 und beim RZEuterift bei unterdurchschnittlichen 98, ihre Tochter Matilda ist zwar noch ein Kalb, ist über KuhVision aber schon genotypisiert worden und hat einen RZS von 105 und eine RZEuterfit von 104. 
Dann kommt nocht der Unterschied zwischen Genotyp und Phänotyp dazu, wo Braunies Familie eigentlich schon immer wenig Probleme mit der Eutergesundheit hatte.




















In der Forschung laufen momentan die Vorbereitungen zum nächsten Versuch. Gegenstand wird die Phosphorreduzierte Fütterung in der Transitphase sein. Phosphor hat eine wichtige Rolle im Stoffwechsel, teilweise analog zum Calcium, wo eine Reduzierung vor der Kalbung vielleicht sinnvoll wäre. Was aber nie so richtig untersucht wurde. Eine Studie ist an der Universität Utrecht zur phosphorreduzierten Fütterung vor und nach der Kalbung gemacht worden. Wahrscheinlich auch wegen der Phosphorquote, was in den Niederlanden ein vergleichbares Überregulierungsmonster ist wie hier in Deutschland die Düngeverordnung. Vor der Kalbung brachte es positive Einflüsse, nach der Kalbung negative. Auf dieser Basis aufbauend wird auf Neumühle nun weitergearbeitet.
Problem dabei ist auch die Beschaffung von phosphorarmem Kraftfutter. Mit der gentechnikfreien Fütterung ist Rapsextraktionsschrot zum vorherrschenden Eiweißträger geworden, der nicht nur viel Schwefel ins Futter bringt, was für die DCAB wichtig ist (vgl. Post vom 22.04.2019) sondern auch viel Phosphor. So sind wir auch vor zwei Jahren schon in Boberow auf ein Mineralfutter umgestiegen, das weniger Phsophor enthält, weil genügend vom Rapsextraktionsschrot kommt.

Benjamin

Dienstag, 1. Oktober 2019

Grapeliner - Teil 4

Nun der letzte Post über die Weinlese in Rheinhessen.

Eine gute Stunde bin ich selber mit dem Grapeliner im Weinberg gefahren. Mitten in der Reihe ist es recht einfach: Mit Lenkautomatik über die Ultraschallsensoren und Tempomat kann man sich auf die "Arbeitshöhe" und die Seitenneigung der Maschine konzentrieren. Das Umdrehen sind dann aber extrem viele Arbeitsschritte auf einmal. Maschine anheben, Schüttelwerk abschalten, Förderbänder abschalten, auf Rückfahrkamera umschalten, wenden meist mit sehr wenig Platz, wieder auf die Frontkamera umschalten, in die nächste Reihe einfädeln, Maschine absenken, Förderbänder einschalten, Schüttelwerk einschalten. Ob die neueren Modelle eine Art Vorgewendemanagement haben weiß ich nicht.
Die Kameras sind aber eine echte Hilfe, einmal nach hinten beim Wenden, dass man nicht auf der anderen Seite vom Weg etwas umfährt und die vordere, wo man schräg von vorne auf den Einzug sieht und beim Einfahren in die Reihe einen zweiten Blickwinkel hat neben dem Glasboden der Kabine.

In diesem Weinberg wurde die Sorte Regent gelesen, eine Rotweinsorte die als Besonderheit einige Pilzresistenzen hat, also mit einem geringeren Pflanzenschutzaufwand auskommt. Der Ertrag war sehr gut, dürfte an die 200 hl Maische/ha gewesen sein.
Bei 3,5 km/h Fahrgeschwindigkeit, 190 m Reihenlänge und 2 m Reihenabstand dauerte eine Runde hin und zurück inklusive Umdrehen und Auskippen ziemlich genau 9 min; bei mir waren es dann etwas mehr... Macht eine Stundenleistung von 0,5 ha.

Aus der Fahrerperspektive:


















In Rheinhessen dürften über 95 % der Trauben mit dem Vollernter gelesen werden; Handlese gibt es auch bei einigen Weingütern, die damit versuchen über gezielte Auswahl der Trauben am Stock eine höhere Qualität zu erzielen. Dies rechnet sich aber allenfalls als Flaschenwein in der Direktvermarktung.

Für mich ist die Handlese Folklore. 
Gelesen wurde ein Teil eines Weinbergs, der nicht mit dem Vollernter befahren werden kann, weil aufgrund des unregelmäßigen Flächenzuschnitts drei Reihen ineinander zulaufen. Da dachte mein Großonkel bei der Anlage in den 1970ern nicht an die künftigen Vollernter, die nicht nur den Platz zwischen zwei sondern drei Reihen brauchen. Der erste Vollernter - eine Krieger K1 - kam dann zur Saison 1980 und seitdem müssen zwei der drei Reihen weiterhin mit der Hand gelesen werden. 
Es handelt sich um die Rotweinsorte Portugieser, die die häufigste in Rheinhessen ist. Für die 35 Stöcke der beiden Reihen brauchten wir zu viert rund 20 Minuten, der Grapliner hätte es mit Umdrehen trotz der langsamen Geschwindigkeit von 2,5 km/h bei dieser widerspenstigen Sorte in vielleicht zweineinhalb geschafft:





















Zur Vermarktung noch: Der Großteil wird nicht als Wein sondern wenige Tage nach dem Keltern als Saft verkauft. Die Ernte erfolgt meist passend zur Abholung. Die Kellereien als Abnehmer werden über die Weinkommissionen als Händler und Dispatcher für die Speditionen beliefert. Die Kellereien bauen den Wein dann unter ihrem Namen aus und füllen ihn in Flaschen ab. Der Saft darf noch nicht begonnen haben zu gären um den Gärverlauf wie gewünscht steuern zu können, daher werden teilweise mit Schwefeldioxid die Hefen inaktiviert, also steril gemacht ("stumm machen").

Benjamin

Samstag, 28. September 2019

Grapeliner - Teil 3

Jetzt bin ich wieder aus dem Urlaub in der alten Heimat zurück im alltäglichen Wahnsinn und  es ist noch ein großer Rückstand im Kuhblog aufzuholen.

Nun der dritte Teil der Serie über den Grapliner: Das Funktionsprinzip eines Traubenvollernters. In Rheinhessen lernt man das zwar nicht in der Grundschule, aber es gehört zum Allgemeinwissen, dagegen ist es in anderen Gegenden absolut unbekannt.

Auf dem Foto sieht man den Traubenvollernter beim Einfahren in die Reihe, der fährt über die Reihe hinweg und umschließt sie vollständig. In dem langen silbernen Schacht befindet sich das Förderband:





















 


Blick ins Innere während der Ernte. Aber bei Stillstand, weil wegen einer Störung angehalten werden musste. Man erkennt den Aufbau der Reihen aus Pfählen und Drähten, an den unteren beiden werden die Reben angebunden und die beiden oberen Drahtpaare drücken die Triebe nach oben, sodass eine schmale Laubwand entsteht. Alles was zur Seite wächst wird im Sommer mit dem Laubschneider regelmäßíg abgeschnitten. Diese schmale Reihe können die Schüttelstäbe für die Ernte "greifen":


















 


Das Ganze in Reinigungsposition. Dafür ist hinten der Spritzschutz abgebaut, der normal verhindert, dass die Trauben nach  hinten rausspringen. Sowie eine Plane, die sich über dem Gebläse befindet. Man schaut auf dem Foto in Fahrtrichtung. Ganz vorne sind die schwarzen Platten des Zeilenstabilisators zur erkennen, recht stabile, aber trotzdem etwas flexible Kunststoffplatten, die die Reihe der Reben während der Ernte in Position hält. Dann kommen die Schüttelstäbe, die wie im Bild oben zu sehen die Reihe von beiden Seiten greifen und mit 400 - 500 Schlägen pro Minute in Schwingung versetzen. Dadurch fallen die Trauben vom Hängel ab. Das ist eine Einstellungssache, das alle Trauben abfallen, aber gleichzeitig nicht zu viele Blätter und Holz bis hin zu Beschädigung der Rebstöcke. Hinzu kommt der Einfluss der Geschwindigkeit, weil mehr Laub pro Zeit ein Polster bildet. Alles vergleichbar mit der Dreschtrommel beim Mähdrescher. Unten sind die Schuppen, die mit Federn vorgespannt sind und für die Rebstöcke und Pfähle zur Seite schwenken können und ansonsten einen geschlossenen Boden bilden, auf dem die Trauben nach rechts auf das grüne Förderband rutschen. Das Förderband ist umlaufend, kommt von vorne oben und läuft nach hinten oben. Oben auf dem Vollernter fallen die Trauben auf das Querförderband, das sie in den Behälter oder den Entrapper befördert. Links ist der Schlauch vom Querluftgebläse, dessen Luft auf der ganzen Länge über den Schuppen unter der schwarzen Verkleidung austritt und abgeschlagene Blätter wegbläst, die der spiralförmige Laubrechen rechts über dem Förderband aus der Maschine schafft. Rechts sitzt das untere Sauggebläse, das über dem Förderband Blätter absaugt. Dann gibt es noch ein oberes Sauggebläse das oben auf der Maschine am Querförderband nochmals Blätter absaugt:




















 

Den Entrapper haben nicht alle Traubenvollernter, ist aber in den letzten beiden Jahrzehnten nach und nach zur Standardausrüstung geworden. Er kann zugeschaltet werden um die Trauben noch einmal zu reinigen; von letzten Blättern, kleinen Holzstücken und den namensgebenden Rappen, den Stängeln der Traubenhängel, wenn diese nicht am Stock hängen bleiben sondern komplett abfallen. Außen ist ein rotierender Korb, auf dem oben eine Bürstenwalze zur Reinigung mitläuft und innen eine Fingerwelle. Die Trauben fallen durch den Korb und werden mit einer Schnecke in den Behälter gefördert, der Rest wandert durch den Korb und fällt am Ende raus. Der ganze Entrapper kann angewinkelt werden, dass durch eine längere Verweildauer die Reinigungswirkung erhöht wird und keine Trauben mit rauswandern:



















 
Fortsetzung folgt!

Benjamin



Sonntag, 22. September 2019

Grapeliner - Teil 2

Der Grapeliner zieht seine Bahnen bzw. Reihen.
Paar Fotos und Berichte aus der diesjährigen Lese bei spätsommerlichen Wetter, aber mit schon recht kühlen Nächten, sodass es keine Probleme mit schnell gärenden Trauben gibt.

Entleeren von Dornfelder in den Maischewagen. Auf dem Foto erkennt man gut die grundsätzliche Bauweise eines Traubenvollernters, die sich aber je nach Modell im Detail unterscheidet. Der untere Teil ist zweigeteilt, sodass die Hälften jeweils zwischen der zu erntenden Reihe und der nebendran fährt. Jeder Teil besteht vorne und hinten aus einer Stütze mit einem Rad mit hydraulischen Radmotor, das vordere gelenkt und gebremst. Die Stützen sind hydraulisch höhenverstellbar, das geht von so - 5 cm im Parkposition, dass das Ernteaggregat aufsetzt, über ein paar cm bei der Ernte, ca. 20 cm für den Transport und 50 cm ganz ausgefahren wie hier zum Entleeren. Dann beträgt die Gesamthöhe ca. 4,2 m. Auf der linken Seite zwischen den Stützen befindet sich der Motor und darunter der Dieseltank, rechts der Behälter für 2.400 l Trauben, die für knappe 1000 m reichen, je nach Ertrag natürlich. Oben drauf ist die Fahrerkabine, dahinter die Übergabe vom Förderband zum Behälter und der Entrapper, dazu aber mehr in einem anderen Post.
Unten am Ernteaggregat sieht man die zwei weißen Tastbügel für die Richtungsanzeige:





















Blick vom Beifahrersitz aus. Beim Grapeliner sitzt der Fahrer zentral über der zu erntenden Reihe. Vorne sieht man das Lenkgestänge, das so ausladend wirkt, da ein Lenkeischlag von 85 ° möglich ist, damit kann auf einem der Hinterräder stehend gewendet werden. Unten sieht man zwei der Fußtaster für die Höhenverstellung der Stützen, damit werden die Stützen einer Seite hochgefahren. Darunter sind noch die Taster zum Runterfahren und daneben der Taster zum Aktivieren des Autopilots, der mit jeweils zwei Ultraschallsensoren an den vorderen Stützen die Maschine entlang der Reihe führt. An der Lenksäule kann man die Richtungsanzeige erkennen, die einem die Lenkrichtung bei manueller Lenkung vorgibt:




















Das Terminal zur Bedienung der Maschine, darüber läuft die ganze Einstellung und alle Anzeigen. Das dürfte der größte Computer von Müller Elektronik von Anfang der 2000er sein. Über 50 Tasten und so viele Untermenüs für die Einstellungen im Detail. Da wurde auch der Service von Ero deutlich, während der Saison gibt es eine 24-Stunden-Hotline. Die Frequenz des Schüttelwerks blieb nicht konstant und fiel während der Fahrt ab. Am Handy wurde erklärt, wo im Terminal die Basiswerte für die Sensoren korrigiert werden müssen und dann funktionierte es auf Anhieb wieder. Wirklich beeindruckend wenn ich das mit DeLaval vergleiche, wo abends niemand mehr zu erreichen ist und man nur hoffen kann, dass man es der für wirklich alles zuständigen Servicemonteur des lokalen Händlers besser hinkriegt als man selbst:

Fortsetzung mit der Funktionsweise folgt!

Benjamin 

 

Donnerstag, 19. September 2019

Grapeliner - Teil 1

Mangels Kühen gibt es jetzt aus meinem Urlaub in det alten Heimat Posts über andere Bereiche der Landwirtschaft, auch wenn diese kleine Serie schon lange geplant war.
Der Grapeliner heißt vollständig Ero SF 200 Grapeliner und ist ein selbstfahrender Traubenvollernter, im rheinhessischen Dialekt (Trauwe)Lesmaschin. 
Hersteller ist die Firma Ero aus Simmern im Hunsrück, ein gutes Stück abseits der Weinbaugbiete gelegen, aber zusammen mit der Tochterfirma Binger Seilzug Marktführer in Deutschland für Weinbautechnik. 
Der SF 200 löste 2003 den SF 190 ab und wurde wiederum 2013 von der 6000er Serie abgelöst. Es war der erste Traubenvollernter mit Computersteuerung und der erste mit 40 km/h Transportgeschwindigkeit, in der Entwicklung ein echter Meilenstein. Und ist nach wie vor im südlichen Rheinhessen der vorherrschende Typ. 

Für mich ist es aus zwei Gründen eine besondere Maschine:
1. Wurde ich Mitte der 1990er Jahre sehr durch die Traubenvollernter geprägt, damals die Ero SF 190 und Fiatagri Braud 5720. Den ganzen Oktober über ging die Weinlese und parallel dazu die gnzen Traktoren, die die Rüben zur Zuckerfabrik fuhren, da kam man einfach nicht um die Landwirtschaft rum. 
2. War der Grapeliner 2007 der erste Traubenvollernter an dem ich rumschraubte als ich Praktikum auf einem Weingut machte; wieder mangels Kühen in der Gegend.

Ein dritter Grund ist jetzt hinzugekommen. Mein Onkel (genauer gesagt der Cousin meiner Mutter) hat all die Jahre mit einem gezogenen Vollernter - einer Krieger K3 gearbeitet (siehe auch Post vom 17. 09.2014). Baujahr 1989 und der Verschleiß und die Reparaturen nahmen immer mehr zu, sodass ein Ersatz her musste. Für die gezogenen Vollernter aus den 2000er reichen die 40 kW des Dexheimer 345 als Zugschlepper nicht aus, das müssen eher 60 sein. Diese Traktoren sind dann aber so breit, dass sie nicht mehr durch die alten Weinberge passen. Daher fiel die Entscheidung auf einen selbstfahrenden Vollernter. Zusammen mit einem Arbeitskollegen, der ebenfalls Weinbau im Nebenerwerb betreibt, sowie dann auch im Lohnbetrieb für andere Winzer um auf die nötige Auslastung zu kommen
Angeschafft wurde ein Grapeliner Baujahr 2005 der generalüberholt wurde.

Fortsetzung folgt!

Benjamin

Sonntag, 15. September 2019

Rassenkunde

Diesen provokanten Begriff verwende ich gerne, halte ich doch von der ganzen Political Correctness nicht viel... Es geht um Rinderrassen.
Bei den Milchviehrassen und damit im Kuhblog vorherrschend sind natürlich die Deutschen Holsteins; meist Schwarzbunte und ab und zu Rotbunte. Daneben gibt es aber auch noch Braunvieh, Angler, Jersey, die schwarzbunten Niederungsrinder (DSN) usw.

Bei den Fleischrinderrassen sind es viel mehr und zudem auch noch die Kreuzungszucht weit verbreitet, sodass ich bei der großen Bandbreite an ausgestellten Rindern auf der MeLa mal einige Fotos für den Kuhblog gemacht habe. Für den Blick abseits der schwarzweißen Milchkuh.

Fleckvieh. Eine der bedeutenden Rassen in Deutschland. Ursprünglich aus dem schweizer Simmental stammend, daher international auch als Simmental bezeichnet. Charakteristisch sind die weißen Füße und der weiße Kopf, am Körper gibt es oft auch weiße Flecken:


















Uckermärker. Die Fleischrindrasse schlechthin hier im Nordosten. Systematisch als Kreuzung aus den Rassen Fleckvieh und Charolais gezüchtet, ursprünglich zur Mastanpaarung mit Milchkühen, später auch als Mutterkuh:


















Wagyus sind den Kuhbloglesern insbesondere mit Hokkaido bekannt. Aus Japan stammend und erst in den letzten 10 Jahren in Deutschland in kleinem Rahmen etabliert ist es die bislang letzte Rasse die in den Rasseschlüssel aufgenommen wurde (WAG, 94). Im Gegensatz zu den europäischen Rinderrassen wachsen sie extrem langsam und haben sehr fein marmoriertes Fleisch mit viel intramuskulärem Fett:


















Gelbvieh. Farblich mit dem Glanrind zu verwechseln. Ein klassisches Dreinutzungsrind (Milch, Fleisch, Zugtier); aus Franken stammend. Dort gibt es noch eine kleine Population in der Milchproduktion, die auch vom LKV in Bayern separat ausgewiesen wird. Ansonsten ist die Rasse wie viele andere in die Mutterkuhhaltung übergegangen:


















Pustertaler Schecken. Aus dem Pustertal in Tirol stammend und hier im Norden sehr selten, die erste die ich überhaupt gesehen habe. Kleiner als die farblich ähnlichen Pinzgauer, die aber eine großflächigere Fellzeichnung haben:


















Deutsche Angus. Mittelgroß und meist mit intensiver roter Fellfärbung. In Westdeutschland in den 1950ern in aufgegebenen Milchkuhhaltungen durch Einkreuzung von schottischen Aberdeen Angus in vor allem Rotbunte entstanden:


















Galloway. Aus Schottland stammend und die klassische Robustrasse für exentsive Haltungbedingungen. Die typische "Arzt-Kuh" der 1990er Jahre. Mit Abstand die wuscheligste Rinderrasse:



















Benjamin

Freitag, 13. September 2019

MeLa 2019

Die MeLa - Mecklenburgische Landwirtschaftsausstellung - wirbt mit dem Slogan "Das Beste im September". Und ist für mich auch ein fester Termin im Kalender. Von den Landwirtschaftsmessen finde ich ist sie die Beste, nicht so groß und überlaufen wie die DLG-Messen in Hannover und nicht so auf das Stadtpublikum ausgerichtet wie die Grüne Woche.

Heute war ich auf der diesjährigen MeLa. Bei den ganzen Geschäftspartnern vorbei schauen und sich durchfuttern. Es ist einfach der Branchentreff für die Landwirtschaft im Nordosten und man trifft mehr Leute als gefühlt im Rest des Jahres zusammen.

Vor vier Jahren wurden die Holstein-Kühe im Rinderzelt erstmals nicht mehr angebunden wie es auf Ausstellungen üblich ist sondern in einer stallähnlichen Buchte mit Liegeboxen ausgestellt. Dieses Jahr ist es zu einem richtigen "Ministall" erweitert worden mit Melkroboter. Wo dann neben den Kühen auch das Melken gezeigt werden kann und vom LKV auch die Probennahme für die Milchleistungsprüfung:



















Paar Fotos von der Maschinenausstellung. Bei der MeLa ist das als vergleichweise bodenständig. Nicht immer das allergrößte, das zweitgrößte reicht auch, aber ohne große Show dabei, die Größenordnungen ist man einfach gewohnt.

Erstaunt war ich, dass Raiffeisen den neuen Claas Lexion ausstellte. Der war gerade im Juli präsentiert worden und steht als Neuheit im November auf der Agritechnica und da rechnete ich nicht damit, dass der auch schon auf der MeLa dabei ist. Claas Lexion 7700 TerraTrac mit Vario 1080-Schneidwerk (10,8 m). Das größte Modell der schmalen Hybrid-Baureihe. Schlechter Winkel mit dem aufgebockten Mähdrescher (der einzige auf der Messe) und gegen die Sonne, aber es ging mir hauptsächlich um die Beschriftung:



















Von Hawe-Wester ein Überladewagen mit Bandlaufwerk. Eher untypisch die Größe von "nur" 25 m³, meistens kriegen nur die größten Ausführungen überhaupt Raupen, wenn die Gewichte über Räder gar nicht mehr auf den Boden zu bringen sind. Und zudem ein Laufwerk von Claas, die im angehängten Bereich selten sind. TerraTrac mit 890 mm breiten Bändern:




















Zumindest draußen auf den Äckern mehr als selten zu sehen sind die Versatile aus Kanada; in Thüringen soll es einige geben. Lange Tradition mit vielen wechselnden Besitzern, gehört mittlerweile zu Rostselmash und seit einigen Jahren wieder in der rot-goldenen Lackierung der 1970/80er Jahre:



Wo nach ich mich wirklich umsehen wollte waren Melkpullover, die an den Ärmeln und am Bauch wasserdicht sind, weil wir mit dem Gedanken spielen die für den Winterbetrieb einzuführen. Fand aber nichts dergleichen; Jagd- und Reitkleidung gab es dagegen Unmengen.

Benjamin

Sonntag, 8. September 2019

11 kg Gras

Mal wieder ein Post mit Bezug auf die Statistiken des Kuhblogs. Bei den Suchbegriffen, über die Leser zum Kuhblog kommen ist ein Begriff immer wieder dabei: "Wieviel Gras frisst eine Kuh pro Tag."
Gras ist nun mal das Kuhfutter schlechthin, auch wenn Wildrinder eine doch rechte große Bandbreite haben, was sie alles (an)fressen so ist Gras die eindeutige Hauptnahrungsquelle. Und das ist der große Vorteil der Rinder (und Wiederkäuer allgemein): Sie können mit ihren Pansenmikroben das für andere Tierarten nicht nutzbare Gras verdauen.
An sich brauchen Rinder kein Gras als Futter, es kommt nur auf die Inhaltsstoffe des Futters an: Energie, Eiweiß und Faser. Im Gras ist das alles vorhanden, sogar im mehr oder weniger richtigem Verhältnis. Im Studium gab es mal die schöne und einprägsame Aussage: "Man kann eine Kuh mit Zeitungspapier und Harnstoff füttern." Zeitungspapier ist Cellulose, also Faser und die Pansenbakterien können daraus auch Energie machen und aus dem Stickstoff im Harnstoff Eiweiß bilden. Aber das ist rein theoretisch, weil auf Dauer Vitamine, Mineralstoffe usw. fehlen.

Wieviel kg Gras frisst nun eine Milchkuh am Tag? Das geht von bis. Auf der einen Seite gibt es Kühe die gar kein Gras fressen, z.B. wie ich damals in Idaho war, dort sind die hauptsächlichen Futtermittel Maissilage und Luzerneheu. Auf der anderen Seite die Kühe in Neuseeland mit Vollweide, da können es schon 60 kg am Tag sein.
Mit so einer schwammigen Aussage gebe ich mich natürlich nicht zufrieden und möchte eine Menge berechnen, die man als Mittelwert annehmen kann.

Als Ausgangspunkt nehme ich Stallhaltung mit Silagefütterung. In Deutschland ist das über alle Kühe hinweg gesehen die häufigste Fütterung, bei vielen das ganze Jahr über, bei anderen mit Weidehaltung oder Grünfütterung im Sommer zumindest im Winter.

In der Fütterung wird nach Trockenmasse gerechnet, da der Wassergehalt sehr stark schwanken kann und das Wasser keinen Nährwert hat.

Faustzahl sind 20 kg Trockenmasse die eine melkende Kuhe am Tag frisst. Trockenstehende Kühe fressen um einiges weniger, aber machen nur 10 - 15 % der Kühe aus und daher beachte ich sie für die Durchschnittskuh jetzt nicht.

Weiter geht es mit dem Grundfutter-Kraftfutter-Verhältnis. Grundfutter sind faserreich, z.B. Silagen, Heu, Stroh usw., Kraftfutter ist energierreich, z.B. Getreide, Rapsextraktionsschrot usw. Das Verhältnis kann je nach Milchleistung und Futtermitteln schwanken, ein üblicher Durchschnittswert ist 60 : 40.
Grundfutter, zu dem Gras zählt sind dann 12 kg am Tag.

Von den 12 kg setzte ich 1 kg für "Sonstiges" an: Heu, Stroh und Saftfutter (Rübenschnitzel, Biertreber, Pülpe...) die bei der Einteilung in Grundfutter und Kraftfutter irgendwie nicht so reinpassen und in der Berechnung zu gleichen Teilen aufgeteilt werden.
Von den verbleibenden 11 kg nochmal aufgeteilt halb Maissilage und halb Grassilage, die beiden Grundnahrungsmittel der Milchkuh. Auch das ist regional sehr unterschiedlich, von überwiegend Gras z.B. am Niedrrhein, Allgäu, Nordseeküste bis überwiegend Mais bei uns in Brandenburg.
Wobei Grassilage nicht ganz korrekt ist, vielmehr ist es Anwelksilage, also angewelktes Grünfutter das siliert wurde. Anwelksilage kann rein aus Gras bestehen, wie dem Rohrschwingel als Ackergras (siehe Post vom 27.04.2019), aber auch aus Luzerne oder Klee. Die meiste Anwelksilage kommt vom Dauergrünland und ist dabei ein Gemisch aus verschiedenen Gräsern, Klee und Kräutern. 
Von den 5,5 kg Anwelksilage nehme ich 75 % als Gras an. Sind wir bei 4,125 kg Gras.

Und diese 4,125 kg Gras sind die Trockenmasse, die wir noch in Frischmasse für die Antwort auf unsere Frage umrechnen müssen. Hier gibt es wieder eine große Variabilität in der Trockensubstanz, als Mittelwert nehme ich 38 % (= 62 % Wasser) an.

Macht 10,86 kg Gras, die eine Kuh am Tag frisst. Gerundet 11 kg. Geschätzt, im Durchschnitt für Deutschland.

Benjamin

Dienstag, 3. September 2019

Agroneum - Teil 3

Ein Teil des Agroneums ist die agrarhistorische Ausstellung von 1988, die damals den zentralen Teil des Museums bildete.
Wurden nach der Wende viele Museen als politisch unbequem eingestampft ist die Ausstellung unverändert erhalten geblieben und ein "Museum im Museum".
Von der ganzen Konzeption her ist das Design mit den Schaubildern und Schaukästen typisch 80er Jahre, wie ich es noch von etlichen Museen vor 15 - 20 Jahren kenne und im Vergleich zu den heutigen, eher kargen Ausstellungskonzepten sehr reichhaltig.

Schwerpunkt dabei ist die Entwicklung des Dorfes und Gutes Alt Schwerin in den jeweiligen geschichtlichen Zusammenhängen.

Flora und Jolanthe (um 1960) waren auch damals schon was fürs Museum:



 























Der letzte Raum stellte die damals gegenwärtige Situation Ende der 1980er Jahre dar. Die Leistungsfähigkeit der Landwirtschaft wird durch einen Schaukasten mit dem wöchentlichen Nahrungsmittelbedarfs einer Person demonstriert. Merke: Damals waren Bier und Butter die Grundnahrungsmittel: 


 
















Topaktuell waren die Exponate eines Platzes des Melkkarussells (wahrscheinlich Impulsa M500) und der Fahrerkabine eines Fortschritt E524, des damals modernsten Mähdreschers und des ersten mit computerunterstützter Steuerung. 
Diese Fixierung auf Forschung und Fortschritt ist geradezu wohltuend im Vergleich zum heutigen Populismus und Dilettantismus in der Agrarpolitik. Eine Vergangenheit mit einer besseren Zukunft, die nie so eingetreten ist.

Ein Besuch im Agroneum ist wirklich zu empfehlen!

Weitere Infos unter www.agroneum-altschwerin.de

Benjamin

Samstag, 31. August 2019

Agroneum - Teil 2

Eine Besonderheit in der Landwirtschaftsgeschichte der Neuen Bundesländer ist der Agrarflug der Interflug zur Düngung und Pflanzenschutz.
In einer Halle des Agroneums sind zwei Agrarflieger ausgestellt: Aero L-60 Brigadier und Let Z-37 Cmelak. Daneben zur Düngung über das Liebigsche Minimumgesetz, das Haber-Bosch-Verfahren und die ACZ (Agrochemisches Zentrum), die in der DDR überbetrieblich die Mineraldüngung, Kalkung und den Pflanzenschutz durchführten.

Die Wirtschaftsflugplätze als Landeplätze für die Agrarflieger zum Auffüllen und Tanken während der Arbeit kenne ich von den Feuerwehrkarten, wo diese noch verzeichnet sind. Unter den Exponaten war eine Karte der Agrarflieger von der Griesen Gegend mit den Landeplätzen. Wie alt kann ich nicht sagen, aber das ehemalige Gut Holdseelen bei Steesow ist noch eingezeichnet, von dem heute nur noch ein Gewannenamen übrig ist:





 





















Let Z-37 mit dem Düngerstreuer unter dem Rumpf, wie sie laut Erzählungen auch in den 1980ern in der Prignitz flogen und von den Kindern als Doppeldecker bezeichnet wurden:

Fortsetzung folgt!

Benjamin



Donnerstag, 29. August 2019

Agroneum - Teil 1

An einem freien Tag gab es mal wieder Kulturprogramm und zwar war ich im Agroneum in Alt Schwerin, einem agrarhistorischem Museum bei Plau am See. Da wollte ich schon seit längerer Zeit mal hin und war auch schon öfters dran vorbei gefahren, denn es liegt direkt an der A19 nach Rostock.
Thema der Ausstellung ist die Agrargeschichte in Mecklenburg-Vorpommern. Für mich sehr interessant, da sich diese mit der späteren Sesshaftwerdung, der Ostkolonisation, der Gutsherrschaft und der Kollektivierung doch deutlich von der Rheinhessens unterscheidet.

Ausgestellt sind eine für die Güter typische Feldbahn mit 600 mm Spurweite, Werkstätten der für den landwirtschaftlichen Bedarf tätigen Gewerke, Landmaschinen hauptsächlich aus der ersten Hälfte des 20. Jhd., Traktoren aus den 1950ern, Agrarflieger, eine beeindruckende Sammlung an Eigenbautraktoren, ein Querschnitt aus der Produktpalette von Fortschritt uvm.

Eines der ältesten Exponate ist eine Holländerwindmühle die ursprünglich in Jarmen in Vorpommern stand und Anfang der 1970er nach Alt Schwerin umgesetzt wurde. Sie repräsentiert die letzte verbreitete Entwicklungsstufe der Windmühle mit Windrose und Jalousieflügeln:






 





















Zwei Hochsilos HS091 dienen als Aussichtsturm. Der Typ HS091 wurde in den 1960er entwickelt und ist der Vorgänger der HS25; die Unterschiede sind die Bauweise aus Betonfertigteilen gegenüber Ortbeton, das Volumen (900 zu 2000 m³) und die Beschickung mit Fördergebläse statt Förderband. Die ganze weitere Befüll- und Entnahmetechnik ist identisch, nur in kleinerem Maßstab. Siehe dazu den Post über die HS25M in Zarnekow (Post vom 25.08.2016). Und im Gegensatz zu den HS25, die man noch ab und zu in Benutzung, umfunktioniert als Getreidelager oder leerstehend sieht, hatte ich noch keines der HS091 in natura gesehen.

Fortsetzung folgt!

Benjamin