Samstag, 31. August 2019

Agroneum - Teil 2

Eine Besonderheit in der Landwirtschaftsgeschichte der Neuen Bundesländer ist der Agrarflug der Interflug zur Düngung und Pflanzenschutz.
In einer Halle des Agroneums sind zwei Agrarflieger ausgestellt: Aero L-60 Brigadier und Let Z-37 Cmelak. Daneben zur Düngung über das Liebigsche Minimumgesetz, das Haber-Bosch-Verfahren und die ACZ (Agrochemisches Zentrum), die in der DDR überbetrieblich die Mineraldüngung, Kalkung und den Pflanzenschutz durchführten.

Die Wirtschaftsflugplätze als Landeplätze für die Agrarflieger zum Auffüllen und Tanken während der Arbeit kenne ich von den Feuerwehrkarten, wo diese noch verzeichnet sind. Unter den Exponaten war eine Karte der Agrarflieger von der Griesen Gegend mit den Landeplätzen. Wie alt kann ich nicht sagen, aber das ehemalige Gut Holdseelen bei Steesow ist noch eingezeichnet, von dem heute nur noch ein Gewannenamen übrig ist:





 





















Let Z-37 mit dem Düngerstreuer unter dem Rumpf, wie sie laut Erzählungen auch in den 1980ern in der Prignitz flogen und von den Kindern als Doppeldecker bezeichnet wurden:

Fortsetzung folgt!

Benjamin



Donnerstag, 29. August 2019

Agroneum - Teil 1

An einem freien Tag gab es mal wieder Kulturprogramm und zwar war ich im Agroneum in Alt Schwerin, einem agrarhistorischem Museum bei Plau am See. Da wollte ich schon seit längerer Zeit mal hin und war auch schon öfters dran vorbei gefahren, denn es liegt direkt an der A19 nach Rostock.
Thema der Ausstellung ist die Agrargeschichte in Mecklenburg-Vorpommern. Für mich sehr interessant, da sich diese mit der späteren Sesshaftwerdung, der Ostkolonisation, der Gutsherrschaft und der Kollektivierung doch deutlich von der Rheinhessens unterscheidet.

Ausgestellt sind eine für die Güter typische Feldbahn mit 600 mm Spurweite, Werkstätten der für den landwirtschaftlichen Bedarf tätigen Gewerke, Landmaschinen hauptsächlich aus der ersten Hälfte des 20. Jhd., Traktoren aus den 1950ern, Agrarflieger, eine beeindruckende Sammlung an Eigenbautraktoren, ein Querschnitt aus der Produktpalette von Fortschritt uvm.

Eines der ältesten Exponate ist eine Holländerwindmühle die ursprünglich in Jarmen in Vorpommern stand und Anfang der 1970er nach Alt Schwerin umgesetzt wurde. Sie repräsentiert die letzte verbreitete Entwicklungsstufe der Windmühle mit Windrose und Jalousieflügeln:






 





















Zwei Hochsilos HS091 dienen als Aussichtsturm. Der Typ HS091 wurde in den 1960er entwickelt und ist der Vorgänger der HS25; die Unterschiede sind die Bauweise aus Betonfertigteilen gegenüber Ortbeton, das Volumen (900 zu 2000 m³) und die Beschickung mit Fördergebläse statt Förderband. Die ganze weitere Befüll- und Entnahmetechnik ist identisch, nur in kleinerem Maßstab. Siehe dazu den Post über die HS25M in Zarnekow (Post vom 25.08.2016). Und im Gegensatz zu den HS25, die man noch ab und zu in Benutzung, umfunktioniert als Getreidelager oder leerstehend sieht, hatte ich noch keines der HS091 in natura gesehen.

Fortsetzung folgt!

Benjamin


Montag, 26. August 2019

Fetotom

Letztens habe ich in den "Katakomben" etwas Besonderes gefunden und zwar ein Fetotom, genauer ein Thygesen-Röhrenfetotom. Das ist ein chirurgisches Instrument zum Durchführen der Fetotomie, dem Zersägen eines ungeborenen Kalbes um es aus der Kuh herauszubekommen. Das ist der Fall, wenn es zu groß ist (was ich einmal mitbekommen habe) oder die Geburt an sich nicht richtig stattfindet, was ich im Fall eines nach einer Blutvergiftung abgestorbenen und in die Verwesung übergehenden Kalbes auch schon mal erlebt habe. Mehr als diese zwei Fälle gabe es in meiner mittlerweile über elfjährigen Kuhlaufbahn nicht und daher ist es mit eines der seltensten Vorkommnisse. 
Das Fetotom an sich dient dazu den Sägedraht bis in die Gebärmutter zu bekommen und dabei nicht die Scheide und den Gebärmutterhals zu verletzten. Mit dem Haken unten im Bild wird der Sägedraht durch die beiden Röhren gezogen, sodass man dann auf der einen Seite die Drahtschlinge zum Sägen hat und an der anderen Seite die beiden Drahtenden, an denen die Griffe zu Betätigen der Säge angebracht werden. Der Handgriff am Fetotom dient der leitenden Person zur Ausrichtung, dass es sich mit den Sägebewegungen nicht verdreht.
Woher das Fetotom stammt weiß ich nicht, aber vom Zustand her war es schon sehr lange nicht mehr in Gebrauch. Wahrscheinlich stammte es aus einer Zeit in der man den Tierarzt nur als Kostenfaktor sah und man alles selbst machen wollte und sich sogar solch speziellen Instrumente besorgte.

Benjamin



 

Samstag, 24. August 2019

Oxytocin

Oxytocin ist das "Alltagshormon" der Milchkuh, denn es ist für die Milchabgabe (Ejektion) zuständig. Die Milch wird in den Drüsenzellen im Euter gebildet, die um die Alveolen herum gruppiert sind, in denen die produzierte Milch gespeichert wird. Nur ein kleiner Teil der Milch wird in der Euterzisterne gespeichert.
Beim Vormelken (Anrüsten) wird auf den Reiz an den Zitzen hin in der Hypophyse Oxytocin ausgeschüttet das über die Blutbahn ins Euter gelangt und dort die Kontraktion der feinen Muskeln der Alveolen bewirkt - die Milch wird abgegeben.
Der Transport über das Blut braucht eine gewisse Zeit und die ist es wichtig für eine ausreichende Stimulation einzuhalten. 
Beim Vormelken, Abputzen und gleich das Melkzeug ansetzen kommt es zur Bimodalität - der Milchflusskurve mit zwei Gipfeln. Zuerst wird die Zisternenmilch ermolken, dann sinkt der Milchfluss und steigt wieder an wenn das Oxytocin wirkt und die Alveolenmilch kommt. Gegenüber der normalen Milchflusskurve, bei der der Milchfluss erst mit der Wirkung des Oxytocins einsetzt dauert so das Melken länger und belastet das Eutergewebe mehr. Die Zeit lässt sich einhalten über die Melkroutine, z.b. im Gruppenmelkstand immer jeweils dreo oder vier Kühe Vormelken, Abputzen und dann erst Ansetzen oder beim Karussell der Abstand an Plätzen zwischen Vormelken und Ansetzen wo die Kühe in der Zeit hinfahren. Oder die technische Variante mit der Stimulation, dass die Pulsation so lange erhöht wird. Die Zitzengummis "flattern" dann, eine Melkbewegung findet nicht statt aber das Melkzeug fällt auch nicht ab. Nach einer gewissen Zeit, teilweise auch kuhindividuell wird auf die normale Pulsation (1 pro Sekunde) umgeschaltet. Hier im Nordosten ist diese Technik unter dem Namen Physiomatic bekannt, mit dem Impulsa die in den 1970ern einführte.

Eine weitere Funktion des Oxytocins ist die Wirkung auf die Gebärmuttermuskulatur für die Wehen während der Kalbung.

Milchejektionsstörungen können bei Kühen nach der ersten Kalbung auftreten, dass die Stimulation und die Ausschüttung des Oxytocins noch nicht so richtig funktioniert und sie erst das Melken lernen müssen. Dies kann durch die Injektion von Oxytocin erfolgen, wo man es bei der Dauer nicht übertreiben darf sonst hat man einen "Oxytocinjunkie" die gar nicht mehr ohne kann... Eine andere Variante ist die Stimulation der Gebärmutter rektal von oben, was die Kopplung zwischen Gebärmutter und Alveolen nutzt. Und dann sind das meistens auch noch die die ganz fest zukneifen. Geschätzt tritt das bei vielleicht 5 % der Erstkalbenden auf und bei über 90 % kriegt man es auch hin, dass sie es lernen.

Dieser Zusammenhang wurde mir in der Situation wieder bewusst in der ich das unten stehende Foto machte. Eine frisch abgekalbte Jungkuh hatte noch Nachgeburtsverhaltung und ich nahm die Nachgeburt ab. Obwohl sie doch einiges an Milch gegeben hatte ließ sie nach der Stimulation durch das Rumhantieren in der Gebärmutter auf allen vier Strichen die Milch laufen. Und zwar so stark, dass sie auf dem Weg zurück in den Stall mit der Milch vier Linien malte:

Benjamin


Mittwoch, 21. August 2019

Spirale

Jetzt geht es im Kuhblog mal über Hormone, im ersten Teil sind die Progesteron-Spiralen dran.

Mit den Spiralen können die Fruchtbarkeitszyklen synchronisiert und gesteuert werden. Das ist eher die amerikanische Variante des Fruchtbarkeitsmanagements; in Europa setzt man da eher auf klassische Brunstbeobachtung und richtet sich nach dem natürlichen Hormonhaushalt der Kühe. Und z.B. auch Arla erlaubt den Lieferanten keine Hormonprogramme. Daher der Einsatz der Spiralen nach klarer tierärztlicher Indikation bei Fruchtbarkeitsstörungen.

Zwei verschiedene Spiralen habe ich bisher benutzt, die Unterschiede sind der Hersteller, die Wirkstoffmenge und die Form.
PRID Delta; PRID steht für Progesteron release intravaginal device - auf Deutsch System zu Progesteronfreisetzung in der Scheide. Delta wegen der Form eines gleichseitigen Dreiecks wie ein griechisches Delta.
CIDR; hat etwas weniger Progesteron und ist T-förmig.
Hergestellt sind sie aus Plastik, das das Progesteron enthält. Hinten dran ist eine Schnur um sie wieder aus der Scheide rausziehen zu können, die wir aber immer vorher entfernen. Denn wenn bei einer Kuh hinten die Schnur rausguckt ist das für die anderen furchtbar interessant und da wird so lange dran rumgeleckt bis sie die vorzeitig rausgezogen haben.
Spirale heißen sie deshalb weil ursprünglich es eine Spiralform war und dann auf andere Formen umgestellt wurde mit der Absicht die Kontaktfläche zur Scheidenschleimhaut zu reduzieren um die Eiterbildung als Abwehrreaktion zu verringern, was aber nicht so geklappt hätte.

Der Ablauf der Anwendung der Spirale ist fest vorgegeben, dass es mit den Prozessen in der Kuh zusammenpasst. Der Beginn ist so gewählt, dass die einzelnen Arbeiten nicht auf das Wochenende fallen.
Woche 1:
Montags oder Dienstags bei der Sterilitätsuntersuchung per Ultraschall werden vom Tierarzt die zu behandelnden Kühe vorgeschlagen. Dies ist bei zwei verschiedenen Zyklusstörungen der Fall; einmal dauerhafte Zysten ("steckengebliener Einsprung") oder Azyklie/ovarielle Inaktivität wo mit den Eierstöcken gar nichts los ist, weder Gelbkörperphase noch Follikelreifung.
Dienstags wird dann die Spirale eingesetzt. Dafür gibt es spezielle Eingeber, die PRID wird dazu an der Basis zusammengeknickt, bei der CIDR die "Flügel" angeklappt. Natürlich wird die Kuh vorher hinten gründlich sauber gemacht und dann die Spirale eingesetzt. Wenn man sie aus dem Eingeber rausdrückt faltet sie sich wieder auf und verkeilt sich in der Scheide.
Die Spirale setzt das Progesteron frei und wirkt damit genauso wie der Gelbkörper, der nach dem Einsprung aus dem Follikel entsteht.
Woche 2:
Montags wird Prostaglandin (PGF2a) gespritzt. Das wird normalerweise von der Gebärmutterschleimhaut gebildet wenn keine Befruchtung stattgefunden hat um den Gelbkörper aufzulösen, dass ein neuer Zyklus beginnen kann.
Dienstags wird die Spirale entnommen, sozusagen der künstliche Gelbkörper entfernt. Wenn nennenswert Eiter gebildet wurde wird die Scheide ausgespült. Die Spirale wird gewaschen, mit der Kuhnummer beschriftet und im Medikamentenschrank weggeschlossen.
Das ist auch der Zeitpunkt der Synchronisation des Zyklus, er befindet sich jetzt bei der Auflösung des Gelbkörpers, zwei Tage vor der Brunst. Nun laufen im Eierstock das Follikelwachstum und -reifung ab.
Donnerstags und Freitags ist die Kuh in Brunst und wird an beiden Tagen besamt. Donnerstags wird ihr dazu GnRH gespritzt, dass FSH und LH ausschüttet, die zum Eisprung führen.
Woche 3:
Dienstags wird wieder die Spirale eingesetzt um mit dem verbleibenden Progesteron den jetzt entstandenen Gelbkörper bei der Vorbereitung der Gebärmutter auf die Einnistung des Embryos zu unterstützen.
Woche 4:
Freitags wird die Spirale entfernt, jetzt soll der Gelbkörper die Trächtigkeit alleine erhalten können.

Das Programm mit der Spirale ist ein anschauliches Beispiel für den Sexualzyklus, weil durch die einzelnen Schritte die entsprechenden Prozesse verstärkt/unterstützt/ersetzt werden.
In rund der Hälfte der Fälle wird die Kuh durch die Spirale tragend und bei fast Allen anderen läuft dann wenigstens der Zyklus normal ab.

Ein Foto von der Spirale habe ich nicht, da bin ich bei Medikamenten immer vorsichtig. Dagegen eines von der Verpackung, die ich mal fotografiert hatte weil auf holländisch "für Tiere" sehr viel präziser beschrieben ist:

Benjamin

Mittwoch, 14. August 2019

Ketose - Teil 2

Zur praktischen Bedeutung der Ketose im alltäglichen Herdenmanagement. Am siebten Tag nach der Kalbung werden die Ketonkörper im Blut gemessen, ob eine subklinische Ketose vorliegt. Die subklinische Ketose kann sich dann zu einer akuten Ketose entwickeln, wo man dann vorher eingreift. 

Eine klinische Ketose kann man riechen, Aceton als einer der Ketonkörper hat einen charakteristischen Geruch in der Atemluft; apfelartig. Einige Kollegen können das schon in sehr geringen Konzentrationen riechen wenn die Kuh bloß den Melkstand betritt. Für mich sage ich, dass ich das für meine Vorstellungen zur Diagnose nicht früh genug riechen kann.

Das Ketose-Messen hat sich bewährt, andere Vaianten habe ich als unpraktikabel wieder verworfen. Eine davon war der Kot-Wurf-Test. Bei der Voruntersuchung einer kranken Kuh zur Eingrenzung meiner bauernmedizinischen Diagnose gehört auch eine Überprüfung der Kotkonsistenz. Und wenn man dann hinten reinfasst und es sich anfühlt wie ein Haufen Murmeln (Rheinhessisch Klicker) anfühlt ist das ein deutliches Zeichen für Ketose. Der Kot ist recht fest und trocken und den kann man auch wegwerfen, teilweise 20 Meter weit. Die Wurfweite kann man aber nicht auf den Schweregrad der Ketose beziehen, weil die Dauer der Ketose auch einen verstärkenden Einfluss hat.
Mal als Beispiel was mir so am Samstagmorgen bei der Arbeit an Gedanken kommen.

Daher blieb es bei der Standardmethode über das Blut. Mit einer Kanüle wird an der Schwanzvene ein Tropfen Blut entnommen. Am Ohr geht es auch, aber da halten sie nicht so schön still und vor allem werden die Ohrmarken vom Blut ganz zugesaut. Am Schwanz ist es einfacher; hochgedrückt und reingestochen, auch wenn es doch einiges an Übung braucht um auch Blut rauszukriegen:




























Ein Tropfen Blut wird auf den Teststreifen vom Ketose-Messgerät gegeben. Das Testgerät ist ein BHB-Check. Hergestellt ist es in Taiwan (ROC) und wird von WDT vertrieben und haben wir es dann über unsere Tierärztin bezogen. Grund war, dass bei diesem Gerät die Teststreifen als Verbrauchsmaterial am günstigsten sind. 
BHB steht für Beta-Hydroxybutyrat, einen anderen Ketokörper. Es wird die Konzentration in Millimol pro Liter Blut gemessen.
Bis 0,7 ist alles in Ordnung, 0,8 bis 1,2 ist subklinische Ketose. Dann bekommt sie für drei Tage jeweils 350 ml Propylenglykol (Schaumann Tirsana BSK NG) mit einer Drenchpistole eingegeben. Ab 1,3 ist es eine Ketose und es wird eine Infusion mit Invertzucker gemacht um schneller den Blutzuckerspiegel anzuheben. Das ist aber zum Glück selten der Fall.
Nach dem Messen wird auf der linken Seite mit Fettstift ein Strich gemacht (siehe Post vom 12.02.2019), wurde die Kuh wegen einem zu hohen Wert behandelt findet am 10. Tag nach der Kalbung noch mal eine Messung statt (und rechts ein Strich).
Da aber Ketose auch später auftreten kann werden ab und zu auch Kühe gemessen, bei denen der Verdacht naheliegend ist. Wieder wegen der Kotkonsistenz oder auch Fett-Eiweiß-Quotient, Abmagerung, Milchleistung... Den bisher höchsten Wert den ich gemessen hatte war dabei 5,2 mmol/l, der Kuh ging es aber erstaunlich gut dabei.

Ketosemessgerät im Einsatz:

Benjamin





Montag, 12. August 2019

Ketose - Teil 1

Die Ketose ist eine der bedeutendsten Stoffwechselkrankheiten bei Milchkühen. Man hat mir ihr zwar nicht dauernd in ihrer akuten Form zu tun, aber die Prävention ist ein wichtiger Punkt im Management und der Fütterung.

Eine Ketose entsteht durch den Fettabbau infolge eines Energiemangels, wenn der Körper auf die Reserven zurück greift. Dies ist bei jeder Kuh nach der Kalbung mehr oder weniger der Fall. Das ist die negative Energiebilanz (NEB). Es wird weniger Energie mit dem Futter aufgenommen als für die Milchproduktion gebraucht wird, Die Differenz wird aus dem Körperfett gedeckt.
Die ganzen biochemischen Prozesse auf molekularer Ebene sind recht umfangreich. Entscheidend ist dabei aber dass die aus dem Körperfett stammenden Fettsäuren in der Leber verstoffwechselt werden und was zu viel ist in Ketonkörper umgewandelt wird. Daher die Bezeichnung Ketose. Hohe Konzentrationen an Ketonkörpern reduzieren zudem die Futteraufnahme. Und das ist die Gefahr der Ketose: Die Kuh gerät in einen Teufelskreis und magert sehr schnell ab.
Zu unterscheiden sind die primäre Ketose bei negativer Energiebilanz, wo es einen akuten und einen subklinischen Verlauf gibt. Der subklinische Verlauf ist nicht so stark ausgeprägt und die Kuh wird damit wenn auch bei größeren Leistungseinbussen und gesundheitlichen Folgen (z.B. Klauen) alleine fertig. Subklinische Ketose ist aber ein Spiegel für die Energieversorgung der Herde. Parameter dafür ist im Milchleistungsbericht der Fett-Eiweiß-Quotient in den ersten 30 Melktagen. Da für die Eiweißbildung Energie fehlt und gleichzeitig die langkettigen Fettsäuren aus dem Fettabbau bevorzugt zur Milchfettbildung genommen werden ist der Eiweißgehalt niedrig und der Fettgehalt hoch. Der FEQ liegt dann über 1,4; darunter ist subklinische Ketose kein größeres Problem.
Daneben gibt es die sekundäre Ketose, die durch andere Krankheiten bedingt ist und die Kuh daher zu wenig frisst und einen Energiemangel hat.

Wichtige Maßnahmen gegen Ketose sind:
Die Futter- und Energieaufnahme der Kuh in der Transitphase und nach dem Abkalben sicherstellen. Wie "schmackhafte" Ration, Fressplatzverhältnis, Futteranschieben usw.
Die richtige Körperkondition (BCS) zum Trockenstellen, der sollte bei Holstein-Kühen zwischen 3,5 und 4,0 liegen. Denn zu fette Kühe befinden sich vom Fettansatz in der Spätlaktation her in einer Stoffwechsellage in der sie meist schon vor der Kalbung mit dem Fettabbau beginnen. Verkürzt gesagt, weil ja eh genug Energie da ist. Dazu passend der Werbespruch für ein Ketose-Medikament von Elanco: "Fett Kuh ist keine Beleidigung sondern eine Gefahr!"

Fortsetzung folgt!

Benjamin

Montag, 5. August 2019

Kühe Treiben

Mal was über das Treiben von Kühen bzw. Rindern, wo ich geschrieben hatte, dass das Führen am Strick sehr aufwändig ist. Einzige Ausnahme sind führige Rinder, aber bis dahin ist es ein weiter Weg des Trainings und somit für die Breite nicht praktikabel.

Die Grundlagen dazu: Rinder sind Fluchttiere und beobachten ihre Umgebung genau. Von der Kopfform mit den seitlich liegenden Augen haben sie fast einen Rundumblick. Dafür können sie nur in einem schmalen Winkel mit beiden Augen sehen und vor der Nase haben sie einen toten Winkel. Das merkt man daran, dass Kühe Abstand halten, dann herankommen um zu riechen und wieder zwei Schritte zurück treten. Auf der anderen Seite bzw. ihrer Rückseite sehen sie in einem recht weitem Bereich und haben nur direkt dahinter einen toten Winkel:



























Zudem sehen Kühe weniger scharf als Menschen, dafür Bewegungen deutlicher und auch Kontraste, bestes Beispiel sind die Hell-Dunkel-Übergänge nach Prof. Grandin.

Beim Treiben ist es so, dass die Rinder einem ausweichen und weg laufen wollen. Je nach Winkel gehen sie in die entgegengesetzte Richtung (von hinten) oder biegen ab (von der Seite). In Höhe der Schulter ist die Balancelinie, wenn man dahinter ist läuft die Kuh vorwärts, in gleicher Höhe bleibt sie stehen und davor geht sie zurück bzw. dreht sich um. Rückwärts laufen sie ungern, weil hinten der tote Winkel ist. Dass sie so problemlos vom Melkkarussell runtergehen ist reine Routine.

Das Standardkonzept zum Kühe Treiben ist das Low Stress Stockmanship, zu deutsch stressarmer Umgang mit Vieh. Mittlerweile wird es auch in der Berufsschule behandelt. Entwickelt wurde es ursprünglich von Bud Williams in den USA, müsste in den 1970/80er gewesen sein für die Arbeit mit den dortigen großen Mutterkuhherden. Für so Sachen wie Einfangen, Sortieren usw. Am besten lässt sich damit auf der Weide arbeiten, aber im Stall geht es ebenfalls, auch wenn da der Platz beengter ist.

Die Bereiche rund um die Kuh sind der Beobachtungsbereich, in dem Eindringlinge beobachtet werdern, dann der Bewegungsbereich in dem ausgewichen wird und der Individualbereich, in den möglichst niemand hineingelassen wird (also weglaufen). Diese Bereiche sind sehr tierindividuell, Mutterkühe haben meist größere Bereiche als Milchkühe, Färsen eher größere als Kühe und als Extremfall Truxa eigentlich gar keine, die muss man fast schon wegschieben:



























Beim Low Stress Stockmanship wird an der Grenze zwischen Beobachtungs- und Bewegungsbereich gearbeitet, man geht immer nur so weit, dass die Rinder gerade anfangen zu laufen. Wenn sie stehen bleiben geht man wieder ein Stück heran und sie laufen wieder. Da man genügend Abstand hat sind die Tiere nicht zu schnell und hektisch und man trifft viel leichter den passenden Winkel für die gewünschte Richtung. Zudem läuft meist nach kurzer Zeit die ganze Gruppe und man treibt sie wie ein einzelnes Tier, wobei man je nachdem wie man läuft dabei auch einzelne Tiere in eine anderen Richtung treiben und absonderm kann.
Das Ganze möglichst alleine, dass die Rinder nur auf eine einzelne Person reagieren und es kein Durcheinander gibt. Zudem ruhig, also sowohl nicht Rufen als auch nicht hektisch sein und auch die Körpersprache, weil sie ganz besonders auf die kleinen Zeichen achten. Da muss man schon ausstrahlen: "Ich bin der Chef und ihr lauft da hin wo ich es will!"

Das hört sich komplizierter an als es ist. Ich hatte das mal einfach so auf der Boberower Trockensteherweide ausprobiert: 25 Kühe von einem Hektar einsammeln und in den Stall bringen zum Transen raussortieren. Es hat nicht nur auf Anhieb weitaus besser geklappt als erwartet sondern ging auch noch viel schneller und meine Kollegen waren wie ich auch selber sehr beeindruckt von der Lässigkeit.

Benjamin