Mittwoch, 27. Februar 2019

Trockenstellen - Teil 2

Medikamentelles Trockenstellen ist ein heikles Thema, weil es sich um die präventive Gabe von Antibiotika handelt und das ist im Tierbereich als generell BÖSE eingestuft. Was die Bauern natürlich nicht davon abhält ordentlich zu arbeiten und trotzdem die meisten Kühe mit Antibiotika trockenzustellen; in Deutschland dürften das dreiviertel der Milchkühe sein.

Dafür gibt es gute Gründe:
- Die "Reinigungswirkung" des Melkens fällt weg, beim Vormelken werden die ganzen Keime und Erreger, die über den Zitzenkanal ins Euter einwandern wollen rausgemolken. Die es schon weiter geschafft haben werden von der Melkmaschine mit herausgemolken und in der Molkerei wegpasteurisiert. Dieser Effekt fällt beim Trockenstehen weg und zudem ist die sich noch im Euter befindliche Restmilch bei angenehmen 38 °C ein idealer Nährboden. Erst nach einiger Zeit bildet sich ein Keratinpropf der die Zitzen recht gut abschließt.
- Kurz vor der Abkalbung öffnen sich die Zitzen aber wieder und bieten wieder eine Eintrittspforte und dann ist schon die Biestmilch da.
- Die Trockenstehzeit bietet die Möglichkeit subklinische Euterentzündungen auszuheilen. Das sind kleinere Entzündungsprozesse die unterschwellig ablaufen, ohne die Milch zu verändern oder die Kuh krank zu machen. Diese können dann mit Antibiotika behandelt werden, wenn eh nicht gemolken wird und so auch keine Milch wegen der Behandlung weggeschüttet werden muss.

Dafür gibt es drei Verfahrensweisen: Die häufigste - alle Kühe mit Antibiotika trockenstellen, zweitens alle Kühe ohne Antibiotika trockenstellen und drittens das Selektive Trockenstellen, die Entscheidung ob Antibiotika oder doch nicht und wenn ja welches kuhindividuell zu treffen.

Erstmal ein kleiner Exkurs zu den Zellzahlen. Die Zellzahl ist die Anzahl der Zellen die in einem Milliliter Milch enthalten sind. Dabei handelt es sich um weiße Blutkörperchen (Leukozyten) die mit der Milch ausgeschieden werden. Das hängt von Entzündungsprozessen im Euter ab. Und da immer irgendwo welche stattfinden sind auch immer Zellen in der Milch. Das Niedrigste, dass ich gesehen habe waren 5.000 Zellen pro ml, normal ist es im fünfstelligen Bereich, wo man es auch an der Milch nicht merkt, da die Zellen nur einige Mikrometer groß sind. Bei krankmachenden Euterentzündungen geht es meist über 1 Million, wo man schon Flocken in der Milch sehen kann und die Obergrenze der Laborgeräte sind 10 Millionen.

Das Selektive Trockenstellen hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen, vor allem auch weil Einsparung möglich sind gegenüber der generellen Verwendung von Antibiotika. Zunächst war ich da sehr zurückhaltend, hatte ich wegen der nicht allzu guten Eutergesundheit meiner Kühe Bedenken damit in die falsche Richtung zu gehen. 

Dann kam Arla mit dem Arlagarden und da ist das vorgeschrieben, halt zum Greenwashing "wir verwenden wenig Antibiotika", ganz egal wie es den Kühen dabei ergeht... Erst einmal wurde es ignoriert, aber dann beim Audit 2015 (siehe Post vom 05.06.2015) unter sofort abzuändern aufgelistet und dann beim nächsten trockenstellen umgesetzt und seitdem optimiert. 
Bei der Winterveranstaltung 2016 von Schaumann gab es auch eine Vortrag zum selektiven Trockenstellen (Gruß an Dr. Steinbeck!) und damals war ich von den über 30 anwesenden Bauern (erst) der Einzige der das gemacht hat.

Das aktuelle Schema:
- Bei Kühen die in den letzten drei Milchleistungsprüfungen (= Monate) vor dem Trockenstellen stets unter 100.000 Zellen pro ml Milch hatten wird ein Schalmtest (California Mastitis Test = CMT) gemacht. Bei diesem verklebt die Testflüssigkeit die Zellen in der Milch und wird dickflüssig, die Nachweißgrenze ist bei so 200.000 Zellen. Der Test wird für jedes Euterviertel gemacht und ist er bei einem positiv wird die Kuh antibiotisch trockengestellt. Ist er auf allen Vierteln negativ wir die Kuh ohne Antibiotika trockengestellt.
- Kühe die in einer der letzten drei Milchleistungsprüfungen mindestens einmal mehr als 100.000 Zellen pro ml Milch hatten werden antibiotisch trockengestellt.
- Kühe die seit der letzten Kalbung eine Euterentzündung hatten werden antibiotisch trockengestellt und das Medikament auf den nachgewiesenen Erreger angestimmt.
- Kühe die schon einmal an dem Erreger Staphylococcus aureus - ein ganz hartnäckiger Keim, der sich abkapseln und "schlummern" kann - erkrankt waren werden immer mit einem Medikament gegen diesen Erreger trockengestellt.

Die Antibiotika sind von pastöser Konsistenz und werden in die Zitzen eingespritzt und danach in jede Zitze noch interner Zitzenversiegler, der die Zitze von innen zuklebt, sodass viel weniger Keime eindringen können. Nach dem Abkalben wird der Zitzenversiegler wieder rausgemolken. Vom internen Zitzenversiegler bin ich absolut überzeugt, der trägt das Meiste dazu bei, dass die Kühe gut über die Trockenstehphase kommen.


So sieht es auf wenn der interne Zitzenversiegler nach der Abkalbung herausgemolken wird. Und wenn man das nicht ordentlich per Hand macht kommt alles in die Biestmilch und setzt sich unten im Eimer ab, aber unbedenklich für das Kalb:



 


















Insgesamt hat das selektive Trockenstellen dazu geführt, dass gut ein Drittel der Kühe ohne Antibiotika trockengestellt werden.

Die Aufgabe des Herdenmanagements dabei ist neben dem Heraussuchen welche Kühe zum Trockenstellen dran sind auch festzulegen welche Kuh was bekommt. Dafür habe ich die Listen in HERDE so weit voreingestellt; außer die Zellzahlen muss man noch bei jeder Kuh nachkucken.

Benjamin

Sonntag, 24. Februar 2019

Trockenstellen - Teil 1

Jetzt kommt der erste Post über das Trockenstellen. Hab das kurzerhand auf zwei Posts aufgeteilt, denn wie ich es fertig geschrieben hatte war es viel zu lang geworden - ist mir auch noch nicht passiert.

Das Trockenstellen bzw. das Trockenstehen gehört zum Jahresablauf der Milchkuh dazu. Vor dem nächsten Kalben werden sie zur Erholung in den "Urlaub" geschickt.
Der Hintergrund dafür:
Die Erholung des Stoffwechsels, die Kuh ist stoffwechseltechnisch ein 350-Tage-Ultramarathonläufer und da braucht es auch eine Phase der Erholung.
Die Regeneration des Euters und der Bildung der Biestmilch für das Kalb. Das Euter geht in eine Ruhephase, die noch enthaltene Milch wird resorbiert und danach mit der Einlagerung der Antikörper und Abwehrstoffe in die sich bildende Biestmilch begonnen. Das alles zusammen dauert ungefähr 30 - 35 Tage und gibt damit die Mindestdauer des Trockenstehens vor.
Es gab auch schon Forschungstendenzen des "Durchmelkens", dass die Kuh nicht trockengestellt wird sondern die ganze Zeit gemolken und zwischendrin dann kalbt. Der Gedanke dabei ist, dass die Kuh mit der zweimaligen Futterumstellung zum Trockenstellen und dann nach der Kalbung nicht belastet wird und es für den Pansen und die gesamte Verdauung mit der in der Fütterung immer wichtigen Koninuität weiterläuft. Die Nachteile überwiegen dabei aber, sodass es sich nicht durchsetzen konnte: Über mehrere Jahre fällt die Leistung der Kühe ab, weil die Erholung doch fehlt, trotz der Kontinuität für den Stoffwechsel. Und vor allem wird beim täglichen Melken keine Biestmilch gebildet, die von elementarer Bedeutung für die Immunisierung und  Gesundheit des Kalbes ist.
Daher also das Trockenstehen.

Das Trockenstellen ist an sich ein einfacher Vorgang: Die Kuh wird nicht mehr gemolken. Ist vergleichbar mit dem Wildrind, das im Herbst wenn das Futter knapp wird sein Kalb absetzt. Zudem kommt es manchmal vor, dass sich hochtragende Kühe von alleine Trockenstellen und keine Milch mehr geben, vor allem die, bei denen die letzte Kalbung schon länger her ist (> 400 Tage) und nicht die höchste Milchleistung hatten.
Die Milchbildung in den Drüsenzellen ist abhängig vom Druck im Euter, wenn schon viel Milch gebildet ist steigt der Druck und die Neubildung wird dadurch weniger, das ist ein kontinuierlicher, linearer Prozess. Beim Trockenstellen steigt der Druck soweit an bis nichts mehr gebildet wird. Aus gleichem Grund geben Kühe die dreimal statt zweimal am Tag gemolken werden mehr Milch, weil bei nur 8 h Zwischenmelkzeit statt 12 h die Stunden mit druckbedingt niedrigerer Milchproduktion wegfallen.

Bei Kühen die 15 Liter Milch am Tag geben ist das einfacher als welche die noch bei fleißigen 35 Liter liegen. Gängig ist solche Kühe "abzubremsen", indem man sie in die Altmelkergruppe mit nicht so energiereichem Futter stellt und sie die für die hohe Milchleistung nötige Energie nicht mehr aufnehmen können. Nur einmal am Tag zu melken und über die längeren Zwischenmelkzeiten (24 h) die Milchbildung zu verringern dehnt eher die Belastung des Euters über längere Zeit aus. Und das Wasser knapp halten, dass gar nicht so viel Milch gebildet werden kann geht halt überhaupt nicht. Dafür gibt es Möglichkeiten über den Mineralstoffwechsel anzusetzen z.B. mit Bovikalc dry.

Zur Dauer des Trockenstehens. Früher waren es mal zwei Monate. Daher stammt auch die 305-Tage Leistung als standardisiertes Vergleichsmaß für die Milchleistung. Jedes Jahr ein Kalb (365 Tage) minus 2 Monate (60 Tage) sind 305 Tage Milchgeben. Natürlich sind diese Zahlen nicht mehr aktuell - so liegen wir in Deutschland seit vielen Jahren bei durchschnittlich knapp 410 Tagen Zwischenkalbezeit.
Landläufig sagt man 6 bis 8 Wochen lang trockenstehen.

Mit folgenden Trockenstehdauern beim Trockenstellen alle zwei Wochen habe ich gute Erfahrungen gemacht:
Mehrkalbskühe - also die Kühe die vor dem dritten Kalb und mehr sind - 37 bis 50 Tage vor dem errechneten Kalbetermin.
Jungkühe - die vor dem zweiten Kalb sind - 10 Tage mehr weil sie noch nicht ganz ausgewachsen sind für eine längere Erholungsphase. Sind dann 47 bis 60 Tage vor dem errechneten Kalbetermin.
Dazu kommen noch die Kühe die sehr wenig Milch haben (unter 10 - 12 kg), wo man die Verfettungsgefahr abwägen muss, entweder energieärmere Trockensteherration oder energiereichere Altmelkerration und bisschen Milch geben und zum Melken laufen. Aber nicht mehr als 90 - 100 Tage lang Trockenstehen, weil sie dann doch den Kühen die die Erholung nötiger haben zu viel Platz wegnehmen.

Fortsetzung folgt!

Benjamin

Donnerstag, 21. Februar 2019

Ohrmarken einziehen

Ein Schnappschuss vom Ohrmarkeneinziehen bei den Kälbern.

Als erstes wird die Anwesenheitskontrolle gemacht, ob alle als neugeboren aufgeschriebenen Kälber auch da sind und ihren jeweiligen Müttern zugeordnet. Als zweites und wichtigster Punkt die Geschlechtskontrolle; beim stehenden Kalb zwischen die Hinterbeine gegriffen, beim liegenden Kalb ein Hinterbein hochgehoben und dazwischen geschaut. Weil nach dem Geschlecht die Ohrmarkenserie (unterschiedliche für weibliche und männliche) ausgewählt wird und auch nur die weiblichen Zuchtkälber die Ohrstanzen für die Genotypisierung (KuhVision) bekommen. Außerdem ist es recht aufwändig nachträglich eine Geschlechtsänderung in allen offiziellen Dokumenten zu machen. Drittens werden die Ohrmarken den neuen Kälbern zugeordnet und eingezogen.

Und ab und zu liegt auch mal eine Katze zwischen den Kälbern im Stroh:

"Schwarzbunt - weiblich!".

Benjamin


Montag, 18. Februar 2019

Lungenendoskopie - Teil 3

Grund für die Lungenspülprobe war der Erregernachweis.
Im März letzten Jahres ist eine Novelle der Tierärztlichen Hausapothekenverordnung (TÄHAV) in Kraft getreten. Deren Ziel ist es Antibiotika in der Tiermedizin einzusparen. Einmal durch die tierärztliche Untersuchungspflicht vor jedem Antibiotikaeinsatz und beim Einsatz "höherwertiger" Antibiotika der Erregernachweis und das Resistogramm dazu, um nachzuweisen, ob das Antibiotika in dem Fall auch wirkt. Was auf den ersten Blick alles sinnvoll erscheint, sehe ich nach knapp einem Jahr als Bürokratiemonster, das die medizinische Versorgung der Tiere verschlechtert hat. Die Hemmschwelle ist gesunken, es ohne Antibiotika "versuchen zu wollen", und der zeitliche Verzug bis zur Untersuchung durch den Tierarzt. Was oft ein Abnicken der "bäuerlich-handwerklichen" Diagnosestellung ist und die Kuh einen halben Tag mit Entzündungshemmer hingehalten wurde.

Bei Euterentzündungen ist der Erregernachweis über Milchproben des betroffenen Euterviertels recht geläufig, vor allem wenn man die selektive Therapie auf die einzelnen Keime zugeschnitten macht. Bei Gebärmutterentzündungen kommt man relativ leicht an den Eiter ran, bei schlimmen Fällen könnte man sogar einen Becher drunterhalten. Bei Lungenentzündungen dagegen ist es um einiges schwerer, weil der Eiter in der Lunge sitzt.

Das wurde aus den Bronchien herausgepült, die ursprünglich klare Spülflüssigkeit ist trüb vom ganzen Eiter. In einem Probenröhrchen geht das ins Labor und wird auf Platten angezüchtet, wo dann anhand der gewachsenen Bakterien der oder eher die Erreger nachgewiesen werden und an aufgebrachten verschiedenen Antibiotika, ob gegen diese resistent oder sensibel:



























Und diesmal habe ich auch halbwegs erfolgreich versucht durch das Okular zu fotografieren. Das ist recht schwierig, da die Kamera nicht recht einen Punkt zum Fokussieren findet. Als Bestes kam dieses Foto dabei raus; Blick in die Bronchien einer Kuh:

Benjamin

Freitag, 15. Februar 2019

Lungenendoskopie - Teil 2

Zum alltäglichen Herdenmanagement gehört es zwar nicht direkt, aber zum Gesundheitsmanagement im weiteren Sinne: Lungenendoskopie zur Entnahme einer Lungenspülprobe (siehe Post vom 24.09.2018). Warum das jetzt gemacht wurde gibt es im nächsten Post zu lesen.

Beim letzten Mal war es auf der anderen Seite vom Nachwartehof gewesen, wo man die Außenmauer als bequeme Abstellfläche für das Material hat. Auf dieser Seite würde sich die Mauer vom Rücktrieb anbieten, aber die vorbeilaufenden Kühe werfen alles runter. Daher schnell paar der Tröge für das Lockfutter genommen; bloß die schwimmen auf der Flutwelle weg wenn geflusht wird... es ist zum Glück nichts dabei kaputt gegangen! 
Die Kuh war trotz der Sedierung nicht so kooperativ und musste festgehalten werden. Das Foto hat natürlich keinen Geruch, aber es stank richtig wenn sie ausatmete und hustete. Das lässt auf den Erreger Trueperella pyogenes schließen, der einen charakteristischen Geruch hat. Die Kuhblogleser die das kennen wissen wovon ich spreche:


























Eine Nahaufnahme vom Einführen des Endoskops über die Nase. Hier sieht man was für eine komplexe Feinmechanik das ist: In diesem dünnen Strang sind zwei Glasfaserbündel als Lichtwellenleiter, einer zum Durchkucken mit dem Okular und einer für die Beleuchtung, die Lichtquelle dafür ist auf dem oberen Foto der graue Kasten unten links. Dazu der Arbeitskanal über den der Katheter für die Spüllösung eingeschoben wird und zwei Bowdenzüge für die Steuerung der Endoskopspitze nach links/rechts und oben/unten:

Fortsetzung folgt!

Benjamin














Dienstag, 12. Februar 2019

Fiebermessen

Nach meinen ganzen "Auswärts-Berichten" vom Januar geht es nun mit der schon zu Jahresbeginn angekündigten Serie aus dem Alltag des Herdenmanagements weiter.

Als erstes Thema das tägliche Fiebermessen für die frisch abgekalbten Kühen in den ersten zehn Tagen nach der Kalbung ("freshcow management"). Die Körpertemperatur ist ein sehr geeignetes Frühwarnsignal bei der Gesundheitsüberwachung. Das Rind als evolutinär klassisches Beutetier lässt sich keinerlei Schwäche anmerken solange es nur kann. Und wenn die Kuh erstmal die Ohren hängen lässt ist es schon fast zu spät.

Daher wird bei den frischabgekalbten Kühen zehn Tage lang nach der Kalbung und ggf. auch länger täglich die Temperatur gemessen und die Entwicklung der Milchleistung verfolgt. Zudem hat es den Vorteil jede Kuh auch täglich zu sehen für die anderen Merkmale zur Gesundheitsüberwachung: Aufmerksamkeit, Pansenfüllung, Nachgeburtsabgang, Verschissen bei Durchfall usw.

"Hinten drauf" auf der Kuh werden mit Fettstift Markierungen aufgemalt. Damit sieht man auf einen Blick alle wichtigen Informationen über den Verlauf der letzten Tage, da muss man nicht erst im Computer oder im Handy nachschauen. Die klassische Vier-Farben-Methode ist doch recht bekannt und verbreitet, ich habe nach eigenen Erfahrungen und der von Bekannten einige Punkte daran optimiert (siehe auch Post vom 03.09.2016), der letzte Schritt war vor einem halben Jahr zur Einführung der Ketose-Messung, dazu folgen hier im Kuhblog aber noch mal extra Posts.

Das wichtigste sind die roten Striche für Schwergeburt, Nachgeburtsverhaltung oder Milchfieber, dass man den nicht reibungslosen Start gleich im Hinterkopf hat, z.B. um bei Fieber Ursachen wie Gebärmutterentzündung oder Geburtsverletzungen in Betracht zu ziehen. Die Grenze von 39,3 °C als Fieber ist bewusst niedrig angesetzt, quasi bei erhöhter Temperatur schon mal einen orangen Strich als "Ausrufezeichen" zu machen.

Das ist das aktuelle Schema:



 




















So sehen die Markierungen dann auf den Kühen aus, wobei ich hier für das Foto "gecheatet" habe und nochmal alle Striche nachgezogen, denn die verblassen recht schnell:

Benjamin


Samstag, 9. Februar 2019

Klauenamputation

Klauenamputationen sind was Besonderes, weil selten. Manchmal sind sie einfach nötig um durch den Verlust der Klaue die restliche Kuh zu retten. An insgesamt drei Klauenamputationen kann ich mich erinnern, wo ich mich immer zur Assistenz vorgedrängelt habe, das ist nun mal dann ein Höhepunkt im Jahresverlauf.

Beim Klauenlehrgang in Damsdorf war dann auch eine Amputation dabei, denn wenn schon mal die absoluten Profis auf diesem Gebiet da sind werden natürlich die allerschlimmsten Fälle vorgestellt. 

Die Kuh hatte eine Entzündung der Außenklaue des linken Hinterfußes, die dann die Beugesehne entlang in die Sehnenscheide wanderte. Die antibiotische Behandlung schlug nicht an und mit Zugsalbe (vgl. Post vom 24.10.2016) kriegt man es auch nicht raus, weil da nichts "durcheitern" kann. 

Das war dann keine Klauenbehandlung mehr sondern Chirurgie, die nicht in den Bereich des Klauenpflegers fällt sondern eines (spezialisierten) Tierarztes. Und wenn das der Beste überhaupt macht habe ich es auch gleich fotografiert: Besseres Bildmaterial für den Kuhblog gibt es nicht.
Nach gründlicher Reinigung, Desinfektion mit Iod (daher die orange Farbe) und dem Abbinden der Gefäße wurde die Klaue lokal betäubt und danach abgeschnitten. Ich kannte das mit einer Drahtsäge aber mit einem extrem scharfen Skalpell geht das auch. Mit dem entsprechenden Können und natürlich zwischen den Knochen hindurch wirkte es geradezu mühelos:





















So sieht es dann ohne die abgenommene Klaue aus. Hier ging es daran die entzündete Beugesehne samt Sehnenscheide zu entfernen; die Kuh brauchte sie schließlich nicht mehr:




Nach erfolgter Entfernung der Sehne der aufgeschnittene Fuß. Die Wunde wurde mit Binden "ausgepolstert" und der gesamte Fuß verbunden. Die Schwellung sollte dann innerhalb weniger Tage zurückgehen. Die Kuh wurde am nächsten Tag nach Leipzig in die Tierklinik gebracht zur Nachsorge der Wunde, auch mit dem Hintergedanken für die Ausbildung der künftigen Tierärzte solche Fälle zur Verfügung zu haben. 
Wie es mit der Kuh weiterging und ob die Amputation als erfolgreich einzustufen ist werde ich bei Gelegenheit in Erfahrung bringen und Euch hier im Kuhblog mitteilen.

Insgesamt eine sehr sehenswerte und vor allem beeindruckende Aktion:

Benjamin


Freitag, 8. Februar 2019

Auf Lehrgang - Teil 12

Im Anschluss zum theoretischen Teil zur Klauengesundheit gab es auch einen praktischen Teil mit Demonstrationen von Klauenbehandlungen.
Gastgebender Betrieb war dabei der Biohof zum Mühlenberg in Damsdorf, auf dem ich im Rahmen der Testherdentagung vor drei Jahren schon einmal gewesen war (siehe Post vom 15.06.2016). Mittlerweile mit 10.000 kg Jahresleistung der beste Biobetrieb in Brandenburg.

Zuerst gab es einen Rundgang durch die Ställe bei denen Prof. Starke mit einer beeindruckenden Zielsicherheit einige lahme Kühe fand; ungefähr: "Die Rotbunte, die da vorne in der Box steht." Auf 20 Meter Entfernung und zunächst unauffällig bis sie dann lief.

Behandelt wurden die vorgestellten lahmen Kühe auf einem Kippstand. Kippständen gegenüber war ich immer skeptisch, weil das Kippen zu lange dauern würde. Für die normale Klauenpflege sind Durchtreibestände schneller, wie die Firma Findeisen mit ihren vollhydraulischen Ständen (vgl. Post vom 29.08.2013) bis zu 20 Färsen pro Stunde schafft wenn nur die Klauen gekürzt und die Hohlkehlung geschnitten werden muss. 

Bei Klauenbehandlungen hingegen, vor allem wenn es kompliziertere Sachen sind die länger als 10 Minuten dauern ist der Kippstand doch von Vorteil. Weil stressärmer und ein geringeres Verletzungsrisiko für die Kuh wenn sie auf drei Beinen stehend rumzappelt und sich Zerrungen holt. 
Die um 90 Grad gedrehte Arbeitspostion an den Klauen ist da nur eine Sache der Gewohnheit.
Die Uni Leipzig hat die Kippstände auch vom Hintergrund des Ausbildungsbetriebs her, dass man mal eine Kuh länger liegen lassen kann um es ausführlich direkt an der Klaue erklären zu können.

Hier werden gerade die Füße auf den Stützen festgebunden und danach komplett in die Waagrechte geschwenkt:





















Als Zugfahrzeug dieses Klauenstands dient ein Mercedes Vito, nicht nur zum Mannschaftstransport sondern als voll ausgestattetes Tierarztauto samt Warmwasser und Stromaggregat! Weil scheinbar die Hälfte der Landwirtschaft fernab jeder Zivilisation stattfindet.

Bei der Klauenpflege zuzuschauen  und -hören machte richtig Spaß bei der Routine und Professionalität. Auch die Ausrüstung war entsprechend: z.B. die Klauenmesser in Desinfektionslösung liegend gegen die Keimverschleppung von Kuh zu Kuh und mit Kunststoff- statt Holzgriffen, weil hygienischer. Zudem rote Griffe für die rechten Messer (für die rechte Hand) und blaue für die linken Messer, dass man nicht die falschen greift.

Und noch ein Bild dazu, dass sich der Stress der Kuh im Klauenstand auf den Rest der Herde überträgt und daher nicht in Sichtweite usw. erfolgen sollte. Macht natürlich schon Sinn, aber hier das Gegenbeispiel mit den ganzen Gafferinnen:

Fortsetzung folgt!

Benjamin



Mittwoch, 6. Februar 2019

Auf Lehrgang - Teil 11

Es geht weiter bezüglich Klauen.

Letzte Woche gab es noch eine Zusatzrunde für den Herdenmanagerlehrgang des IFN/RBB (siehe Post vom 27.02.2018). Beim diesjährigen Lehrgang gab es eine Erweiterung zum Thema Klauengesundheit. Da das bei den Lehrgängen 2016/17 und 2017/18 nicht dabei gewesen war, gab es für die "Ehemaligen" einen nachträglichen Zusatztermin.

Referent war Prof. Starke von der Klink für Klauentiere der Universität Leipzig, für mich eindeutig der führende Wissenschaftler in Deutschland zum Thema Klauen. Ihn hatte ich schon auf mehreren Vorträgen gehört und auch die Demonstration seiner Mannschaft auf der Agra gesehen (siehe Post vom 29.04.2015).

Als Beispiel ging es über die Organisation der Klauenpflege in Sachsen (Genossenschaft Klauenpfleger eG Sachsen) und dass an der Universität Leipzig letztes Jahr erstmals nach fast 40 Jahren wieder neue Klauenpfleger ihre Prüfung abegelegt haben. Das wurde nach der Wende extrem schleifen gelassen und jetzt ist wie in vielen anderen Bereichen der Landwirtschaft ein großer Mangel an qualifizierten Leuten.

Dass die Uni Leipzig aktuell mit der HTW Dresden zusammen einen neuen Klauenstand speziell für Jungrinder entwickelt. Die übliche Variante Färsen ab 13 - 14 Monaten erstmals bei der Klauenpflege mitzumachen ist nämlich zu spät; man denke nur daran wie lang die Klauen werden wenn sie ihr ganzes bisheriges Leben nur auf Stroh ohne jeglichen Klauenabrieb gelaufen sind. Die Klauenstände für Kühe sind aber zu groß und zudem besteht die Gefahr von Knochenbrüchen, weil die Knochen während des Wachstums noch zu weich sind. Daher die Entwicklung des neuen Standes.

Es ging über die Ursachen von Lahmheiten und die Zusammenhänge zu anderen Krankeiten. Dann über die Organisation der Klauenpflege, Lahmheitserkennung, Zusammenarbeit mit dem Tierarzt für schwierigere Behandlungen bis hin zur Chirugie. 
Ein großer Teil nahm die Dokumentation ein. Dass bei handschriftlicher Dokumentation vor allem der längerfristige Überblick über die Krankengeschichte der einzelnen Kuh fehlt. Wo man wieder bei der elektronischen Erfassung über KLAUE ist (siehe Post vom 22.12.2018). Mit den "ständig" wechselden Namen der Erkrankungen wäre es zwar etwas unübersichtlich, aber biologisch hat sich in den letzeten Jahrzehnten da nichts verändert.

Insgesamt war es sehr interessant mit angeregten Diskussionen, vor allem sowohl grundlegende Herangehensweisen als auch sehr ins Detail.

Fortsetzung folgt!

Benjamin

Sonntag, 3. Februar 2019

Übers Futtersparen

Der Bericht über die diesjährige Winterveranstaltung der Firma Schaumann zu Themen der Fütterung und Tiergesundheit.

Der erste Vortrag von Dr. Gorniak von Schaumann war zur aktuellen Situation in der Milchviehfütterung: Der Mangel an Silage nach der großen Dürre letztes Jahr. Die Grassilage ist zwar in der Qualität gut, aber halt zu wenig. Bei der Maissilage kommen neben der geringen Menge niedrige Stärkegehalte und eine schlechtere Stärkeverdaulichkeit hinzu.
Dazu der Einsatz von Schaumann Rumivital, einem Wirkstoff der im Pansen den Aufschluss der Zellwände im Futter fördert und somit die Verdaulichkeit erhöht. 
Der Ausgleich der fehlenden Stärke sollte nicht durch Körnermais erfolgen, was naheliegend wäre die fehlenden Körner der Maissilage einfach dazuzugeben. Problem dabei ist der hohe Anteil an beständiger Stärke im Körnermais, die nicht im Pansen sondern erst im Dünndarm verdaut werden kann. Der Dünndarm der Kuh kann aber max. 1,2 kg beständige Stärke (bXS) am Tag verdauen, der Rest kommt hinten wieder raus. Daher die fehlende Stärke der Maissilage durch Getreide ersetzen, was wiederum begrenzt ist, dass nicht zu viel unbeständige Stärke im Pansen verdaut wird und den pH-Wert zu stark absenkt. In dem Fall könnte pansenbeständiges Futterfett genommen werden. Also alles nicht so einfach und zudem habe ich selber Anfang 2017 mit der 2016er Maissilage die verdorrt war und ähnliche Probleme machte keine gute Erfahrungen mit Rumivital und Futterfett gemacht. Konnte die schlechte Maissilage bei weitem nicht ausgleichen.
Dann der Ersatz  von Nebenprodukten mit besonders zu beachtenden Inhaltsstoffen, z.B. die Mineralstoffe (DCAB), ein Thema das man auch wegen der GVO-freien Fütterung kennt. (vgl. Post vom 15.05.2018).
Und noch der Ersatz von Silage durch Stroh (für Faser) und Getreide (für Energie), dabei wegen der hohen Trockensubstanz das "Binden" mit Melasse oder Wasser, wo es wieder um die Wasserzugabe geht (siehe Post vom 16.08.2018).

Hrn. Puckhaber von der Milchhof Gut Bandelstorf kenne ich noch aus seiner Zeit als Berater bei Schaumann, aber seit zwei Jahren ist er selbst Kuhbauer. Er berichtete über die Umstellung auf Robotermelken und den kontinuerlichen Leistungsanstieg seiner Kühe von 9.000 auf 12.000 kg Jahresleistung, vom Mittelmaß in die Spitzengruppe der Milchviehbetriebe in Mecklenburg-Vorpommern. Für mich ist er einer der Vetreter der "kompromisslosen Konsequenz" im tagtäglichen Management, wo er es fomuliert: "Nicht das Maximale leisten, sondern möglichst wenig verlieren". Was dann auch scheinbar auf den ersten Blick skurrile Auswirkungen hat: Nach dem Grashäckseln werden sämtliche Wiesen mit dem Striegel abgefahren um Grasreste zusammenzuharken, dass diese nicht den Folgeschnitt verunreinigen. Oder die Tränkekälber kriegen im Winter allesamt Kälberdecken, weil es günstiger ist die Kälber zu isolieren, statts Milch vom Wachstum fürs "Heizen abzuzweigen".

Prof. Müller von der FU Berlin referierte über die neusten Erkenntnisse zur Klauengesundheit. Über eine britische Studie, die Häufigkeiten und Entwicklung von Lahmheiten in verschiedenen Herden verfolgten und es da zwischen den Betrieben eine immense Bandbreite gibt, was so auch auf Deutschland übertragbar wäre.
Lahmheiten sind pauschal auf wenige Ursachen zurückzuführen:
Nichtinfektiöse Klauenerkrankungen durch Druck, wegen langem Stehen, falscher Belastung bei zu langen Klauen bzw. zugewachsener Hohlkehlung und bei Kühen mit niedriger Kondition weil die Fettpolsterung in der Klaue auch eingeschmolzen wird.
Infektiöse Klauenerkrankungen resultieren aus Schmutz und schlechter Hygiene.
Dabei auch die Biosicherheit gegen die Verschleppung z.B. von Mortellaro von Kühen zu Jungrindern und Desinfektion von den Werkzeugen zur Klauenpflege zwischen den einzelnen Kühen.

Mal wieder eine schöne Veranstaltung für neuen "Input".

Benjamin

Freitag, 1. Februar 2019

Mal von oben

Wenn man einen neuen Milchtank samt Aufstiegsleiter und Plattform hat nutzt man das natürlich auch mal um sich die Anlage von oben anzuschauen.

Also Blick auf die MVA Boberow von oben. Die einzelnen Gebäude lassen sich nicht interaktiv mit Fotos in Nahaufnahme/Innenaufnahme verlinken, aber trotzdem wird das jetzt eine Linksammlung quer durch den Kuhblog!

Blick über den vorderen Hof. Links die alten Garagen als Lager und die rechte das "Wasserhaus", der zentralen Wasserverteilung für die ganze Anlage mit den Druckkesseln.
Daneben die V-Halle mit den Frühtrockenstehenden Kühen am ersten Futtertisch und den hochtragenden Färsen am zweiten Futtertisch (siehe Post vom 14.12.2014).
Außerhalb des Hofes sieht man das ehemalige Wiegehäuschen (siehe Post vom 27.12.2015) und im Hintergrund das Dorf mit der Spitze vom Kirchturm (siehe Post vom 03.08.2013). Was bei diesem Foto auffällt ist, wie flach doch die Prignitz ist. Im Alltag "von unten" sieht man das kaum, weil man meist nur so 2 km weit bis zum nächsten Wald kucken kann:





















Und in die andere Richtung über die Kuhställe:

Ganz links am Rand mit der Photovoltaikanlage auf dem Dach der Jungviehstall (siehe Post vom 15.11.2018), darunter das Dach vom Durchgang (siehe Post vom 24.12.2014), wo sich Futtertisch und Fressgang von Gr. 4 (Altmelkende Kühe) befinden, sowie die Fressgitter für Besamung, Trächtigkeitsuntersuchungen usw. Dann der kleine Stall mit den Liegeboxen von Gr.4 (siehe Post vom 01.06.2014). Am linken Bildrand fehlt ein Lüftungskamin, der war beim Sturm im Oktober 2017 (siehe Post vom 09.10.2017) abgerissen. Dahinter das Lager für das Gärresteseparat mit dem Separator (siehe Post vom 16.05.2014), daneben das Pumpenhäuschen (siehe Post vom 12.09.2016). Dahinter mit der Photovoltaikanlage die Heulagerhalle (siehe Post vom 18.05.2014), weiter rechts der Fermenter der Biogasanlage mit der Gasspeicherblase im blauen Container (siehe Post vom 27.02.2017). Im Vordergrund das Melkhaus mit dem Lichtfirst vom Vorwartehof, direkt darüber ist die Futterhalle (siehe Post vom 29.08.2015) zu erkennen und am rechten Bildrand dann der große Stall mit den Kuhgruppen 1 - 3 (siehe Post vom 02.10.2013):

Benjamin