Dienstag, 30. Juni 2020

Verlängerte Laktation - Teil 3

In diesem Post geht es um die Ergebnisse einer mittelgroßen Auswertung die ich gemacht habe um rückblickend Schlüsse zur verlängerten Laktation ziehen zu können.

Mit den Daten aus Herde habe ich von über 700 Kalbunegn von Mehrkalbskühen mir die vorherige Laktation angeschaut. Wann die Kuh zum ersten Mal besamt wurde, wie oft, wie die Leistung war usw. Da gibt es schon einiges her. Bisschen Rechenarbeit war es aber auch, denn da scheint irgendwo ein Fehler drin zu sein, denn die Laktationsdauer in Melktagen von der Kalbung bis zum Trockenstellen passt nie wenn man vom jeweiligen Datum ausgeht... Ob dann aber die angegebene 305-Tage-Leistung stimmt weiß ich nicht; zumindest habe ich es bei allen Kühen dann gleich berechnet.

Erstmal der Einfluss der Zwischenkalbezeit. 305-Tage-Leistung zum Vergleich der Persistenz, wie lange die Kuh ihre Leistung "hoch hält". Bei schnell wieder tragenden Kühen sollte hormonell bedingt die 305-Tage-Leistung niedriger sein. Alles ist in ECM (energiekorrigierte Milch) gerechnet um unterschiedliche Fett- und Eiweißgehalte auszugleichen.
MT ist pro Melktag, also was eine melkende Kuh zwischen Kalbung und Trockenstellen an Milch gibt; im MLP-Bericht der Melkdurchschnitt.
FT ist pro Futtertag, da ist auch die Trockenstehzeit mitgezählt, ökonomisch betrachtet was es an Milch pro Stallplatz gibt. Im MLP-Bericht der Stallschnitt.

Einmal alle Laktationen zusammen, dann für die 1. Laktation (Zwischenkalbezeit zwischen 1. und 2. Kalb), 2. Laktation und ab 3. Laktation zusammengefasst, weil es da pro Lakation dann immer weniger Kühe sind. Die Aufteilung der Klassen an Zwischenkalbezeit habe ich so gemacht, dass hinter jeder ähnlich viele Kühe stehen:


















Das Ergebnis hat mich schon erstaunt. Die 305-Tage-Leistung steigt an mit zunehmender Zwischenkalbezeit, aber die Melktags- und Futtertagsleistung sinken, wenn die Kühe später trocken gestellt werden. Maximal 380 Tage Zwischenkalbezeit, da wären wir wieder bei jedes Jahr ein Kalb. Ungeachtet der gesundheitlichen Vorteile.

Dann nach der Rastzeit unterteilt, mit wieviel Tagen nach der Kalbung die Kühe erstmals wieser besamt werden. VZ ist die Verzögerungszeit zwischen erster und erfolgreicher Besamung. BA ist der Besamungsaufwand, wieviel Spermaportionen für eine Trächtigkeit gebraucht werden. In diesem Fall nicht der Besamungsindex, weil da zählen auch die Kühe mit rein die nie trächtig werden und im Datenmaterial nicht enthalten waren. EBE ist der Erstbesamungserfolg, wie viel Prozent der Kühe mit der ersten Besamung schon tragend waren:














Das Ergebnis ist dann ein ganz anderes wie bei der Zwischenkalbezeit: Die Rastzeit hat abgesehen von den sehr langen nur einen geringen Einfluss auf die Zwischenkalbezeit. Und so gut wie gar keinen auf die Leistung. Unter 50 Tagen Rastzeit ist die Leistung schlecht oder aber bei leistungsschwachen Kühen die Fruchtbarkeit gut, dass sie schon brünstig werden. Über 100 Tage Rastzeit sind nicht von Nachteil, wobei das eher die hochleistenden Kühe gewesen sein dürfen denen ich etwas mehr Zeit gegeben habe.

Die Schlussfolgerung daraus: Sich schrittweise an die verlängerte Laktation rantasten.

Fortsetzung folgt!

Benjamin


Sonntag, 28. Juni 2020

Statistiken - Spezial

Wie schon angekündigt das Spezial zu den Statistiken über die ich noch nie was geschrieben habe.

Bisher hatte ich es bei den Statistiken nur über Leserzahlen, die beliebtesten Posts und Suchbegriffe.
Die Gesamtleserzahl beläuft sich aktuell auf knapp 244.000.
Bei den beliebtesten Posts hat sich nicht viel getan und die interessantesten Suchbegriffe schreibe ich weiterhin mit bis ich mal wieder eine längere Liste zusammen habe.

Bei den Statistiken gibt es des Weiteren eine Rubrik Zugriffsquellen mit verweisenden URLs und verweisenden Webseiten. Der Großteil macht da Google aus mit allen möglichen Länderversionen. Dann der Kuhblog selbst mit den Verlinkungen zwischen den Posts. Agrartechnik-im-Einsatz und Facebook ebenfalls durch Verlinkungen. Google Plus seinerzeit war nur ganz selten vertreten. Unter dem ganzen Rest fällt ab und zu eine Abmahnfirma negativ auf, die systematisch das Internet nach Plagiaten durchforscht, ein recht unseriöses Geschäftsmodell...

Und dann die Rubrik Publikum. Einmal die Herkunftsländer der Leser. Die häufigsten sind Deutschland, Italien, USA, Russland und Österreich. Das hat sich in den Jahren stark gewandelt. Anfangs waren die USA und Russland auf den Plätzen zwei und drei. 2014 und 2015 während dem Höhepunkt der Ukraine-Krise merkte man was im Internet los war und die Zugriffe aus der Ukraine kamen zwischenzeitlich bis auf den zweiten Platz und ist heute noch in der "ewigen Statistik" auf Platz zehn.
Italien hat in den letzten beiden Jahren kräftig zugelegt und sich bis auf den zweiten Platz vorgeschoben.

Bei den Zugriffen nach Browser und Betriebssystem sieht man im Verlauf der Jahre vor allem die Verschiebung von PCs zu Smartphones. 
Die häufigsten Browser sind Firefox, Chrome, Safari und Internet Explorer. Der Internet Explorer war 2013 noch mit Abstand der häufigste Browser und liegt seit längerer Zeit bei konstanten 6 %.
Nacn Betriebssystem sind die häufigsten Windows, Android und iPhone, die anderen haben nur marginale Anteile. Windows ist nach wie vor mit 60 % das häufigste Betriebssystem, aber die Smartphones haben über die Jahre kontinuierlich dazugewonnen.

Das war jetzt größtenteils aus der Erinnerung geschrieben, denn die Statistiken in den einzelnen Bereichen lassen sich in den Kategorien Heute, Woche, Monat und Gesamte Zeit anzeigen. Wobei halt die gesamte Zeit der Durchschnitt der sieben Jahre ist, aber rückblickend erkennt man da schon so manche Entwicklung.

Damit genug Data-Mining im Kuhblog, jetzt geht es wieder mit Kuhbezug weiter.

Benjamin

Freitag, 26. Juni 2020

7 Jahre Kuhblog

Wie die Zeit vergeht! Heute wird der Kuhblog sieben Jahre alt.
Wie und wo ich den allerersten Post (siehe hier) des Kuhblogs geschrieben habe daran kann ich mich noch ganz genau erinnern. Es war an einem Mittwochmorgen und samstags dann ging es in den Nordosten.
Im Gegensatz dazu kann ich mich bei den allermeisten anderen Posts so gut wie gar nicht an das wie sondern an das wann erinnern. Und vor allem die Fotos. Das sind mittlerweile an die 1.900 Stück und oft ist der Gedanke "Da hattest Du doch schon mal ein Foto dazu". Die Treffergenauigkeit der Erinnerung ist meist auf den Monat genau.
Wie im ersten Post geschrieben war mein Bruder im Sommer 2012 für drei Monate auf einem Milchviehbetrieb in Ostontario gewesen. Da war vorher das Interesse des Umfelds an Berichten so groß, sodass er die Idee für den Blog hatte. Aus heutiger Sicht recht unscheinbar und rudimentär aber interessant alle paar Tage mitzulesen.
Als ich ein Jahr später nach Brandenburg ging war die Situation ähnlich, aus rheinhessischer Sicht war da der Unterschied zu Ontario nicht allzu groß...
Der Schwerpunkt hat sich über die Jahre aber hin zu den Kuhthemen verlagert, da habe ich zwischen den Agrarbloggern meine Nische gefunden.

Im nächsten Post gibt es mal wieder Statistiken, aber keine aktuellen sondern die bisher unveröffentlichten.

Benjamin

Montag, 22. Juni 2020

Krummer Fuß

Fehlbildungen bei Kälbern kommen ab und zu vor.
Recht "häufig" ist die Verkürzung der Beugesehnen an den Vorderklauen, wo das Kalb die Beine nicht ganz durchstrecken kann und wackelig auf den Klauenspitzen steht. Das kriegt man aber mit Streckübungen meistens wieder hin.
Dann gibt es auch Stummelschwänze oder einen ganz fehlenden Schwanz wie damals bei Michi (siehe Post vom 14.10.2013). 
Glaube zweimal hatte ich schon ein Kalb mit offener Bauchdecke und Uwe hatte schon mal ein Kalb mit insgesamt acht Beinen. Die waren zum Glück aber allesamt tot gewesen und mussten nicht leiden.

Am Samstag gab es nun ein ziemlich missgebildetes Kalb, das zwar lebte, aber nicht lebensfähig war. Im Maul hatte es eine doppelte Gaumenspalte, sodass es nicht saufen konnte und die beiden Hinterfüße waren total verformt (siehe auf dem Foto). Beim linken Fuß war der Mittelfußknochen um 90 Grad nach außen gedreht und der rechte Fuß war vom Fersengelenk in eine total falsche Richtung gewachsen, sodass der nicht seitlich am Bauch lag sondern hinten quer. Trotz dem Bein das sich nicht richtig strecken ließ wurde es ohne Probleme geboren.
Bei einem Kalb das weder saufen noch aufstehen kann ist die Prognose gleich null und des musste eingeschläfert werden. Das kommt immer mal wieder mal vor und es gehört zum Leben auch dazu, aber da war es besonders schwer: Es war aufmerksam und muhte weil es Hunger hatte. Und laut unserem Tierarzt hat es dann tapfer gegen den Tod angekämpft...

Benjamin


Samstag, 20. Juni 2020

Sonnenwende

Auch nach all den Jahren habe ich mich nicht vollständig an die langen Sommertage hier im Norden gewöhnt. Im Vergleich zu Rheinhessen ist es ungefähr eine Stunde länger hell und da Brandenburg weiter östlich liegt ist der Großteil dieser Stunde davon morgens eher hell.
Heute ist die diesjährige Sommersonnenwende, um 23:43 Uhr steht die Sonne am nördlichsten, dann irgendwo über dem Nordost-Pazifik, bei uns ist es dann doch schon dunkel.
Im Juni wird es gefühlt nicht dunkel, die Dunkelheit verschläft man meistens; außer man schreibt mitten in der Nacht Blogartikel oder ist am längsten Tag des Jahres mal wirklich die ganze Hellphase über wach.
Hell wurde es gegen vier Uhr, um 4:47 ging die Sonne auf:



















Den Tag über sah man heute die Sonne so gut wie gar nicht, es war bewölkt und regnete sogar.

Um 21:37 ging die Sonne unter, nach dem trüben Tag richtig farbenprächtig:



















Um 22:30 war es dann dunkel.

Wie Kühe auf die langen Tage ragieren oder in ihrem Tagesrhythmus gestört werden weiß ich gar nicht. Sie schlafen nur ein bis zwei Stunden am Tag, die allermeiste Zeit liegen sie da und kauen wieder. Die schlafende Kuh erkennt man an der Körperhaltung; entweder ausgestreckt auft der Seite liegend oder in Brustlage und den Kopf an die Seite angelegt und dabei auch mehr oder weniger mit Maul, Augen und Füßen zuckend (REM-Schlaf).
Andererseits leben die Moschusochsen, die zwar Ziegenartige sind, aber in der Lebensweise den Wildrindern ähnlich, nördlich des Polarkreises ohne Schlafstörungen im monatelangen Polartag.

Benjamin

Montag, 15. Juni 2020

Verlängerte Laktation - Teil 2

Am Anfang meiner Kuhlaufbahn war für mich eine niedriger Zwischenkalbezeit schon wichtig, auch wenn ich es nicht so verbissen gesehen habe wie andere Leute. Da folgte ich der damals recht geläufigen Faustformel: 400 Tage bei 10.000 kg Jahresleistung, pro 1.000 kg Unterschied 10 Tage. Also für 9.000 - 9.500 kg 390 - 395 Tage, tatsächlich waren es um die 410. Was ich auf die schlechte Brunsterkennungsrate zurück führte mit dem alten, engen Stall, den doch nicht allergenausten Aktivitätsmessern und auch durch die Bestandsgröße bedingte geringe Anwesenszeit im Stall.
Dass es Sinn macht, die Zwischenkalbezeit nach der Leistung auszurichten haben vor etlichen Jahren Dr. Römer und Dr. Boldt von der Landesforschunganstalt MV schon anhand der Daten der ProFit-Testherden der RinderAllianz nachgewiesen (u.a. in TopAgrar 12/2015).
Mit der freiwilligen Wartezeit hatte ich mich eigentlich gar nicht beschäftigt, die lag bei 40 Tagen, um bei der schlechten Brunsterkennungsrate nix zu verpassen. Nach 65 Tagen kamen die Kühe schon zur Sterilitätsuntersuchung, wo ich aber schnell das bei Kühen über 40 Liter Leistung auf 100 Tage ausgedehnt habe. Und da zur Trächtigkeits-/Sterilitätsuntersuchung eigentlich immer die Fressgitterplätze zu wenige waren wurden als erstes die frühsten Steris auf den nächsten Termin geschoben.

Wirklich einen Anstoß gab es dann als mein Bruder im Oktober 2016 auf dem Thüringisch-Sächsischen Fütterungskolloquium in Laasdorf gewesen war und mir von einem Vortrag vorn Prof. Kaske von der Universität Zürich erzählte. Dieser hatte bei der Agrargesellschaft Ruppendorf in Sachsen eine Studie durchgeführt, bei der die Herde in drei Gruppen mit 40, 120 und 180 Tagen freiwillige Wartezeit eingeteilt wurde. Und dabei hatte die Gruppe mit 180 Tagen die beste Fruchtbarkeit und Leistung.
Diese Studie brachte die ganze Diskussion über verlängerte Zwischenkalbezeiten in Deutschland in Schwung und es wurde in der Presse in den Jahren darauf oft darüber berichtet. In der Bauernzeitung, der TopAgrar (5/2019) und auch in der Milchrind, da aber recht ablehnend, kein Wunder, dahinter stehen ja die Zuchtverbände, die viel Sperma verkaufen und viele Zuchttiere vermarkten wollen.

Ich suchte daraufhin mir Literatur, wo ich merkte, dass das Thema gar nicht mehr so neu ist, da gab es schon Ende der 1990er Studien dazu. Mein Hauptfazit daraus war jedoch, dass man ohne dreimaliges Melken die nötige Persistenz der Milchleistung über durchschnittlich 400 und mehr Tage nicht hinkriegt. Mittlerweile denke ich da anders drüber, wieder als Beispiel Gabis über 1.100 Melktage (siehe Post vom 07.03.2018).

Anfang Januar 2017 fing ich dann als Projekt für das neue Jahr einen kleinen Versuch dazu in Boberow an, weil ich in der Herde den besten Überblick hatte. Die Kühe mit ungeraden Halsbandnummern blieben bei 40 Tagen freiwilliger Wartezeit, die mit geraden Halsbandnummern bekamen eine individuell verlängerte. Da wählte ich die Formel: Tage freiwillige Wartezeit = 2x Spitzenleistung in kg. Am 40. Tag nach der Kalbung schaute ich die bisherige Spitzenleistung im Alpro nach und legte daran in freiwillge Wartezeit fest. Die reichte bei durchschnittlich 85 Tagen bei den einzelnen Kühen von 46 bis 109 Tagen. 
Insgesamt hatte ich 112 Kühe in dem Versuch bis ich ihn nach gut vier Monate vorzeitig abbrach weil ich das Gefühl hatte, dass ich die Kühe mit 100 und mehr Tagen freiwilliger Wartezeit nicht mehr rechtzeitig tragend bekomme.
Aus heutiger Sicht hätte ich besser vorher die Daten der Herde analysiert und daran das Versuchsdesign ausgerichtet.

Dazu mehr im nächsten Post der Serie.

Fortsetzung folgt!

Benjamin

Donnerstag, 11. Juni 2020

Verlängerte Laktation - Teil 1

Jetzt kommt eine kleine Serie die ich schon einige Zeit vor mir herschiebe, weil sie nach und nach doch unfangreicher wurde als zunächst geplant.
Und zwar über die verlängerte Laktation bei Milchkühen.
Seit knapp vier Jahren beschäftige ich mich damit und ab und zu habe ich im Kuhblog auch darüber schon etwas geschrieben und vor allem ist es mittlerweile auch im "Mainstream" der Kuhbauern angekommen.

Die Laktation ist die Zeitspanne in der eine Kuh nach der Kalbung Milch gibt. Bei der Milchkuh beginnt sie mit der Kalbung und endet mit dem Trockenstellen vor der nächsten Kalbung.
Seit Alters her war dabei die Regel "jedes Jahr ein Kalb". Das orientierte sich am Jahresrhythmus des Wildrindes, das dem Vegetationsverlauf folgt. Im Frühjahr werden die Kälber geboren, sodass die Kühe sie in der Zeit säugen wenn das meiste Futter wächst. Wenn im Herbst das Futter knapp wird werden die Kälber abgesetzt und alle Rinder müssen für sich alleine zusehen wie sie über den Winter kommen.
Bei der Rinderhaltung war es für Jahrtausende genauso, wo dann wegen den knappen Futtervorräten für den Winter vorher viele Rinder geschlachtet wurden und quasi in geräucherter/gepökelter Form heim kamen.
Seit der Einführung der Silierung im 19. Jahrhundert wurden die Futtervorräte für den Winter immer größer und heute reichen sie mit der TMR-Fütterung für das ganze Jahr.
Früher und auch heute noch in den niederschlagsreichen Regionen mit ganzjähriger Weidehaltung (Irland, Neuseeland) fordert die Ausrichtung auf den Vegetationsverlauf eine Zwischenkalbezeit von 365 Tagen.
Und mit der Trockenstehzeit von grob überschlagenen 2 Monaten kommt man damit auf die 305-Tage-Leistung als die standardisierte Zeitspanne zum Vergleich zwischen einzelnen Kühen.

Jetzt kommt die Biologie der Kuh ins Spiel. Ganz früh lernt man in der Ausbildung/Studium die Zahl von 500 Liter Blut die für die Bildung eines Liters Milch durch das Euter fließen müssen. Dieses Blut fließt auch durch die Leber als zentrales Stoffwechselorgan, die dabei alles Mögliche abbaut, so auch die darin enthaltenen Sexualhormone die für die Fruchtbarkeit zuständig sind. Daher die Aussage, dass hochleistende Milchkühe ihre Brunsten nicht so lange und deutlich zeigen. 
Da gibt es den "amerikanischen Weg" durch die Injektion der jeweiligen Hormone die Brunsten zu verstärken und den "israelischen Weg" mit Sensortechnik die brünstigen Kühe trotzdem zu finden. Wo ich ganz klar die zweite Variante vorziehe.
Die verlängerte Laktation ist eine weitere Möglichkeit. Einfach zu warten, bis die Milchleistung etwas abgefallen ist und die Fruchtbarkeit besser läuft.

Zweiter Punkt ist die Negative Energiebilanz (NEB). Nach der Kalbung steigt die Milchleistung der Kuh an, entsprechend dem Bedarf des wachsenden Kalbes. Die Futteraufnahme steigt auch an, aber nicht ganz so schnell und so entsteht die negative Energiebilanz, wo die Kuh mehr Energie mit der Milch abgibt als sie mit dem Futter aufnimmt. Die Kuh mobilisiert dann Körperfett. Nach einer gewissen Zeit kommt das wieder ins Gleichgewicht und die Kuh setzt dann wieder Fett an. Aber das ist von Kuh zu Kuh sehr unterschiedlich wie lange und stark ausgeprägt die NEB ist.
Dabei stellt die Kuh die Fruchtbarkeit, die auch Energie braucht hinten an. Das aktuelle Kalb ist dann wichtiger als das nächste.

Dritter Punkt ist die Persistenz. Eine hohe Persistenz ist gegeben wenn die Milchleistung der Kuh über die Zeit nur langsam abfällt, ihre Laktationskurve nach der Laktationsspitze langgestreckt verläuft. Da gibt es unter anderem genetische Ursachen und auch hormonelle. Denn bei einer erneuten Trächtigkeit reduziert diese die Milchleistung. Da ist dann das künftige Kalb wichtiger als das aktuelle. Über die Zeit nimmt die Leistung immer stärker ab bis die Kuh sich teilweise selber trockenstellt. Ohne Trächtigkeit kann die Laktationskurve sehr langgestreckt verlaufen, mein gern zitiertes Beispiel ist dafür Gabi, die nach der Kalbung über drei Jahre lang Milch gab (siehe Post vom 07.03.2018).

Vierter Punkt ist die Milchleistung zum Trockenstellen. Bei den heutigen Milchleistungen liegen die Kühe nach 300 Melktagen oft noch bei 25 bis 30 Liter und mehr Milch pro Tag. Zum Trockenstellen müssen sie von dieser Leistung auf null Liter abgebremst werden, was eine hohe Belastung für das Euter ist (vgl. Post vom 24.02.2019). Das Trockenstellen könnte nach hinten verschoben werden, z.B. auf die Leistung von 15 Liter; was aber nur geht wenn die Trächtigkeit noch nicht so weit fortgeschritten ist. Das ist die erste Grafik unten.

Fünfter Punkt ist das Krankheitsrisiko. Kühe sind nach der Kalbung am anfälligsten für Krankheiten. Wegen der negativen Energiebilanz ist das Immunssystem schwächer dazu kommen die Umstellungen für den Stoffwechsel nach der Kalbung mit der Gefahr von Krankheiten wie Milchfieber, Ketose (siehe Post vom 12.08.2019) und Labmagenverlagerung (siehe Post vom 10.11.2019). Dann die Fruchtbarkeitskrankheiten die nach der Geburt auftreten können wie Nachgeburtsverhaltung oder Gebärmutterentzündungen. Zusammen genommen sind die meisten Krankheiten der Kühe innerhalb der ersten 30 Tage nach der Kalbung und damit auch das höchste Risiko abzugehen, d.h. wenn sie die ersten 30 Tage gut übersteht schafft sie es höchstwahrscheinlich auch zur nächsten Kalbung. Wenn man diese riskante Phase(n) im Leben einer Kuh reduziert weil sie seltener in diese kommt wird sie wahrscheinlich auch länger leben.

Als sechster Punkt noch für die gesamte Rinderproduktion gesehen die Reduzierung der Kälber. Über die letzten Jahre ist der Bedarf an Kälber für die Nachzucht als Ersatz für die abgegangen Kühe durch ansteigende Nutzungsdauer und reduzierte Aufzuchtverluste gesunken. Das sieht man vor allem bei der zunehmenden Anpaarung mit Fleischrinderbullen, wovon auch die weiblichen Kälber gemästet werden. Es werden zunehmend mehr Kälber aus der Milchproduktion in die Rindermast "verschoben". Auch wenn ich wegen der Wolfsproblematik mit einem starken Rückgang der Mutterkuhhaltung rechne werden irgendwann mehr Kälber anfallen als die Rindermast nachfragt. Durch die Verlängerung der Laktation kann da die Anzahl der Kälber angepasst werden.

Alle Punkte zusammengefasst sprechen für eine Verlängerung der Laktation. Auf der Grafik unten sie die beiden unteren Reihen der Vergleich von Laktationskurven einer Kuh. Das ist nur beispielhaft, dass niemand das ausmisst und Zahlen darauf ableitet "der Benjamin hat aber gesagt"... Die orangenen Kurven ist eine Kuh die in fünf Jahren jedes Jahr einmal kalbt und eine hohe Jahresleistung erreicht weil sie fünf Laktationsspitzen mitnimmt. Die grünen Kruven sind von einer Kuh die dagegen nur dreimal in fünf Jahren kalbt, aber trotzdem auf die gleiche Milchleistung (oder sogar noch mehr) kommt weil die Laktationskurven länger gestreckt sind und der Anteil der Trockenstehphasen vor der jeweils nächsten Kalbung - in der sie keine Milch gibt - geringer ist:

Fortsetzung folgt!

Benjamin

Samstag, 6. Juni 2020

Tote Drillinge

Kein schöner Anlass, aber doch mit extremen Seltenheitswert, sodass ich einen Post darüber schreibe.
Heute habe ich meine erste Drillingsgeburt mitbekommen, alle drei Kälber - allesamt weibliche - wurden aber tot geboren.
Rinder sind in der Regel Einzelgeburten, Zwillinge kommen auch vor und sind gar nicht mal so selten. Ich habe mal in meinen Statistiken nachgeschaut und über die Jahre waren ungefähr 4 %, also jede 25. Kalbung eine Zwillingskalbung. Dabei vermehrt bei älteren Kühen: Bei Erstkalbenden unter 2 % und ab der 5. Kalbung um die 6 %.
Für Drillinge kann ich jetzt mangels Fällen keine Zahlen nennen, da es aber so viele Jahre gedauert hat schätze ich es auf eine von 5.000 bis 10.000 Kalbungen. Also 0,01 - 0,02 %.
Totgeburten sind bei Zwillingen schon häufiger, bei Drillingen fast schon üblich. Drillinge allesamt lebend über die ersten Wochen zu kriegen, das gibt dann eine Meldung in der Bauernzeitung und lebende Vierlinge deutschlandweit auch in den allgemeinen Medien, sowas kommt nur alle paar Jahre mal vor.
Bei uns waren sie aber alle drei tot.
Love stand zu ihrer 4. Kalbung an, mit 268 Tragetagen rund anderthalb Wochen vor dem eigentlichen Termin. Das erste Kalb lag schon falsch, nur der Kopf kam raus und die Vorderbeine waren nach hinten umgeschlagen. Meine Kollegin konnte es aber per Hand rausziehen. Weil das so klein war (nur 27 kg später gewogen) machte ich noch einen Kontrollgriff in die Gebärmutter, fühlte aber kein weiteres Kalb. Die müssen extrem tief drin gelegen haben. Nach drei Stunden kam das zweite Kalbe und musste rückwärts rausgezogen werden (Hinterendlage) und wiederum eine Stunde später dann noch das dritte (Steißlage).
Zusammen hatten sie 85 kg. 27, 30 und 28 kg. Vom Gewicht hätte ich spontan Drillinge leichter eingeschätzt; sie kommen damit an leichte Zwillinge heran.
Und gleich drei tote Kälber im Kadaverhaus liegen zu haben ist wirklich nicht schön...

Benjamin

Nachtrag:
Die Drillinge waren natürlich das Thema und da haben wir am Sonntag in der Frühstückspause mal recherchiert.
An lebende Vierlinge kann ich mich mal Ende der 1990er in Schleswig-Holstein erinnern, das war damals eine Rotbunte mit drei Färsen- und einem Bullenkalb. Aber es gab auch gerade vor zwei Wochen wieder welche in Baden-Württemberg: --> siehe hier
Die Pressesprecherin des Landesbauernverbands nennt da eine Wahrscheinlichkeit von einer von elf Millionen Kalbungen. In der Größenordnung hätte ich es auch eingeschätzt, zwischen 10 und 20 Millionen bei ca. 4 Millionen Kalbungen in Deutschland pro Jahr und alle paar Jahre mal.
Fünflinge gabe es mal 2011 auf der Agrofarm Lüssow, drei lebend und zwei tot: --> siehe hier
Und lebende Fünflinge 2013 in Baden-Würtemberg: --> siehe hier
Unser Tierarzt meinte, dass er noch nie lebende Drillinge hatte und ich darauf, dass das bestimmt so wahrscheinlich wie eine 10-Tonner-Kuh (10.000 kg Fett + Eiweiß Lebensleistung) ist. "Hier vielleicht, in Iden nicht." "Da ist das noch seltener als eine 200.000-Liter-Kuh." (vergleiche Post vom 05.09.2018)

Donnerstag, 4. Juni 2020

Ad-libitum-Webinar

Heute habe ich am Webinar zur Ad-libitum-Tränke vom Kuhverstand teilgenommen. 
Kuhverstand (--> Internetseite) ist das Unternehmen von Christian Völkner; am besten kann man es als Beratung im digitalen Zeitalter beschreiben. Neben dem Kuhverstand-Podcast gibt es unter anderem auch die Webinare zu verschiedenen Themen.

Mit Webinaren hatte ich noch gar keine Erfahrung, um Videokonferenzen bin ich in den letzten Monaten auch drum herum gekommen, Homeoffice geht nun mal im Kuhstall nicht.
War eine sehr produktive Arbeitsatmosphäre, das schätze ich auch sehr, wie ich z.B. unterwegs war beim Herdenmanagerlehrgang bei den Testherdentagungen, auf der Landwirtschaftsakademie usw; wenn die "Kuhmenschen" zusammen sind ist immer ein reger Austausch da.
Es war ein Dutzend Teilnehmer, bis nach Tirol und mit unterschiedlichstem Stand bei der ad-libitum-Tränke; da gehörte ich zu den Fortgeschrittenen.

Referentin war Konstanze aus der Nähe von Rendsburg, die seit 2011 mit ad-libitum-Tränke arbeitet, ein großer Fan davon ist und über die Jahre viele Erfahrungen gesammelt und vor allem optimiert hat. Sowohl die Ansätze als auch die Ergebnisse waren sehr interessant und beeindruckend.
Ihr Hauptgrund ist die Arbeitszeiteinsparung, weil die ad-libitum getränkten Kälber gesünder sind und daher weniger Betreuung brauchen. Die anderen Sachen sind eher nachrangig, wo auch der Spaßfaktor dazu zählt den muntere, frohwüchsige Kälber bieten.

Die Kälber sind drei Wochen lang in Iglus und bekommen täglich 14 Liter. Zuchtkälber alleine, Mastkälber je nach Iglusgröße zu zweit oder zu dritt. Die Zuchtkälber deshalb alleine weil da viele so enge Freundschaften fürs Leben geschlossen haben, dass sie sich dann gegenseitig leernuckeln. Das habe ich auch von anderen Leute schon gehört.
Von drei Wochen Alter sind die Kälber dann am Tränkeautomat, wo sie ebenfalls 14 Liter bekommen. Das ist dann Vollmilch mit zusätzlichen 30 g Milchpulver pro Liter. Von 50 bis 105 Tagen Alter werden sie langsam abgetränkt.

Durchschnittlich werden 1.098 g Tageszunahmen erreicht. Nach oben geht es schon Richtung Mastbullenniveau. Mit dreieinhalb Monaten 190 kg! (1.405 g/Tag). Oder nach drei Wochen schon über 70 kg. Das sind die Kälber die ich als "unhandlich" bezeichne.

Was auch schon von anderen Betrieben übernommen wurde ist die "Ad-libitum-Ampel" zur Dokumentation der aufgenommenen Tränkemenge zwischen den Mitarbeitern. Das ist schnell und übersichtlich notiert und ist eine gute Frühwarnung für aufziehende Krankheiten. 
Von den 7 l Tränkemenge:
- weniger als 2 l Rest = grün
- 2 - 5 l Rest = gelb
- mehr als 5 l Rest = rot 

Für mich dazu gelernt habe ist die Sicherstellung der Wasserversorgung, mehrmals am Tag das Wasser austauschen und vom Geburtstag an, noch vor dem Milcheimer. Damit lernen die Kälber schnell ihren Flüssigkeitsbedarf zu Regeln und dehydrieren bei Durchfall nicht.
Der Tränkeautomat ist in der Portionsgröße auf 5,5 Liter beschrä;nkt, dass die in der Eimertränke ad-libitum gewöhnten Kälber im Saufen nicht abgewürgt werden und dann nicht wieder kommen, also den Umstellungsstress nicht mit machen müssen.

Das Webinar war kurzweilig und lehrreich; mal sehen wenn wieder was angeboten wird das mir zusagt.

Als Symbolbild noch ein besonders sattes Ad-libitum-Kalb, das war bei Sebastian in Gressow:

Benjamin