Freitag, 22. September 2023

Milchdichte

Mal nicht über Kuhblog-Statistik sondern Kuh-Statistik. Mit Milchdichte meine ich nicht die physikalische Dichte von Milch (ca. 1,03 g/cm³) sondern Milchproduktion auf die jeweilige Landfläche bezogen.

Letztens habe ich einen Podcast von TopAgrar gehört und da wurde gesagt Wisconsin wäre der milchreichste Bundesstaat der USA. Schlechter Journalismus, weil das stimmt gar nicht. Das war vielleicht mal vor langer Zeit so, aber ich kenne nur Kalifornien als Bundesstaat mit der höchsten Milchproduktion. Aber das verbindet man mehr mit Hollywood und Silicon Valley und wenn Landwirtschaft mit Obst- und Weinbau. Dabei hat Kalifornien eine Milchproduktion vergleichbar mit Neuseeland. An dritter Stelle kommt Idaho, vor neun Jahren als ich dort auf Exkursion war überraschte das auch, weil man Idaho mit Kartoffelanbau verbindet. Da steht sogar "famous potatoes" auf den Kennzeichen. Und Wisconsin als "dairy state" und der jährlichen World Dairy Expo, da gibt es halt wirklich nichts anderes als Milchvieh. Auch wenn dieser Eindruck verzerrt ist.

Es gibt so schöne Übersichtsgrafiken, die alle paar Jahre von Progressive Dairy, quasi der amerikanischen Elite, veröffentlicht werden (-> Link). Mit der Fülle an Informationen kann ich mich stundenlang beschäftigen. Daraus die Daten für den Vergleich zu Deutschland. Die Kühe pro Einwohner habe ich reziprok in Einwohner pro Kuh umgerechnet. Alles auf die gesamte Landfläche bezogen, der Anteil der Landwirtschaftlichen Nutzfläche unterscheidet sich gar nicht so viel: In Deutschland 46 %, in den USA 43 %.

1. Kalifornien, 1.722.000 Kühe; 18,97 Mio. kg Milch; 39.538.000 Einwohner; 423.970 km²
    44.744 kg Milch/km²; 4,06 Kühe/km²; 480 kg Milch/Einwohner; 23,0 Einwohner/Kuh

2. Wisconsin, 1.272.000 Kühe; 14,47 Mio. t Milch; 5.894.000 Einwohner; 169.639 km²
    85.299 kg Milch/km²; 7,5 Kühe/km²; 2.455 kg Milch/Einwohner; 4,63 Einwohner/Kuh

3. Idaho, 656.000 Kühe; 7,55 Mio. t Milch; 1.839.000 Einwohner; 216.466 km²
    34.878 kg Milch/km²; 3,03 Kühe/km²; 4.105 kg Milch/Einwohner; 2,8 Einwohner/Kuh

4. Texas, 646.000 Kühe, 7,5 Mio. t Milch; 29.146.000 Einwohner; 695.621 km²
    10.782 kg Milch/km²; 0,93 Kühe/km²; 257 kg Milch/Einwohner; 45,12 Einwohner/Kuh

5. New York, 624.000 Kühe; 7,11 Mio. t Milch; 20.216.000 Einwohner; 149.299 km²
    47.623 kg Milch/km²; 4,18 Kühe/km²; 352 kg Milch/Einwohner; 32,4 Einwohner/Kuh

USA gesamt: 9.402.000 Kühe; 102,81 Mio. t Milch; 333.288.000 Einwohner; 9.525.067 km²
    10.794 kg Milch/km²; 0,99 Kühe/km²; 308 kg Milch/Einwohner; 35,4 Einwohner/Kuh

Zum Vergleich Deutschland:

1. Bayern, 1.071.000 Kühe; 8,11 Mio. t Milch; 13.369.000 Einwohner; 70.542 km²
   114.967 kg/km²; 15,18 Kühe/km²; 607 kg Milch/Einwohner; 12,5 Einwohner/Kuh

2. Niedersachsen, 799.000 Kühe; 7,21 Mio. t Milch; 8.140.000 Einwohner; 47.710 km²
   151.121 kg Milch/km²; 16,75 Kühe/km²; 886 kg Milch/Einwohner; 10,19 Einwohner/Kuh

3. Nordrhein-Westfalen, 379.000 Kühe; 3,61 Mio. t Milch; 18.139.000 Einwohner; 34.110 km²
   105.834 kg Milch/km²; 11,11 Kühe/km²; 199 kg Milch/Einwohner; 47,86 Einwohner/Kuh

4. Schleswig-Holstein, 351.000 Kühe; 3,08 Mio. t Milch; 2.953.000 Einwohner; 15.800 km²
   194.937 kg Milch/km²; 22,22 Kühe/km²; 1.043 kg Milch/Einwohner; 8,41 Einwohner/Kuh

Die NBL zusammen, 630.000 Kühe; 6,25 Mio. t Milch; 16.653.000 Einwohner; 105.861 km²
    59.040 kg/km²; 5,95 Kühe/km²; 375 kg Milch/Einwohner; 26,43 Einwohner/Kuh

Deutschland gesamt, 3.755.000 Kühe; 32,53 Mio. t Milch; 84.359.000 Einwohner; 357.588 km²
    90.971 kg Milch/km²; 10,5 Kühe/km²; 386 kg Milch/Einwohner; 22,47 Einwohner/Kuh

Auf die Fläche bezogen rangiert da Wisconsin auf dem Niveau von Deutschland gesamt.
Die Unterschiede sind in der Ausrichtung der Landwirtschaft bedingt: In den USA kommen auf 406 Mio. Hektar 93 Mio Rinder, davon sind 10 % Milchkühe, in Deutschland auf knapp 17 Mio Hektar 11 Mio. Rinder, davon sind 35 % Milchkühe. In den USA macht die Milch 10 % der landwirtschaftlichen Produktion aus, in Deutschland um die 25 %.

Benjamin

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Donnerstag, 14. September 2023

Mythos Eiweißlücke - Teil 2

Zum Eiweißertrag pro Hektar habe ich mit Ertragsdaten vom Statistischen Bundesamt und dem BMEL sowie den Eiweißgehalten aus der Gruber Tabelle der LfL berechnet:
 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Da liegt Soja auch unter deutschen Bedingungen bei den Druschfrüchten ganz vorne.
Wovon ich keine Ertragsdaten habe sind Ackerfutter (Ackergräser, Klee, Luzerne); da könnten dann schon 1.500 - 2.00 kg Protein/ha stehen.

Woher die typische Brandenburger Milchkuh (melkend) ihr Eiweiß bekommt. Von importiertem Soja und Raps kommt man so auf 20 % der Gesamtmenge. Bei Trockenstehern und Jungvieh kommt fast alles aus dem Grundfutter:
 


 


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Benjamin

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Samstag, 9. September 2023

Mythos Eiweißlücke - Teil 1

Letztens hatte ich eine Diskussion über den Eiweißertrag, dass Protigrain einen höheren Eiweißertrag pro ha hätte als Soja. Dem habe ich zugestimmt; obwohl es gar nicht stimmt, wie ich später nachgerechnet habe. Weil ich den Durchschnittsertrag von Weizen überschätzt und von Soja unterschätzt hatte.

Protigrain bleibt bei der Produktion von Bioethanol aus Getreide - Weizen, Gerste, Roggen, Mais - übrig. Die Stärke wird von der Hefe in Ethanol und CO2 umgewandelt, übrig bleiben Faser und Eiweiß. Das Eiweiß wurde von den Hefen zwar größtenteils umgebaut, aber neues können sie keines produzieren. 
Also was auf einem Hektar Weizen, dem am meisten dafür verwendeten Getreide, an Eiweiß wächst findet sich dann im Protigrain wieder:
 
75 dt/ha (Durchschnittsertrag Weizen) x 12,1 % Eiweiß = 908 kg/ha Eiweiß

zum Vergleich Sojabohnen:

25 dt/ha (Durchschnittsertrag Soja) x 37,4 % Eiweiß = 935 kg/ha Eiweiß

Es ging dann weiter zur Eiweißlücke, einem grünen Märchen, dass die Nutztiere in Deutschland ausschließlich Sojaschrot fressen, der aus Brasilien importiert und dafür Regenwald abgeholzt wird. Dass das nicht stimmen kann merkte man ja letztes Jahr, als die Tiere nur noch Brotweizen gefressen haben sollen...
Es gibt diese Eiweißlücke schon ein Stück weit, wobei man sich schon fragen muss warum Exporte und Importe im Agrarbereich schlimm sein sollen, bei Erdöl, Erdgas und Autos aber nicht.
 
Im Studium haben wir das mal ausgerechnet, die Zahlen sind zwar mittlerweile 15 Jahre alt, an die Zahlen kann ich mich nur noch halbwegs erinnern, aber so viel hat sich auch nicht daran geändert.
Mit Abstand wichtigstes Eiweißfutter ist Gras, dann Maissilage, große Mengen kommen auch aus dem Getreide, weitere Nebenprodukte (Protigrain, Biertreber, Rübenschnitzel), alles bei dem die Kohlenhydrate genutzt werden und Eiweiß übrig bleibt.
Importiertes Eiweiß ist zum Schluss dann so 20 %.

Recht einfach sind die Grundfuttermittel:

28 Mio. Trockenmasse Gras x 14 % Eiweiß = 2,9 Mio. t Eiweiß
 
19 Mio. Trockenmasse Maissilage x 8,2 % Eiweiß = 1,5 Mio. t Eiweiß

dagegen mit den Zahlen vom OVID die klassischen Eiweißfuttermittel:
 
Sojachrot 3,2 Mio. t, sowohl Import von Sojabohnen als auch Sojaschrot; wobei 2/3 des in Deutschland gepressten Sojaschrots wieder exportiert wird. 40 % der Gesamtmenge stammt aus Brasilien.
 
3,2 Mio t Sojaschrot x 44 % Eiweiß = 1,4 Mio. t Eiweiß
 
Rapsschrot 4,1 Mio. t; etwas über die Hälfte des in Deutschland verarbeiteten Raps wird importiert, bilanziell ein Drittel des Rapsschrots exportiert.
 
4,1 Mio. t Rapsschrot x 34,4 % Eiweiß = 1,4 Mio. t Eiweiß; davon bilanziell 0,6 Mio. t Import.
 
Zu Getreide und Nebenproduktn habe ich jetzt keine Zahlen, schätze ich mal auf 3 Mio. t, bilanziell kein Import.
 
Fleisch und Milch werden dann zu einem Teil exportiert und das ist dann die Veredlung.
 
Fortsetzung folgt!
 
Benjamin
 
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Mittwoch, 6. September 2023

Neumühle 1/2023

Am vergangenen Sonntag war ich mal wieder auf meinem Stammbetrieb LVAV Hofgut Neumühle.
Als nächstes steht dort die Maisernte an, normalerweise ist das meist Mitte September. Ob dieses Jahr die Maissilage bis zum Durchsilieren der neuen Ernte reicht kann ich nicht einschätzen. Es kam schon vor dass das nicht der Fall war und bei manchen Betrieben in Rheinland-Pfalz ist das prinzipiell so. 
 
Frühstück einer der Versuchsgruppen an den frisch gefüllten Wiegetrögen. Die werden morgens ausgekippt und dann frisch gefüttert. Dafür muss es auch immer ein Futtermischwagen mit Förderband sein. Ein Rückwiegen des Restfutters erübrigt sich mit den Wiegetrögen, da erfolgt es kuhindividuell:
 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Eine Neuerung ist die LED-Beleuchtung im Stall. Vorher waren es die orangen Natriumdampflampen, gut zu erkennen auf dem 2. Foto im Post vom 29.12.2013. Die Energieeinsparung ist trotzdem sinnvoll, auch wenn auf dem Dach die Photovoltaikanlage mit geschätzten 500 kW Leistung ist. Auch vorher war es damit schon ein Plus-Energie-Stall:
 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Eine weitere Neuerung ist das zweite Milchtaxi. Bisher war es ein Holm&Laue Milchtaxi 4.0 mit 80 l, jetzt ist ein Urban MilkShuttle 100 l hinzugekommen. Steht die Milchkammer gut voll und Betriebe mit zweien kenne ich nicht viele.
 
Benjamin
 
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