Mittwoch, 31. März 2021

Abkalbebox - Teil 2

Als zweiter Teil über die Abkalbeboxen ein Beispiel aus der Praxis, das mir bisher am besten gefallen hat.  Damals habe ich eine Skizze des Grundrisses gemalt.:
















Am Futterband entlang liegt eine Vakuumleitung zum Kolostrummelken mit der Eimermelkmaschine und ganz komfortabel eine Wasserleitung die auf 40 Grad eingestellt ist. Da kann dann direkt in der Buchte mit einem kurzen Schlauchstück Kuhtrank angerührt werden. Oder die Kuh gedrencht, ohne Anstrengung quasi "vollaufen" lassen.

Ein Foto habe ich doch noch gefunden. Wie man sieht in einer 1930er Anlage, also eine Umbaulösung, z.B. ist die Buchtenbreite durch den Pfeilerabstand vorgegeben. Das ist am ersten Futterband, wo früher der Abkalbestall in Anbindung war und dahinter die Zimmer mit den Kälberboxen. Da ja bei uns Anbindehaltung seit Jahrzehnten out ist gibt es keine der Anlagen wo das noch original ist und die jeweiligen Umbaulösungen sind immer das Interessanteste wo der Rest des Stalls fast immer noch identisch.

Gruß an Martin!

Benjamin


 

Montag, 29. März 2021

Abkalbebox - Teil 1

Letztens gab es einen auf den Kuhblog weitergeleiteten Suchbegriff "Pläne Abkalbebox". Da bin ich natürlich wieder sehr darauf aus die Interessen der Leser des Kuhblogs zu bedienen. Vorneweg kann ich gleich sagen, dass ich keine Pläne zum Bau der perfekten Abkalbebox in der Schublade habe. Aber: Ich habe schon über 100 Milchviehbetriebe gesehen, Kuhställe ist da eher ein unpassender Begriff weil die meisten Betriebe hier in den NBL mehrere Ställe haben, mit den verschiedensten Verfahrensweisen. Mehrere tausende Abkalbungen habe ich schon miterlebt und in unterschiedlichen Abkalbeboxen Erstversorgung von Kuh und Kalb vorgenommen oder Geburtshilfe geleistet.
Daher habe ich mir Gedanken gemacht, was ich empfehlen würde oder wovon abraten und welche Punkte zu beachten sind.

Klar sind Abkalbeboxen eine super Nutzungsmöglichkeit für bestehende Altgebäude, aber bei einer Umbaulösung sollte man nicht zu viele Kompromisse eingehen. Einwände wie "bei unseren paar Abkalbungen pro Woche lohnt sich das doch gar nicht" lasse ich da nicht  gelten, denn eine gelungene Abkalbung ist der Grundstein für ein gut entwickeltes Kalb und ein guter Start für die Kuh in die Laktation. Als krasses Gegenbeispiel: Lohnt sich ein gut ausgestatteter Traktor eines "Premiumherstellers" für 400 bis 500 Betriebsstunden im Jahr? Wenn man sich die Traktor-Bundesliga mal ankuckt für die Meisten ganz klar...

Erstmal Sonderlösungen in Sachen Abkalbebox. Abkalbung im Boxenlaufstall, kenne ich Betriebe die das in großem Stil machen. Ein Vorteil ist, dass die Kuh nicht "mit dem Arsch zur Wand" liegen kann und das Kalb auf den Gang fällt. Nachteile sind Spaltenboden zwingend erforderlich, weil Schieber da viel zu gefährlich sind. Die Kuh kann sich nicht so gut ausstrecken, der enorme Aufwand das für Abkalbungen hygienisch genug zu halten und der
Platzbedarf, nicht mehr als so 50 % belegt.
Dann die Weidekalbung, wie es Jeff im Sommerhalbjahr macht (siehe Post vom 09.07.2019).
Vorteile sind der Platz, die Bewegungsfreiheit und die kalbende Kuh kann sich von der
Gruppe leichter absondern. Nachteile sind die Wettereinflüsse, der Bedarf an einer zusätzlichen Winterabkalbebox und für Geburtshilfe umständlichere Fixierung.
 
Einzel- oder Gruppenbox? In Einzelboxen sind die Kühe für sich alleine und können von den anderen nicht gestört werden. In eine Einzelbox passt keine zweite Kuh dazu, mit einer Gruppenbox ist man von der Belegung her flexibler bei Abkalbespitzen. Die Gruppenbox ist wegen den mehreren Plätzen darin natürlich größer was einem mehr Platz für Geburtshilfe usw. gibt.

Zweitnutzung: Generell keine! Nicht als Krankenbuchte, Frischabkalber usw. Das nimmt nur Platz weg und bringt Unruhe rein, wenn die zum Melken geholt werden. Für solche Kühe sollte es einen extra Stohbereich geben.

Position im Stall: In Sichtweite zu anderen Gruppen, dass sich die Kühe in der Nähe ihrer Herde wissen. Für das Personal sollte es leicht einzusehen sein, um den Geburtsfortschritt kontrollieren zu können ohne die Kuh zu stören. Was ich noch nie in der Praxis gesehen habe aber eine Überlegung wert wäre ist die Verkleidung einer Ecke der Box als Rückzugsort zur eigentlichen Kalbung, quasi der Waldrand des Wildrinds. Das wurde erfolgreich bei Versuchen der University of British Columbia getestet.
 
Platzbedarf: Faustzahl sind für ein Einzelbox 12 m², in Gruppenboxen 8 m² pro Kuh. Dann kommt es darauf an, wann die Kühe in die Abkalbebox kommen. Als das eine Extrem die Just-in-time-Abkalbung wenn die Klauenspitzen schon rausgucken. Das sehe ich nur für sehr große Betriebe machbar, wenn rund um die Uhr im Halbstundentakt die Transitgruppe kontrolliert werden muss. Das Gegenteil ist eine Gruppenbox in der die Kühe die gesamte Vorbereitungszeit sind und dann auch darin kalben.Und verschiedenste Stufen dazwischen.
Bei der Anzahl der verfügbaren Plätze darf nicht von der durchschnittlichen Anzahl an Abkalbungen ausgegangen werden, denn dann ist es die Hälfte der Zeit überbelegt. Daher einen Zuschlag einplanen für Abkalbespitzen. Meist werden im Sommer bei Hitzestress nicht so viele Kühe tragend und dann dafür im Herbst wieder mehr, quasi die "Aufgeschobenen". Dann sind 9 Monate später im Frühjahr weniger Abkalbungen und im Sommer mehr.
 
Einstreu: Am gängigsten ist komplett Tiefstreu in einem Einraumstall. Zweiraum mit einem Fressbereich gibt es auch, dann natürlich als Gruppenbox, bei einer Einzelbox bleibt sonst kaum noch Liegebereich übrig. Schieberenmistung ist im gegensatz zum Kalben im Boxenlaufstall kein Problem, weil die Kühe dann im Liegebereich kalben und nicht auf die Schieberbahn. Es gibt auch Abkalbeboxen mit Gummimatten, die sind deutlich leichter sauber zu machen, brauchen aber auch etwas Einstreu wie z.B. Strohmehl zum Binden von Feuchtigkeit sonst wird es rutschig.
 
Boden: Ein leichtes Gefälle braucht es, dass Urin/Jauche abfließen kann. Aber nur ganz leicht, wenn es zu steil wird kann eine Kuh möglicherweise nicht mehr hoch kommen, wenn sie auf der falschen Seite über ihren Schwerpunkt liegt. Bei Tiefstreu auf dem Boden Rauten eingefräst oder mit Besenstrich, dass die Kühe beim Aufstehen durch die (frische) Matte Griff haben und nicht wegrutschen.
 
Rein-Raus: Es kommt der Hygiene sehr zugute wenn die Boxen nach dem Rein-Raus-Prinzip bewirtschaftet werden oder zumindest regelmäßig komplett "leerkalben" gelassen werden, dass sie gründlich saubergemacht und nicht nur ausgemistet werden können. Dafür sollten die Boxen für das Ausmisten separat befahrbar sein und auch mit Schwellen voneinander getrennt, dass kein Wasser in die Nachbarbox fließen kann.
 
Tränken: Im Winter dieses Jahr hat es sich mal wieder bestätigt, dass die Tränken in der Abkalbebox aufgrund des geringen Wasserdurchsatzes schneller einfrieren, besonders die Schalen/Zungentränken oder "Pisstränken" wie ich als wegen des meist bescheidenen Wasserflusses dazu sage. Thermotränken eignen sich da gut dafür, habe ich in mehreren modernen Abkalbeställen gesehen, wo zwei Gruppenboxen nebeneinander eine sich zusammen teilen.
 
Fixiermöglichkeiten: In jeder Box einen sicheren Fangplatz für Geburtshilfe, Kolostrum melken usw. Die Luxusvariante dafür hat die Double A Dairy (siehe auch Post vom 02.11.2014). Da kalben aber auch um die 40 Kühe täglich. Wobei ich auch einen Betrieb in Deutschland kenne, der einen Erstversorgungsbereich hat mit einem Fangstand, Kälberwaage, Schreibpult für die Ohrmarkenvergabe und mehr.
Es gibt spezielle Fangplätze für Abkalbeboxen, wie die Cuddle-Box von Spinder (siehe auch Post vom 23.11.2016). Wo ich mittlerweile dem System nicht mehr kritisch gegenüberstehe wie damals. Von Jourdain gibt es auch ein ähnliches System, hat z.B. mein Stammbetrieb Hofgut Neumühle.
 
Melkmaschine: Da Kolostrum zeitnah nach der Kalbung ermolken werden soll weil es sonst durch die weitere gebildete Milch schnell verdünnt wird, sollte das noch in der Abkalbebox möglich sein. Dass man nicht auf die Melkzeiten angewiesen ist die Kuh da mit zu schicken. Öfters gibt es Eimer- oder Rohrmelkanlagen. Finde ich einen zu hohen Aufwand für die wenigen Melkungen dann. Im alten Neumühler Kuhstall war es noch vertretbar, da lag die Abkalbebuchte direkt neben dem Maschinenraum und die normale Vakuumpumpe konnte mit einer vielleicht 2 m langen Stichleitung mitbenutzt werden. Ich ziehe da eine Karrenmelkmaschine ("Mobilmelker") vor, die kann man auch für andere Fälle von nicht für den Melkstand geeigneten Kühen einsetzen.
 
Befahrbarkeit: Für mich kommt da nur komplett befahrbar in Frage, nach meiner Devise: Überall wo eine Kuh hinlaufen kann muss ein Hoflader auch hinfahren können (vgl. Post vom 18.06.2015). Wenn man einer Kuh z.B. wieder auf die Beine helfen muss. Und die Kälber wegbringen. Oder beim Ausmisten, dass man das nicht mit Forke und Schubkarre machen muss. Insgesamt um die Arbeit weniger körperlich anstrengend zu gestalten und die Technik nutzen zu können.

Tore: Sich über alle Tore ganz genau Gedanken machen. In welche Richtung die aufgehen sollen, wie die künftigen Wege sind. Am besten bei allen Toren um fast 180 Grad, dass dafür keine Pfosten oder Pfeiler im Weg sind. Und keine ausziebaren Tore, die sind mir ein Graus. Das ist eine Unsitte bei Stallplanern, wahrscheilich weil man sich da nicht groß Gedanken um die Position der Beschläge machen braucht... Aber da quält man sich nach Jahren jedes Mal dran ab, weil durch Staub und Dreck schwergäng oder verbogen, weil mal eine Kuh drauf gesprungen ist.
 
Kameras: In unseren Strukturen mit bezahlten Angestellten und festen Arbeitszeiten unüblich, weil aufwändig zu organisieren wer in den unbesetzten Zeiten dafür zuständig ist und andererseits sind die nicht so lang. Bei Einzelbauern aber deutlich häufiger, meist mit Fernzugriff übers Internet. Mal schnell bei der Ernte auf dem Handy nachschauen ob daheim alles in Ordnung ist. In Zukunft geht es dann in Richtung einer Abkalbeüberwachung mittels Bildanalyse (Gruß an Hubert!).

Außenrum: Fließendes warmes und kaltes Wasser in der Nähe, dass man das nicht weit zu schleppen hat z.B. für den Kuhtrank. Auch Steckdosen. Ordentliche Beleuchtung für die Geburtshilfe mitten in der Nacht. Dokumentationsmöglichkeiten für die Geburtsüberwachung (vgl.Post vom 07.05.2016).
 
Das wurde jetzt ein ziemlich langer Post, daher kommt im nächsten noch ein Beispiel einer sehr gelungenen Abkalbebox.
 
Fortsetzung folgt!
 
Benjamin

Mittwoch, 24. März 2021

Fotos von Mikesch

Bevor es im nächsten Post wieder richtigen Kuhbezug gibt noch mal über das Leben im Stall statt Leben mit Kuh.
 
Von privater Tierhaltung halte ich für mich persönlich nicht so viel. Rinder geht schon mal gar nicht, weil da gibts für mich nur Holsteins und für ordentliches Arbeiten damit ist man ganz schnell in Größenordnungen von über 10.000 Stunden Aufwand im Jahr. Also hauptberuflich wie ich es auch mache.
Bei Katzen habe ich die Haltung von Stallkatzen als passende Lösung gefunden. Klar hauptsächlich zur Schadnagerbekämpfung, aber für mich hat das den Vorteil einer recht unverbindlichen Sache: Jeder ist für sich selbst verantwortlich und man begegnet sich ab und zu oder auch mal öfters. Wenn man dabei eine anhängliche Katze hat ist es natürlich besonders schön.
 
Mikesch hat sich schnell zu meinem Lieblingskater hochgearbeitet, weil schon geradezu aufdringlich. Er ist jetzt anderthalb Jahre alt und nachdem er zunächst fast nur im Kälberstall war streift er mittlerweile über die halbe Anlage. Man kann ihn rufen und er läuft auch mit einem mit. Und auf der Kälberwaage kann man ihn wiegen, entweder alleine oder man nimmt ihn auf den Arm. Der letzte Wert im Februar waren glaube ich 4,6 kg.
 
Fotografieren ist recht schwer, weil er eigentlich nie still hält:



















Und ganz dynamisch, da setzte er an um mir auf die Schulter zu springen:

Benjamin




Sonntag, 21. März 2021

Hausbau - Teil 1

Heute kommt der erste Post einer Serie über den Hausbau in der alten Heimat; ohne Kuhbezug, aber mich privat am meisten beschäftigt. Das Haus (siehe auch Posts vom 13.01.2020 und 05.01.2021) hatte ursprünglich mein Ururgroßvater um 1900 erbauen lassen, meine Mutter ist dort aufgewachsen und hat es vor fünf Jahren geerbt. Da es aber so gravierende Bauschäden hat ist ein Abriss und zeitgemäßer Neubau wirtschaftlicher als eine umfassende Sanierung.
 
Mit der Baugenehmigung hat es sich letztes Jahr verzögert und nun konnte der Abriss Anfang März endlich beginnen. 
Etwas Wehmut hatte ich schon als ich die ersten Fotos davon gesehen habe, schließlich hängen da auch für mich über 20 Jahre schöne Erinnerungen dran. Doch ist es vor allem eine Ersatzhandlung für die ganzen alten Ställe die ich schon mit dem Radlader wegschieben wollte wenn sie mal ausgedient haben... und allesamt noch in Benutzung sind.

In der heutigen Zeit mit Smartphone und Messenger ist man quasi live dabei, obwohl über 500 km entfernt in Brandenburg.

Wenn ich mir die Fotos so ankucke:
Erste Erkenntnis: Ein Haus das aus Backsteinen gebaut ist lässt sich recht einfach abreißen. Damals war Beton noch nicht so verbreitet. Mein Großvater hat später immer sehr großzügig betoniert; ich kann mich an den Abriss des Fundaments eines Maschendrahtzauns (!) 1995 erinnern, das war atombombensicher.
Zweite Erkenntnis: Die Bauschäden kamen jetzt deutlich ans Licht. 
Dritte Erkenntnis: Der gesamte Dachstuhl und die Deckenbalken sind eine Riesenmenge Holz, dafür wird nach 30 Jahren Planung doch ein Kaminhofen für das jetzige Haus angeschafft werden müssen, bisher war alles Altholz immer im Herd des alten Hauses verheizt worden.
Vierte Erkenntnis dabei: Das Pflaster im Hof, das 120 Jahre lang gehalten hat ist der Masse eines Volvo EW180C nicht gewachsen. --> Link zum Nachfolgemodell. Der ist noch mal ein Stück größer als der Fortschritt T188 (siehe auch Post vom 14.02.2015). 

Abrissfortschritt in Fotos:

1. März:




















4. März:




















11. März:




















17. März:




















Fortsetzung folgt! 

Benjamin

Freitag, 19. März 2021

Perle - Teil 12

Mittlerweile wurde Perle in unser K3-Abteil umgestallt. Zur Definition siehe Post vom 05.02.2021. Es handelt sich dabei um einen Zweiraumstall. Diese haben eine Trennung in zwei Räume: Fress- und Liegebereich. Im Fressbereich ist hier Spaltenboden, im Liegebereich Tiefstreu. Daher auch unsere umgangssprachliche Bezeichnung Stroh-Spalte. Gegenüber einem Einraumstall nur mit Tiefstreu spart es Stroh, vor allem am Fressgitter wo die Kälber viel stehen und entsprechend auch hinmachen "versumpft" es dann schneller. Auf der anderen Seite fällt sowohl Festmist als auch Gülle an.

Mit dem Wiegeband vermessen kann ich sie leider nicht, dafür ist sie mir nicht anhänglich genug geworden. Ihr Gewicht schätze ich auf so 145 kg. In ihrer Gruppe gehört sie zu den besser entwickelten Kälber. Aber wie bei den anderen auch ist ihr Fell ziemlich struppig geworden, das haben aber eigentlich alle Kälber in den alten Ställen aus den 1990ern, weil bei denen das Klima nicht ganz so gut ist.

Benjamin
 

 

Samstag, 13. März 2021

Horn absägen

Total Red - ein besonders kreativer Name für eine rotbunte Tableau-Tochter - ist ein Zweihorn. Sie war scheinbar als Kalb bei der Enthornung durchgerutscht. Das war vor meiner Zeit gewesen.
Und von Hörnern halte ich gar nichts, die sind eine züchterische Altlast aus längst vergangenen Zeiten (siehe auch dazu die Posts vom 13.09.2020 und 24.09.2020). Hörner sind eine Gefahr für den Menschen, andere Rinder und für die Rinder auch selber.
 
Ab und zu, aber gar nicht so selten wenn man das auf den geringen Anteil der Kühe mit Hörnern bezieht kommt es vor, dass die Hörner so krumm wachsen und in den Kopf hineinwachsen zu drohen. Das ist irgendwie ein Schlupfloch in der natürlichen Selektion, denn bis die Kuh an ihren eigenen Hörnern sterben würde hat sie schon eine handvoll Nachkommen.
 
Bei Total Red war es nur das linke Horn fast senkrecht nach unten wuchs und knapp über dem Auge vor dem Einwachsen stand. Ihr rechtes Horn wächst waagrecht.
Das Horn wurde mit einem Sägedraht abgesägt, für den ist das Horn überhaupt kein Problem, beim Fetotom geht der auch durch Knochen (vgl. Post vom 26.08.2019). Die Hörner bestehen aus einem knöcheren Hornzapfen der aus dem Schädel wächst und darauf wächst vergleichbar mit einem Fingernagel das eigentliche Horn. Wenn Kühe sich die Hörner abstoßen ist wie das Abreißen eines Fingernagels. Die Hornspitze abzusägen ist dann wie das Nägelschneiden. Wenn das Horn mit dem Hornzapfen abbricht (siehe auch Post vom 20.02.2017) ist das eine größere Geschichte und nach dem Absägen muss die Blutung durch Veröden der Wunde gestoppt werden.
 
Benjamin 
 

 

Donnerstag, 11. März 2021

DCAB - Teil 2

Die Beachtung und Berechnung des DCABs für melkende Kühe ist noch nicht so lange ein Thema und auch nicht so breit in der Praxis vertreten. Erstmals hatte ich vor drei Jahren auf dem Herdenmanagerlehrgang zu tun (siehe Post vom 28.01.2018) und unter den Kuhblog-Lesern gibt es auch dafür Experten von denen ich einges gelernt habe (Liebe Grüße!).

Bei einem niedrigen DCAB kommen die Kühe in eine metabolische Acidose, der ganze Körper ist zu sauer. Das beeinträchtigt verschiedenste Prozesse im Körper, die Kühe "laufen nicht rund". Die "klassische" Acidose dagegen ist die Pansenacidose, wenn es bei der Verdauung zu sauer wird (Propionat-Weg) und der pH-Wert im Pansen zu stark sinkt.
Die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Thematik sind noch nicht so umfangreich und es braucht dafür auch weitere Versuche. Mit abnehmendem DCAB konnten bisher zwar keine unmittelbare Schäden nachgewiesen werden, aber vor allem die Leistung sinkt.

Für melkende Kühe sollte der DCAB über +100 meq, besser +150 meq liegen. Und das kann mittlerweile schwierig werden mit der verbreiteten GVO-freien Fütterung. Sojaextraktionsschrot erhöht den DCAB, Rapsextraktionsschrot dagegen hat wegen dem hohen Schwefelgehalt einem meist negativen DCAB und senkt ihn in der Gesamtration. 
Bei unseren typischen Rationen hier im Nordosten mit mehr Maissilage und weniger Grassilage kann es dann schon mal schwer werden überhaupt über die +100 meq zu kommen.
Mit Natriumbicarbonat als Puffer - nicht nur gegen Pansenacidose - lässt sich der DCAB anheben oder auch mit Melasse.

Ganz wichtig ist auch hier wieder die Analyse der Silagen auf die Mineralstoffe, denn Boden, Pflanzenalter und die Düngung bedingen einen extrem hohe Schwankungsbreite, sodass man mit Tabellenwerten nicht rechnen kann.

Die Beachtung des DCABs ist ein weiterer Baustein in der Rationsberechnung um die Kühe bedarfsgerechter zu füttern und zwar beim Verhältnis der Mineralstoffe zueinander.

Benjamin

Sonntag, 7. März 2021

DCAB - Teil 1

Der DCAB und die Fütterung von sauren Salzen an Transitkühe war mir rein vom Begriff her aus dem Studium bekannt, näher behandelt wurde es dort aber nicht. Das war damals in Rheinland-Pfalz auch nicht so von Bedeutung. Daher war das für mich auch lange Zeit was für die absoluten Profis in den oberen Leistungsklassen. Aber seit ich in der Kuhbranche bin ist in Brandenburg die Milchleistung um über 1.000 kg pro Jahr gestiegen und damit nimmt die Bedeutung zu.
 
Die calciumreduzierte Fütterung wird schwieriger umzusetzen, da die Kühe mehr fressen, was sie auch sollen für eine gute Energieversorgung um nicht schon vor der Kalbung in eine Ketose zu rutschen. Der Calciumgehalt im Futter kann aber nicht beliebig abgesenkt werden um die Gesamt-Calciumaufnahme niedrig zu halten. 

Daher ist es zunehmend wichtiger den DCAB zu beachten. Wie der ausgeschriebene englische Namen Dietary Cation Anion Balance beschreibt ist es das Verhältnis von Kationen zu Anionen. Es sind nur die starken Kationen und Anionen von Bedeutung:
Natrium
Kalium
Chlor
Schwefel

Das ist die Formel, in der die Gehalte in g pro kg Trockenmasse eingesetzt werden:

meq = 43,5 x Na + 25,6 x K - 28,2 x Cl - 62,3 x S

meq bedeutet Milliäquivalent und ist dann in der weiteren Verwendung nur noch eine Zahl wie z.B. der RNB auch.

Gras, Klee, Luzerne und Heue haben hohe DCAB, Maissilage und Stroh weniger, Getreide um die 0, Pressschnitzel und Biertreber negativ, Raps wegen dem hohen Schwefelgehalt noch negativer, Soja dagegen wegen dem Kaliumgehalt wiederum deutlich positiv.
Die Tabellenwerte sind jedoch wenig hilfreich, da durch Standort, Witterung und Düngung die Ionengehalte extrem schwanken können. Daher sind Mineralstoffanalysen der Silagen oder Rationen nötig.
Die Berechnung des DCAB ist auch nur für die grobe Richtung, die weitere Einstellung muss über das Fütterungscontrolling erfolgen.

Für die Transitfütterung ist der DCAB auf + 100 bis + 200 meq einzustellen, besser um die + 130 bis + 150 um nicht zu schnell in den Grenzbereich zu kommen. Durch die saurere Fütterung sinkt der pH-Wert im Körper und Calcium (Ca2+) wird aus den Knochen ausgelagert und gleichzeitig mehr Calcium aus dem Futter aufgenommen. Also der gleiche Effekt wie bei der calciumarmen Fütterung, aber es kann und muss sogar mehr Calcium gefüttert werden weil die Nieren auch viel aus dem Blut in den Harn ausscheiden. Da ist es quasi Durchfluss-Calcium.

Vom Futter her sind solche Futtermittel auszuwählen, dass der DCAB sinkt. Meist wird grasarm gefüttert, weil man sonst wegen der hohen Kaliumgehalte schwer unter die +200 meq kommt. Grassilage ist meist kaliumreich da Grünland überwiegend mit Gülle gedüngt wird und die Kühe viel Grassilage bekommen und es sich dann mit der Zeit in diesem Kreislauf angereichert hat. Von der Empfehlung speziell dafür kaliumarme Grassilage von extensiv geführten Flächen zu produzieren halte ich nicht viel, weil das ein weiteres Futtermittel für die Pflanzenproduktion ist und bei Kleinbetrieben dann ein unverhältnismäßig hoher Aufwand.
 
Der DCAB-Bereich von 0 bis +100 meq soll gar nicht funktionieren. Ich vermute, dass ich damals vor der Nachtschicht (siehe auch Post vom 25.12.2013) mit der Ration aus Maissilage, Grassilage, Stroh und Rapsschrot genau in diesen Bereich geraten war.
Weiter runter zwischen - 100 und 0 meq ist dann die Fütterung mit sauren Salzen. Das sind Sulfat- oder Chloridsalze mit meq um die -10.000 pro kg. Da ist ein noch engmaschigeres Controlling nötig um Fehldosierungen zu vermeiden, denn Überdosierung vermindern die Futteraufnahme weil meist schlecht schmeckt und die Kühe zu sauer werden und den Appetit verlieren. 
Und es muss mehr Calcium gefüttert werden, weil sich das "Durchfluss-Calcium" erhöht.
Die Einstellung der sauren Salze wird am Harn überprüft, am besten 1-2x wöchentlich. Recht einfach mit dem pH-Wert, der um die 7 liegen sollte oder noch aussagekräftiger mit Laboranalysen zur NSBA (Netto-Säure-Basen-Ausscheidung) oder der Calciumausscheidung, dem "durchgeflossenen" Calcium.

Die Arbeit mit sauren Salzen erfordert ein hohes Niveau in der Fütterung bietet aber eine gute Möglichkeit insbesondere subklinisches Milchfieber und die damit verbunden Gesundheitsprobleme stärker zurückzudrängen.

Benjamin

Montag, 1. März 2021

Milchfieber

In letzter Zeit habe ich mich vermehrt mit dem DCAB (Dietary Cation Anion Balance) beschäftigt; mehr theoretisch, die praktische Umsetzung in der Fütterung ist eher ein mittelfristiges Projekt.
Da ich dazu im Kuhblog zwei Posts schreiben wollte kommt ein dritter noch dazu, denn nicht alle Kuhblogleser haben aus dem Stehgreif die ganzen Zusammenhänge parat wenn ich mit "Milchfieberprophylaxe" anfange.

Milchfieber ist eine Erkrankung die bei Kühen unmittelbar nach der Abkalbung auftreten kann, daher auch der präzisere Begriff Gebärparese. 
Grund dafür ist ein zu niedriger Calciumspiegel im Blut. Die Muskelfilamente brauchen für ihre Bewegungen bei der Muskelkontraktion auf molukularer Ebene Calcium. Das betrifft alle Muskeln. Wenn nach der Kalbung bei einer Kuh die Milchbildung beginnt erhöht sich sprunghaft der Calciumbedarf. Für die 5 - 10 Liter Kolostrum hatte sie über zwei Wochen Zeit, nach der Kalbung stellt der Körper aber auf zunächst so 30 Liter täglich um. Der Calciumbedarf steigt in der Größenordnung von 40 auf 110 g pro Tag. Auch wenn man calciumreich füttert (Futterkalk) kann sich der Körper nicht schnell genug auf den geänderten Bedarf einstellen und genügend Calcium aus dem Futter absorbieren. Für die Milchbildung wird das Calcium aus dem Blut entnommen bis zu wenig für die Muskeltätigkeit vorhanden ist. Als erstes sind die Muskeln der Beine betroffen und die Kuh fängt an zu schwanken und kann sich nicht mehr auf den Beinen halten bzw. wenn sie liegt nicht mehr aufstehen. Das ist dann das Festliegen, wenn es länger andauert sind zunehmend auch andere Muskeln betroffen bis hin zum Herzmuskel. Unbehandelt ist die Sterblichkeit extrem hoch.
Für das Festluegen gibt es auch andere Ursachen, aber Milchfieber ist die häufigste. 
Behandelt wird es mit einer Infusion von Calcium und Glukose, womit die Kuh meistens nach kurzer Zeit wieder aufstehen kann.

Die gängige Prophylaxemaßnahme gegen Michfieber ist die calciumarme Fütterung in der Transitphase. Mit einem speziellen Trockenstehermineralfutter, das sehr wenig Calcium enthält wir der Calciumgehalt der gesamten Ration soweit abgesenkt, dass die Kuh auf eine effizientere Calciumaufnahme trainiert ist.
Dabei läuft folgender Regelmechanismus ab: Bei niedrigem Calciumgehalt im Blut bildet die Nebenschilddrüse Parathormon, das die Mobilisierung von Calcium aus den Knochen bewirkt und in der Niere die Aktivierung von Vitamin D, das eine bessere Calciumaufnahme im Darm durch mehr Calciumtransporter in der Darmwand bewirkt.
Im Gegensatz dazu bildet bei hohem Calciumgehalt im Blut die Nebenschilddrüse Calcitonin, das die Einlagerung von Calcium in die Knochen bewirkt.
Die calciumarme Fütterung bringt die Kuh in einen leichten Calciummangel und sie ist dann in der Calciumaufnahme und der -mobilisierung so effizient dass sie zusammen mit der calciumreichen Fütterung nach der Kalbung kein Milchfieber bekommt. 
Gelernt habe ich das damals auf meinem Stammbetrieb Hofgut Neumühle, als mir das einer der Lehrlinge erklärt hat. 13 Jahre später kann ich sagen, dass das echt was fürs Leben war und sowas heute leider keiner unserer Lehrlinge hinbekommen würde...
 
Nach meiner Erfahrung klappt das am besten, wenn die Kuh 13 - 19 Tage lang vor der Kalbung so gefüttert wurde. Kürzer ist der Effekt nicht so hoch, länger verpufft er zunehmend wieder.

Mit dieser Fütterung hat man das Milchfieber gut im Griff, wenn alles mit der Fütterungs rund läuft, z.B. auch mit dem DCAB, dazu dann mehr im nächsten Post.
Die Krankheitsinzidenz von Milchfieber ist recht unterschiedlich, meist kommt es wellenweise, wenn irgendwas mit der Fütterung nicht stimmt. Erstkalbende Kühe sind extrem selten betroffen, weil sie zunächst nur verhalten mit der Milchproduktion starten. Mit dem Alter nimmt die Häufigkeit zu, weil einmal die Leistung der Kühe steigt (siehe auch Post vom 02.09.2020) und ältere Kühe im Darm weniger Calciumtransporter haben.
Ein größeres und häufigeres Problem ist das subklinische Milchfieber, das nicht ausbricht, aber die Kühe trotzdem einen Calciummangel hat mit negativen Auswirkungen z.B. auf die Pansenmuskulatur (als Folge Gefahr von Labmagenverlagerung) und die Gebärmuttermusulatur (Abgang der Nachgeburt). 

Für die Kuhblogleser mit Kühen kann ich Fachliteratur empfehlen:
"DLG - Kompakt: Erfolgreiche Milchfieberprophylaxe" ISBN 978-3-7690-3162-1 und
"Fütterungsempfehlungen für Milchkühe im geburtsnahen Zeitraum" ISBN 978-3-7690-0821-0
Mit dem zweiten habe ich damals in meiner Nachtschicht die Transitfütterung wieder auf die Reihe bekommen (siehe auch Post vom 25.12.2013).

Benjamin