Mittwoch, 27. Februar 2019

Trockenstellen - Teil 2

Medikamentelles Trockenstellen ist ein heikles Thema, weil es sich um die präventive Gabe von Antibiotika handelt und das ist im Tierbereich als generell BÖSE eingestuft. Was die Bauern natürlich nicht davon abhält ordentlich zu arbeiten und trotzdem die meisten Kühe mit Antibiotika trockenzustellen; in Deutschland dürften das dreiviertel der Milchkühe sein.

Dafür gibt es gute Gründe:
- Die "Reinigungswirkung" des Melkens fällt weg, beim Vormelken werden die ganzen Keime und Erreger, die über den Zitzenkanal ins Euter einwandern wollen rausgemolken. Die es schon weiter geschafft haben werden von der Melkmaschine mit herausgemolken und in der Molkerei wegpasteurisiert. Dieser Effekt fällt beim Trockenstehen weg und zudem ist die sich noch im Euter befindliche Restmilch bei angenehmen 38 °C ein idealer Nährboden. Erst nach einiger Zeit bildet sich ein Keratinpropf der die Zitzen recht gut abschließt.
- Kurz vor der Abkalbung öffnen sich die Zitzen aber wieder und bieten wieder eine Eintrittspforte und dann ist schon die Biestmilch da.
- Die Trockenstehzeit bietet die Möglichkeit subklinische Euterentzündungen auszuheilen. Das sind kleinere Entzündungsprozesse die unterschwellig ablaufen, ohne die Milch zu verändern oder die Kuh krank zu machen. Diese können dann mit Antibiotika behandelt werden, wenn eh nicht gemolken wird und so auch keine Milch wegen der Behandlung weggeschüttet werden muss.

Dafür gibt es drei Verfahrensweisen: Die häufigste - alle Kühe mit Antibiotika trockenstellen, zweitens alle Kühe ohne Antibiotika trockenstellen und drittens das Selektive Trockenstellen, die Entscheidung ob Antibiotika oder doch nicht und wenn ja welches kuhindividuell zu treffen.

Erstmal ein kleiner Exkurs zu den Zellzahlen. Die Zellzahl ist die Anzahl der Zellen die in einem Milliliter Milch enthalten sind. Dabei handelt es sich um weiße Blutkörperchen (Leukozyten) die mit der Milch ausgeschieden werden. Das hängt von Entzündungsprozessen im Euter ab. Und da immer irgendwo welche stattfinden sind auch immer Zellen in der Milch. Das Niedrigste, dass ich gesehen habe waren 5.000 Zellen pro ml, normal ist es im fünfstelligen Bereich, wo man es auch an der Milch nicht merkt, da die Zellen nur einige Mikrometer groß sind. Bei krankmachenden Euterentzündungen geht es meist über 1 Million, wo man schon Flocken in der Milch sehen kann und die Obergrenze der Laborgeräte sind 10 Millionen.

Das Selektive Trockenstellen hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen, vor allem auch weil Einsparung möglich sind gegenüber der generellen Verwendung von Antibiotika. Zunächst war ich da sehr zurückhaltend, hatte ich wegen der nicht allzu guten Eutergesundheit meiner Kühe Bedenken damit in die falsche Richtung zu gehen. 

Dann kam Arla mit dem Arlagarden und da ist das vorgeschrieben, halt zum Greenwashing "wir verwenden wenig Antibiotika", ganz egal wie es den Kühen dabei ergeht... Erst einmal wurde es ignoriert, aber dann beim Audit 2015 (siehe Post vom 05.06.2015) unter sofort abzuändern aufgelistet und dann beim nächsten trockenstellen umgesetzt und seitdem optimiert. 
Bei der Winterveranstaltung 2016 von Schaumann gab es auch eine Vortrag zum selektiven Trockenstellen (Gruß an Dr. Steinbeck!) und damals war ich von den über 30 anwesenden Bauern (erst) der Einzige der das gemacht hat.

Das aktuelle Schema:
- Bei Kühen die in den letzten drei Milchleistungsprüfungen (= Monate) vor dem Trockenstellen stets unter 100.000 Zellen pro ml Milch hatten wird ein Schalmtest (California Mastitis Test = CMT) gemacht. Bei diesem verklebt die Testflüssigkeit die Zellen in der Milch und wird dickflüssig, die Nachweißgrenze ist bei so 200.000 Zellen. Der Test wird für jedes Euterviertel gemacht und ist er bei einem positiv wird die Kuh antibiotisch trockengestellt. Ist er auf allen Vierteln negativ wir die Kuh ohne Antibiotika trockengestellt.
- Kühe die in einer der letzten drei Milchleistungsprüfungen mindestens einmal mehr als 100.000 Zellen pro ml Milch hatten werden antibiotisch trockengestellt.
- Kühe die seit der letzten Kalbung eine Euterentzündung hatten werden antibiotisch trockengestellt und das Medikament auf den nachgewiesenen Erreger angestimmt.
- Kühe die schon einmal an dem Erreger Staphylococcus aureus - ein ganz hartnäckiger Keim, der sich abkapseln und "schlummern" kann - erkrankt waren werden immer mit einem Medikament gegen diesen Erreger trockengestellt.

Die Antibiotika sind von pastöser Konsistenz und werden in die Zitzen eingespritzt und danach in jede Zitze noch interner Zitzenversiegler, der die Zitze von innen zuklebt, sodass viel weniger Keime eindringen können. Nach dem Abkalben wird der Zitzenversiegler wieder rausgemolken. Vom internen Zitzenversiegler bin ich absolut überzeugt, der trägt das Meiste dazu bei, dass die Kühe gut über die Trockenstehphase kommen.


So sieht es auf wenn der interne Zitzenversiegler nach der Abkalbung herausgemolken wird. Und wenn man das nicht ordentlich per Hand macht kommt alles in die Biestmilch und setzt sich unten im Eimer ab, aber unbedenklich für das Kalb:



 


















Insgesamt hat das selektive Trockenstellen dazu geführt, dass gut ein Drittel der Kühe ohne Antibiotika trockengestellt werden.

Die Aufgabe des Herdenmanagements dabei ist neben dem Heraussuchen welche Kühe zum Trockenstellen dran sind auch festzulegen welche Kuh was bekommt. Dafür habe ich die Listen in HERDE so weit voreingestellt; außer die Zellzahlen muss man noch bei jeder Kuh nachkucken.

Benjamin

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