Montag, 29. März 2021

Abkalbebox - Teil 1

Letztens gab es einen auf den Kuhblog weitergeleiteten Suchbegriff "Pläne Abkalbebox". Da bin ich natürlich wieder sehr darauf aus die Interessen der Leser des Kuhblogs zu bedienen. Vorneweg kann ich gleich sagen, dass ich keine Pläne zum Bau der perfekten Abkalbebox in der Schublade habe. Aber: Ich habe schon über 100 Milchviehbetriebe gesehen, Kuhställe ist da eher ein unpassender Begriff weil die meisten Betriebe hier in den NBL mehrere Ställe haben, mit den verschiedensten Verfahrensweisen. Mehrere tausende Abkalbungen habe ich schon miterlebt und in unterschiedlichen Abkalbeboxen Erstversorgung von Kuh und Kalb vorgenommen oder Geburtshilfe geleistet.
Daher habe ich mir Gedanken gemacht, was ich empfehlen würde oder wovon abraten und welche Punkte zu beachten sind.

Klar sind Abkalbeboxen eine super Nutzungsmöglichkeit für bestehende Altgebäude, aber bei einer Umbaulösung sollte man nicht zu viele Kompromisse eingehen. Einwände wie "bei unseren paar Abkalbungen pro Woche lohnt sich das doch gar nicht" lasse ich da nicht  gelten, denn eine gelungene Abkalbung ist der Grundstein für ein gut entwickeltes Kalb und ein guter Start für die Kuh in die Laktation. Als krasses Gegenbeispiel: Lohnt sich ein gut ausgestatteter Traktor eines "Premiumherstellers" für 400 bis 500 Betriebsstunden im Jahr? Wenn man sich die Traktor-Bundesliga mal ankuckt für die Meisten ganz klar...

Erstmal Sonderlösungen in Sachen Abkalbebox. Abkalbung im Boxenlaufstall, kenne ich Betriebe die das in großem Stil machen. Ein Vorteil ist, dass die Kuh nicht "mit dem Arsch zur Wand" liegen kann und das Kalb auf den Gang fällt. Nachteile sind Spaltenboden zwingend erforderlich, weil Schieber da viel zu gefährlich sind. Die Kuh kann sich nicht so gut ausstrecken, der enorme Aufwand das für Abkalbungen hygienisch genug zu halten und der
Platzbedarf, nicht mehr als so 50 % belegt.
Dann die Weidekalbung, wie es Jeff im Sommerhalbjahr macht (siehe Post vom 09.07.2019).
Vorteile sind der Platz, die Bewegungsfreiheit und die kalbende Kuh kann sich von der
Gruppe leichter absondern. Nachteile sind die Wettereinflüsse, der Bedarf an einer zusätzlichen Winterabkalbebox und für Geburtshilfe umständlichere Fixierung.
 
Einzel- oder Gruppenbox? In Einzelboxen sind die Kühe für sich alleine und können von den anderen nicht gestört werden. In eine Einzelbox passt keine zweite Kuh dazu, mit einer Gruppenbox ist man von der Belegung her flexibler bei Abkalbespitzen. Die Gruppenbox ist wegen den mehreren Plätzen darin natürlich größer was einem mehr Platz für Geburtshilfe usw. gibt.

Zweitnutzung: Generell keine! Nicht als Krankenbuchte, Frischabkalber usw. Das nimmt nur Platz weg und bringt Unruhe rein, wenn die zum Melken geholt werden. Für solche Kühe sollte es einen extra Stohbereich geben.

Position im Stall: In Sichtweite zu anderen Gruppen, dass sich die Kühe in der Nähe ihrer Herde wissen. Für das Personal sollte es leicht einzusehen sein, um den Geburtsfortschritt kontrollieren zu können ohne die Kuh zu stören. Was ich noch nie in der Praxis gesehen habe aber eine Überlegung wert wäre ist die Verkleidung einer Ecke der Box als Rückzugsort zur eigentlichen Kalbung, quasi der Waldrand des Wildrinds. Das wurde erfolgreich bei Versuchen der University of British Columbia getestet.
 
Platzbedarf: Faustzahl sind für ein Einzelbox 12 m², in Gruppenboxen 8 m² pro Kuh. Dann kommt es darauf an, wann die Kühe in die Abkalbebox kommen. Als das eine Extrem die Just-in-time-Abkalbung wenn die Klauenspitzen schon rausgucken. Das sehe ich nur für sehr große Betriebe machbar, wenn rund um die Uhr im Halbstundentakt die Transitgruppe kontrolliert werden muss. Das Gegenteil ist eine Gruppenbox in der die Kühe die gesamte Vorbereitungszeit sind und dann auch darin kalben.Und verschiedenste Stufen dazwischen.
Bei der Anzahl der verfügbaren Plätze darf nicht von der durchschnittlichen Anzahl an Abkalbungen ausgegangen werden, denn dann ist es die Hälfte der Zeit überbelegt. Daher einen Zuschlag einplanen für Abkalbespitzen. Meist werden im Sommer bei Hitzestress nicht so viele Kühe tragend und dann dafür im Herbst wieder mehr, quasi die "Aufgeschobenen". Dann sind 9 Monate später im Frühjahr weniger Abkalbungen und im Sommer mehr.
 
Einstreu: Am gängigsten ist komplett Tiefstreu in einem Einraumstall. Zweiraum mit einem Fressbereich gibt es auch, dann natürlich als Gruppenbox, bei einer Einzelbox bleibt sonst kaum noch Liegebereich übrig. Schieberenmistung ist im gegensatz zum Kalben im Boxenlaufstall kein Problem, weil die Kühe dann im Liegebereich kalben und nicht auf die Schieberbahn. Es gibt auch Abkalbeboxen mit Gummimatten, die sind deutlich leichter sauber zu machen, brauchen aber auch etwas Einstreu wie z.B. Strohmehl zum Binden von Feuchtigkeit sonst wird es rutschig.
 
Boden: Ein leichtes Gefälle braucht es, dass Urin/Jauche abfließen kann. Aber nur ganz leicht, wenn es zu steil wird kann eine Kuh möglicherweise nicht mehr hoch kommen, wenn sie auf der falschen Seite über ihren Schwerpunkt liegt. Bei Tiefstreu auf dem Boden Rauten eingefräst oder mit Besenstrich, dass die Kühe beim Aufstehen durch die (frische) Matte Griff haben und nicht wegrutschen.
 
Rein-Raus: Es kommt der Hygiene sehr zugute wenn die Boxen nach dem Rein-Raus-Prinzip bewirtschaftet werden oder zumindest regelmäßig komplett "leerkalben" gelassen werden, dass sie gründlich saubergemacht und nicht nur ausgemistet werden können. Dafür sollten die Boxen für das Ausmisten separat befahrbar sein und auch mit Schwellen voneinander getrennt, dass kein Wasser in die Nachbarbox fließen kann.
 
Tränken: Im Winter dieses Jahr hat es sich mal wieder bestätigt, dass die Tränken in der Abkalbebox aufgrund des geringen Wasserdurchsatzes schneller einfrieren, besonders die Schalen/Zungentränken oder "Pisstränken" wie ich als wegen des meist bescheidenen Wasserflusses dazu sage. Thermotränken eignen sich da gut dafür, habe ich in mehreren modernen Abkalbeställen gesehen, wo zwei Gruppenboxen nebeneinander eine sich zusammen teilen.
 
Fixiermöglichkeiten: In jeder Box einen sicheren Fangplatz für Geburtshilfe, Kolostrum melken usw. Die Luxusvariante dafür hat die Double A Dairy (siehe auch Post vom 02.11.2014). Da kalben aber auch um die 40 Kühe täglich. Wobei ich auch einen Betrieb in Deutschland kenne, der einen Erstversorgungsbereich hat mit einem Fangstand, Kälberwaage, Schreibpult für die Ohrmarkenvergabe und mehr.
Es gibt spezielle Fangplätze für Abkalbeboxen, wie die Cuddle-Box von Spinder (siehe auch Post vom 23.11.2016). Wo ich mittlerweile dem System nicht mehr kritisch gegenüberstehe wie damals. Von Jourdain gibt es auch ein ähnliches System, hat z.B. mein Stammbetrieb Hofgut Neumühle.
 
Melkmaschine: Da Kolostrum zeitnah nach der Kalbung ermolken werden soll weil es sonst durch die weitere gebildete Milch schnell verdünnt wird, sollte das noch in der Abkalbebox möglich sein. Dass man nicht auf die Melkzeiten angewiesen ist die Kuh da mit zu schicken. Öfters gibt es Eimer- oder Rohrmelkanlagen. Finde ich einen zu hohen Aufwand für die wenigen Melkungen dann. Im alten Neumühler Kuhstall war es noch vertretbar, da lag die Abkalbebuchte direkt neben dem Maschinenraum und die normale Vakuumpumpe konnte mit einer vielleicht 2 m langen Stichleitung mitbenutzt werden. Ich ziehe da eine Karrenmelkmaschine ("Mobilmelker") vor, die kann man auch für andere Fälle von nicht für den Melkstand geeigneten Kühen einsetzen.
 
Befahrbarkeit: Für mich kommt da nur komplett befahrbar in Frage, nach meiner Devise: Überall wo eine Kuh hinlaufen kann muss ein Hoflader auch hinfahren können (vgl. Post vom 18.06.2015). Wenn man einer Kuh z.B. wieder auf die Beine helfen muss. Und die Kälber wegbringen. Oder beim Ausmisten, dass man das nicht mit Forke und Schubkarre machen muss. Insgesamt um die Arbeit weniger körperlich anstrengend zu gestalten und die Technik nutzen zu können.

Tore: Sich über alle Tore ganz genau Gedanken machen. In welche Richtung die aufgehen sollen, wie die künftigen Wege sind. Am besten bei allen Toren um fast 180 Grad, dass dafür keine Pfosten oder Pfeiler im Weg sind. Und keine ausziebaren Tore, die sind mir ein Graus. Das ist eine Unsitte bei Stallplanern, wahrscheilich weil man sich da nicht groß Gedanken um die Position der Beschläge machen braucht... Aber da quält man sich nach Jahren jedes Mal dran ab, weil durch Staub und Dreck schwergäng oder verbogen, weil mal eine Kuh drauf gesprungen ist.
 
Kameras: In unseren Strukturen mit bezahlten Angestellten und festen Arbeitszeiten unüblich, weil aufwändig zu organisieren wer in den unbesetzten Zeiten dafür zuständig ist und andererseits sind die nicht so lang. Bei Einzelbauern aber deutlich häufiger, meist mit Fernzugriff übers Internet. Mal schnell bei der Ernte auf dem Handy nachschauen ob daheim alles in Ordnung ist. In Zukunft geht es dann in Richtung einer Abkalbeüberwachung mittels Bildanalyse (Gruß an Hubert!).

Außenrum: Fließendes warmes und kaltes Wasser in der Nähe, dass man das nicht weit zu schleppen hat z.B. für den Kuhtrank. Auch Steckdosen. Ordentliche Beleuchtung für die Geburtshilfe mitten in der Nacht. Dokumentationsmöglichkeiten für die Geburtsüberwachung (vgl.Post vom 07.05.2016).
 
Das wurde jetzt ein ziemlich langer Post, daher kommt im nächsten noch ein Beispiel einer sehr gelungenen Abkalbebox.
 
Fortsetzung folgt!
 
Benjamin

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