Mittwoch, 2. September 2020

Remontierungsrate vs Zuchtfortschritt

Jetzt kommt ein Post, der aus der unten stehenden Grafik entstand, die bei meinen Datenauswertungen zur verlängerten Laktation als Nebenprodukt abfiel. Mit etwas Rechnerei wurde da aber ziemlich viel daraus.

Vor paar Jahren habe ich mal überschlagen wie hoch denn der Zuchtfortschritt sein müsste, dass es sich lohnt die Remontierungsrate dafür zu erhöhen. Damals kam ich auf einen utopischen Zuchtfortschritt von 2.000 kg Jahresleistung pro Jahr. Den Rechenweg dafür weiß ich aber nicht mehr.

Der Hintergrund davon: Die Remontierungsrate ist der Anteil der Kühe die im letzten Jahr neu in die Herde gekommen sind, der Ersatz für abgegangene Kühe, egal ob freiwillig oder unfreiwillig aussortiert. Die Remontierungsrate liegt in Deutschland im Schnitt bei 32 - 33 %, also gut ein Drittel der Kühe pro Jahr. Schlechtere Betriebe kommen teilweise auf über 40 %, die besten auf unter 20 %.

Und dann gibt es doch nicht wenige Leute die meinen, dass man nicht unter 30 % Remontierungsrate gehen sollte, weil man sonst nicht genügend junge Kühe und damit die neueste Genetik bekommt. Ich beziehe das jetzt auf die Milchleistung, weil die mit 45 % am Gesamtzuchtwert die höchste Gewichtung hat und zudem gut nachvollziehbar ist.
 
Da sind dann aber gleich mehrere Denkfehler auf einmal dabei:
- der Zuchtfortschritt ist auch bei der Leistung vvergleichweise gering, man sagt als 70 - 80 kg pro Jahr. Wenn man durch eine bewusst hohe Remontierungsrate das Durchschnittsalter senken will kommen da nur wenige Monate raus. Eine Herde mit 35 % Remontierungsrate dürfte gegenüber einer mit 25 % geschätzte 10 Monate im Durchschnitt jünger sein. [Rechenformel siehte unten] Das wären knapp 65 kg Mehrleistung.
- Die hohe Remontierungsrate ist viel teurer. Geschätzt wird die Herde mit einer um einen Prozentpunkt höheren Remontierungsrate um gut einen Monat im Durchschnitt jünger. 1 Monat jünger wären 6,5 kg mehr Jahresleistung. Mal 15 ct (Milcherlös minus Futterkosten was die Kuh zusätzlich für die Mehrleistung fressen muss) sind rund 1 € pro Kuh und Jahr mehr.  1 % Remontierungsrate sind pro Kuh der Herde 1 % einer neuen Jungkuh mehr pro Jahr, bei Aufzuchtkosten der Größenordnung von 2.000 € sind das 20 € Zusatzkosten. Also äußerst unwirtschaftlich.
- Die schärfere Selektion auf der Kuhseite. Mit einer niedrigeren Remontierungsrate und weniger benötigten Jungkühen hat man mehr Auswahlmöglichkeit welche Kühe man zur Zucht der nächsten Generation nehmen möchte. Wenn man bei einer hohen Remontierungsrate 3/4 der Kühe braucht und nur auf das schlechteste Viertel verzichten kann, dann bei einer niedrigen auf die schlechtere Hälfte. Die Kuhseite kann dann deutlich mehr zum Zuchtfortschritt beitragen.
- Der physiologische Leistungsanstieg mit dem Alter der Kühe. Die Leistung steigt die ersten Jahre im Leben einer Kuh an. Dazu ist die Grafik. In der ersten Laktation geben die Kühe im Schnitt die wenigste Milch. Sie sind noch nicht ausgewachsen und können daher weniger fressen. Sie wachsen auch nach der ersten Kalbung noch weiter und sind erst im Alter von so vier Jahren komplett ausgewachsen. Da sie dann mehr fressen können geben sie auch mehr Milch. Die meisten Kühe erreichen dann zwischen der 3. und 5. Laktation ihre höchste Leistung, bei den 100.000-Liter Kühen eher in der 6. oder 7., das sind da die Langstreckenläufer. Bei Tina war es übrigens auch die 7.
Mit einer niedrigeren Remontierungsrate werden die Kühe älter (bzw. mit älteren Kühe ist die Remontierungsrate niedriger, hängt ja zusammen) und mehr Kühe der Herde sind dann in den Laktationen mit der höchsten Leistung. Somit ist dann auch die Durchschnittsleistung der Herde höher. 

Wieder als Ergebnis: Es gibt keinen Grund die Remontierungsrate hoch zu halten. Das Ziel muss so niedrig wie möglich sein, dass die Kühe möglichst alt werden.

Die Grafik; die durchschnittliche energiekorrigierte 305-Tage-Leistung für die Laktationen 1 - 7, darüber waren einfach zu wenige Kühe:






 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Meine Rechenformel:
1 / % Remontierungsrate = Nutzungsdauer der abgegangenen Kühe in Jahren
2/3 der Nutzungsdauer abgegange Kühe = durchschnittliche Nutzungsdauer lebende Kühe
+ Erstkalbealter = Durchschnittsalter lebende Kühe

Benjamin

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