Montag, 5. August 2019

Kühe Treiben

Mal was über das Treiben von Kühen bzw. Rindern, wo ich geschrieben hatte, dass das Führen am Strick sehr aufwändig ist. Einzige Ausnahme sind führige Rinder, aber bis dahin ist es ein weiter Weg des Trainings und somit für die Breite nicht praktikabel.

Die Grundlagen dazu: Rinder sind Fluchttiere und beobachten ihre Umgebung genau. Von der Kopfform mit den seitlich liegenden Augen haben sie fast einen Rundumblick. Dafür können sie nur in einem schmalen Winkel mit beiden Augen sehen und vor der Nase haben sie einen toten Winkel. Das merkt man daran, dass Kühe Abstand halten, dann herankommen um zu riechen und wieder zwei Schritte zurück treten. Auf der anderen Seite bzw. ihrer Rückseite sehen sie in einem recht weitem Bereich und haben nur direkt dahinter einen toten Winkel:



























Zudem sehen Kühe weniger scharf als Menschen, dafür Bewegungen deutlicher und auch Kontraste, bestes Beispiel sind die Hell-Dunkel-Übergänge nach Prof. Grandin.

Beim Treiben ist es so, dass die Rinder einem ausweichen und weg laufen wollen. Je nach Winkel gehen sie in die entgegengesetzte Richtung (von hinten) oder biegen ab (von der Seite). In Höhe der Schulter ist die Balancelinie, wenn man dahinter ist läuft die Kuh vorwärts, in gleicher Höhe bleibt sie stehen und davor geht sie zurück bzw. dreht sich um. Rückwärts laufen sie ungern, weil hinten der tote Winkel ist. Dass sie so problemlos vom Melkkarussell runtergehen ist reine Routine.

Das Standardkonzept zum Kühe Treiben ist das Low Stress Stockmanship, zu deutsch stressarmer Umgang mit Vieh. Mittlerweile wird es auch in der Berufsschule behandelt. Entwickelt wurde es ursprünglich von Bud Williams in den USA, müsste in den 1970/80er gewesen sein für die Arbeit mit den dortigen großen Mutterkuhherden. Für so Sachen wie Einfangen, Sortieren usw. Am besten lässt sich damit auf der Weide arbeiten, aber im Stall geht es ebenfalls, auch wenn da der Platz beengter ist.

Die Bereiche rund um die Kuh sind der Beobachtungsbereich, in dem Eindringlinge beobachtet werdern, dann der Bewegungsbereich in dem ausgewichen wird und der Individualbereich, in den möglichst niemand hineingelassen wird (also weglaufen). Diese Bereiche sind sehr tierindividuell, Mutterkühe haben meist größere Bereiche als Milchkühe, Färsen eher größere als Kühe und als Extremfall Truxa eigentlich gar keine, die muss man fast schon wegschieben:



























Beim Low Stress Stockmanship wird an der Grenze zwischen Beobachtungs- und Bewegungsbereich gearbeitet, man geht immer nur so weit, dass die Rinder gerade anfangen zu laufen. Wenn sie stehen bleiben geht man wieder ein Stück heran und sie laufen wieder. Da man genügend Abstand hat sind die Tiere nicht zu schnell und hektisch und man trifft viel leichter den passenden Winkel für die gewünschte Richtung. Zudem läuft meist nach kurzer Zeit die ganze Gruppe und man treibt sie wie ein einzelnes Tier, wobei man je nachdem wie man läuft dabei auch einzelne Tiere in eine anderen Richtung treiben und absonderm kann.
Das Ganze möglichst alleine, dass die Rinder nur auf eine einzelne Person reagieren und es kein Durcheinander gibt. Zudem ruhig, also sowohl nicht Rufen als auch nicht hektisch sein und auch die Körpersprache, weil sie ganz besonders auf die kleinen Zeichen achten. Da muss man schon ausstrahlen: "Ich bin der Chef und ihr lauft da hin wo ich es will!"

Das hört sich komplizierter an als es ist. Ich hatte das mal einfach so auf der Boberower Trockensteherweide ausprobiert: 25 Kühe von einem Hektar einsammeln und in den Stall bringen zum Transen raussortieren. Es hat nicht nur auf Anhieb weitaus besser geklappt als erwartet sondern ging auch noch viel schneller und meine Kollegen waren wie ich auch selber sehr beeindruckt von der Lässigkeit.

Benjamin

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