Gestern nahm ich an der Online-Veranstaltung der RBB teil: "Inzucht (K)eine Einbahnstraße? Vielfalt gezielt nutzen."
Inzucht ist ein Stück weit so eine diffuse Angst, dass irgendwann alle Rinder degenerieren. Bei einigen ist die Inzuchtvermeidung mit das Wichtigste in der ganzen Zucht; da werden manche Bullen aufgrund ihrer Abstammung kategorisch abgelehnt. Im Studium hat man Inzuchtgrade berechnet und auch die Zahl, dass bei den Holsteins die effektive Populationsgröße 80 beträgt. Also die 30 Mio. (?) weltweit verhalten sich durch die Zucht wie 80 die sich ganz zufällig ohne jegliche statistische Häufungen fortpflanzen.
1. Vortrag war von Dr. Rensing vom vit. "Wo steht die deutsche Holsteinzucht?" Erst einmal die ganzen Hintergrundzahlen zum Thema.
Durch die Zucht steigt prinzipiell der Inzuchtgrad an, weil die Anpaarung gezielt innerhalb der Population sind. Der Anstieg kann nur verlangsam werden, verringern geht nur die Einkreuzung anderer Rassen.
In Deutschland liegt der Inzuchtgrad der Population bei knapp 8 % mit einem jährlichen Anstieg von 0,15 %. Das ICAR (International Committee for Animal Recording) empfiehlt nicht mehr als 1 % pro Generation, bei so 4 Jahren Generationsintervall bei den Kühen wären das 0,25 % pro Jahr, bei denen man in den USA und Kanada liegt.
Zu den Befürchtungen über Inzucht:
- Inzuchtdepressionen, eher auf die Gesundheit und Fruchtbarkeit als auf die Leistungen bezogen. Da ist nicht so viel bekannt. Die Uni Wageningen hat dazu eine Studie gemacht aus den ganzen Satistiken der Milchkontrolle und dabei wurde berechnet dass die negativen Effekte der Inzuchtdepression nur 1 % der positiven des Zuchtfortschritts betragen.
- Rezessive Erbfehler treten auf. Mit der genomischen Zuchtwertschätzung können die Erbgänge aufgeklärt und die jeweiligen Genotypen aus der Zucht ausgeschlossen werden. Ein recht bekanntes Beispiel dafür ist das Cholesterin-Defizit, das vor paar Jahren auftrat und recht schnell weggezüchtet wurde.
- Verlust an Blutlinienvielfalt. Eigentlich ist ja die Zucht genau die Absicht die schlechtere Seite der Vielfalt auszuschließen. Es besteht aber die Gefahr, dass unbeabsichtigt die Varianz in züchterisch nicht bearbeiteten Merkmalen zu verringern. Mit dem Gefriersperma hat man aber eine Genreserve, mit der man zu jedem genetischen Zeitpunkt der letzten 60+ Jahre zurückkehren kann.
Die Inzucht wird in alte und junge Inzucht unterschieden. Die alte Inzucht ist mehr als 3 bis 4 Generationen her und hat sich in der Rasse etabliert und ist für der Charakteristik verantwortlich. So gehen die ganzen Holsteins wahrscheinlich auf nur 15 der Rinder zurück, die mal aus Holland/Friesland im 17. und 18. Jahrhundert nach Nordamerika kamen. Als Beispiel der alten Inzucht auch Hanoverhill Starbuck, von dem vor 6 Jahren über 90 % der Boberower Kühe abstammten (siehe auch Post vom 27.02.2015).
Die junge Inzucht ist innerhalb der letzten 3 bis 4 Generationen und sollte vermieden werden.
2. Vortrag war von Hrn. Meininkmann von der RUW und Hrn. Schnoor von der RSH über die Beachtung der Inzucht im Phönix-Zuchtprogramm. Dort sind beide als Sireanalysten ihrer Zuchtorganisationen bei der Bullenauswahl zuständig. In der Phönix-Group sind sie dafür zu neunt, also noch weit entfernt von den angestrebten Synergieeffekten, die wurden wahrscheinlich noch gar nicht bei den zurückliegenden Fusionen RinderAllianz und Qnetics genutzt...
Es wurden einige Beispiele von stärkerer Inzucht genannt. U.a. beim bedeutenden Goldwin (Großvater von Gisela) und unter den aktuellen Besamungsbullen finden sich einige aus Halbgeschwisterpaarungen. Besonders bei hornlosen Bullen wo so zwei P-Allele zusammengeführt wuden um ein PP zu erhalten.
Für das Phönix-Zuchtprogramm werden rund 1.000 Embryonen im Jahr importiert, dabei sind auch alternative Genetiken.
Wobei die Outcross-Bullen, also Bullen mit unübichen Abstammungen, zwar gefordert werden dann aber nicht so großen Absatz finden, weil in den Zuchtwerten meist schlechter.
Die genomische Zuchtwertschätzung hat zu einem geringeren Generationenintervall geführt und einem schnelleren Wechsel auf dem Bullenmarkt, sodass stark eingesetzte Bullen schneller nach hinten in den Vorfahrenreihen wandern. Als Beispiel fällt mir da Bookem ein, von dem mittlerweile die Urenkel schon "durch" sind.
Es gab noch eine Diskussion über die Größe, dass die aktuell eingestuften Jungkühe bei einer durchschnittlichen Kreuzbeinhöhe von 151 cm liegen und damit in paar Jahren Altkühe von 1,6 m keine Seltenheit sein werden. Als positives Beispiel wurde Martinius herausgehoben, der über eine Standardabweichung nach unten (87) abweicht. Aber da große Kühe auch schwerer sind und damit einen höheren Erhaltungsbedarf haben werden sie dadurch in der Futtereffizienz das Nachsehen haben, wenn irgendwann mal dieser Zuchtwert kommt.
Fortsetzung folgt!
Benjamin
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen