Sonntag, 12. Juni 2022

Zukünftiges Konzept

Wo ich mich in letzter Zeit wieder etwas mehr mit der verlängerten Laktation beschäftigt habe kam mir dabei der Gedanke dass man das "Laufenlassen" von brünstigen Kühen nicht gegeneinander abwägen könnte. Auf der einen Seite die Kühe nicht mehr krampfhaft tragend bekommen wollen und auf der anderen Seite die mit einer schlechteren Persistenz zu bevorzugen.

Hintergedanke dabei sind die gleichmäßigen Abkalbungen über das ganze Jahr verteilt. Also strikt asaisonal, keinerleit Abkalbespitzen im Jahresverlauf. Diesen Ansatz habe ich damals vom Herdenmanagerlehrgang mitgenommen: Wenn Abkalbeflaute ist gewöhnt man sich an diesen Zustand und schafft es bei der nächsten Abkalbespitze nicht mehr ordentlich. Oder man freut sich wenn im Kälberstall mal etwas Luft ist und dann gibt es wieder Zeiten in denen in jede Gruppe ein zusätzliches Kalb muss, Verkürzung der Tränkedauer, überfüllte Transitgruppe usw.
Also gleichmäßige Abkalbungen über das ganze Jahr um mit gleichbleibender Qualität und Effizienz arbeiten zu können.

Theoretisch wären das gleich viele Abkalbungen jeden Tag. Die Tragedauer streut aber um mehrere Wochen. Bei reinrassigen Holsteins (Holsteinkuh mit Holsteinbulle) sind es bei uns im Durchschnitt 278 Tage, innerhalb von +/- 3 Tagen liegen um die 53 %. So müsste man hinkommen jede Woche die gleiche Anzahl Kalbungen zu schaffen. 

Die folgenden Zahlen habe ich auf eine Herde von 1.000 Kühen bezogen, da ich in diesen mittlere bis großen Dimensionen unterwegs bin und es zudem nicht zu viele Stellen hinter dem Komma werden.
Mit der verlängerten Laktation nehme ich mal 950 Kalbungen im Jahr für die 1.000 Kühe an. Bei einer Remontierungsrate von 25 % sind davon 250 Kalbungen von Färsen.
950 Kalbungen im Jahr sind durchschnittlich 2,6 pro Tag, davon 0,7 von Färsen und 1,9 von Kühen. Insgesamt 0,9 weibliche Kälber für die Nachtzucht und 1,7 Mastkälber.
Die Färsen bilden den Grundstock der Abkalbungen. Dass jeder Tag zusätzliche Zwischenkalbezeit bei den Kühen 2 € kostet ist längst überholt, bei den Färsen kostet jeder Tag zusätzliches Erstkalbealter aber definitiv, denn sie geben noch keine Milch und nehmen auch Platz in der Jungviehaufzucht weg. 
Bei den Färsen ist der Zyklus bei entsprechender Brunstbeobachtung und Dokumentation bekannt und mit Wiegungen und Steuerung des Wachstums (dazu könnte ich auch mal einen Post schreiben) kann der Besamungszeitpunkt vorhergesagt werden.
Die Kühe füllen dann die Trächtigkeiten bis zu den 2,6 pro Tag auf. Da sie sich bei der verlängerten Laktation in der "Warteschleife" in einem stabilen Zyklus befinden können sie aus den anstehenden brünstigen Kühen ausgewählt werden. Mit zu berücksichtigten Faktoren wie Persistenz (Vorlaktation, Zuchtwert wenn es ihn dann gibt), Besamungserfolg, Abortrtae und Bedarf an weiblicher Nachzucht, dass man nicht die Trächtigkeiten für einen Tag alle gesext besamt und dann wieder der Kälberstall überlastet ist.
Und da das zu umfangreich bis unübersichtlich wird aus den ganzen anstehenden Brunsten gerade die richtigen Kühe und Färsen auszuwählen muss das computerbasiert erfolgen. Als Basis ein modernes Brunsterkennungssystem das über 95 % der Brunsten erfasst und dann Datenvernetzung mit Allem was es gibt. Künstliche Intelligenz wird es dafür wahrscheinlich nicht brauchen, aber entsprechende Algorithmen und lineare Programmierung.

Als Beispiel wie ich mir das so vorstelle:

3 Färsen sind brünstig und haben das passende Gewicht, bei 70 % Besamungserfolg wird mit 2,0 Trächtigkeiten zur Abkalbung gerechnet.
6 Kühe nach Ablauf der freiwilligen Wartezeit sind in der "Warteschleife" brünstig, bei einem Besamungserfolg von 55 % und 0,6 benötigten Abkalbungen werden dann 2 davon ausgewählt, nach Abwägung der Laktationskurven zueinander.
Eine Kuh wegen ihrer guten Eigenleistung und eine Färse wegen ihres genomischen Zuchtwerts werden mit weiblich gesextem Sperma besamt, die anderen mit Fleischrindersperma. 
Im Wochenmittel mit den Besamungen der anderen Tage geht es wieder auf mit 18 Trächtigkeiten, davon 6 Zuchtkälber.
 
Der Zeitrahmen für die Verwirklichung wird eher Jahrzehnte als Jahre dauern. Wobei ich mich natürlich auch total verschätzen kann. Zweite Hälfte der 2030er peile ich mal an.
 
Benjamin

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen