Dienstag, 18. Februar 2020

Milchtour - Teil 1

Die Stammleser des Kuhblogs werden sich vielleicht gewundert haben, dass es im Januar kein Bericht über den Tag des Milchrindhalters in Götz gab. Es waren nicht zeitliche Probleme die mir da in die Quere kamen sondern der fand gar nicht statt sondern wurde mit den Praxisseminaren im Frühjahr zu einer neuen Veranstaltung zusammengelegt: Der Milchtour.
Dafür war ich in Beeskow, südöstlich von Berlin, 25 km westlich von Eisenhüttenstadt. Beeskow ist die Kreisstadt des Landkreises Oder-Spree, dem "Land ohne Sonne", nach dem Kfz-Kennzeichen LOS. Daneben liegt der Landkreis Dahme-Spreewald, das Land der  Sonne (LDS). Im Februar ist aber hier im Norden generell ohne Sonne. Die Spreeregion ist die bedeutenste Milchviehregion Brandenburgs, wenn es das überhaupt so gibt.

Vormittags gab es Vorträge, nachmittags dann eine Betriebsbesichtigung.

1. Vortrag war von Dr. Römer vom Institut für Tierproduktion der Landesforschungsanstalt Mecklenburg-Vorpommern (LFA MV) über die Chancen und Risiken von verlängerten Laktationen. 

Seit einigen Jahren ist das in der Dikussion seit Prof. Kaske von der Uni Zürich auf einem sächsischen Betrieb eine doch aufsehenerregende Studien dazu gemacht hatte. Im Anschluss daran hatte ich 2017 auch in die Richtung experimentiert, aber es (vorschnell?) wieder aufgegeben, weil ich scheinbar die Kühe mit meinem "Steinzeit-Fruchtbareitsmanagement" nicht mehr rechtzeitig tragend bekommen hatte.
Die landläufige Meinung von jedem Jahr einem Kalb und entsprechend nur 6 Wochen nach der Kalbung bis zu ersten Besamung zu warten (freiwillige Wartezeit FWZ) stammt noch aus Zeiten als die Kühe Jahresleistungen von 3 - 4.000 kg hatten; heute ist es ungefähr dreimal so viel. Rückblickend auf die ganzen Daten der mecklenburger Testherden aus dem ProFit-Testherdenprogramm steigt aus wirtschaftlicher Sicht mit ansteigender Leistung auch die optimale Zwischenkalbezeit an; da kann man nun interpretieren, dass da auch schon in den 2000er besonders leistungsstarken Kühen aus dem Bauchgefühl raus mehr Zeit bis zur ersten Besamung gegeben wurde.
Prof. Kaske hatte in Sachsen einen Versuch durchgeführt, wo die Herde in drei Klassen eingeteilt wurde: 40, 120 und 180 Tage freiwillige Wartezeit bis die Kühe zur Besamung zugelassen wurden. Je länger die Wartezeit war, desto weniger Besamungen waren für die Trächtigkeit nötig und es gab weniger Fruchtbarkeitsprobleme, weil die Kühe mehr Zeit hatten und dann alles rund lief. Zudem stieg die Jahresleistung an, weil die Kühe länger eine höhere Leistung hielten (Persistenz). Das liegt daran, dass das Kalb Energie braucht und daher die Milchleistung der Kuh drückt. Bei einer längeren Zwischenkalbezeit ist mit der fixen Trächtigkeitsdauer (~ 280 Tage) dann der Anteil mit Trächtigkeit niedriger.
Dazu kommt noch der Ansatz, dass die Kalbung und die darauf folgenden 30 Tage die gefährlichste Zeit für die Kuh sind mit dem höchsten Abgangsrisiko. Wenn die Kuh diesen Zeitraum in ihrem Leben nicht so oft überstehen muss wird sie auch wahrscheinlich älter und da sie nicht so oft trockensteht gibt sie gesamt mehr Milch -> Melktage vs Futtertage.
Chancen gibt es viele: Vor allem weniger Arbeit mit abkalbenden und kranken Kühen, weniger Milchleistung zum Trockenstellen, wenn die Laktationskurve nicht so früh abgewürgt werden muss und längere Nutzungsdauer. Was mir gerade beim Schreiben jetzt
einfällt ist die Entlastung der Kälberaufzucht durch die geringere Anzahl der Kälber.
Die Risiken sind nicht so schwerwiegend meiner Einschätzung nach: Weniger Kälber zum Verkauf, weniger Jungvieh verfügbar, langsamerer Zuchtfortschritt, Verletzungsgefahr durch viele brünstige Kühe. Und vor allem die stärkere Abhängigkeit von einem straffen (Fruchtbarkeits)Management. Das ist aus meiner Sicht der entscheidende Faktor.
In der anschließenden Diskussion ging es auch darum, wie man die gute Persistenz von Jungkühen in der ersten Laktation nutzen soll. Jungkühe haben nicht so eine hohe Spitzenleistung wie Mehrkalbskühe, haben aber zum Trockenstellen meist noch höhere Leistungen. Daher die Frage wie lange man die erste Laktation ziehen soll, wo der größte Leistungssprung überhaupt mit dem Wechsel in die 2. Laktation stattfindet.
Gabi (siehe Post vom 07.03.2018) als Paradebeispiel für die genetische Veranlagung zu einer guten Persistenz wenn nicht tragend habe ich auch angebracht inklusive der Erwähnung dass sie zum Schluss nicht mehr ins Fressgitter passte.

Die verlängerte Laktation sehe ich als wichtiger Baustein für die Milchviehhaltung der nächsten Jahrzehnte an um das Gleichgewicht zwischen Kälbern (mehr Kalbungen pro Kuh, bessere Aufzuchtergebnisse) und Nachzuchtbedarf (längere Nutzungsdauer) wieder herzustellen.

2. Vortrag war von Dr. Jung, Direktor des Instituts für Fortpflanzung der Nutztiere in Schönow (IFN, Bernau bei Berlin): Tierhaltungscheck: Bevor andere prüfen. 

Dr. Kaufmann, stellvertretende Direktorin des IFN hatte schon auf der Testherdentagung
2018 (siehe Post vom 31.05.2018) darüber referiert. Das IFN hat mit dem RBB zusammen ein Beratungsangebot aufgebaut um das Tierwohl in der Milchviehhaltung erfassen zu können. Vor allem als eigenbetriebliche Kontrolle zur Schwachstellenanalyse.
Als anschauliche Beispiele fehlende Boxenbügel, dass die Kühe dann quer über zwei Boxen liegen, zwar schön ausgesteckt aber alles vollscheißen und entsprechend schmutzig sind. Oder kahle Stellen am Nacken durch falsch positionierte Nackenrohre.
Zum Schluss hatte Dr. Jung noch eine Folie mit dem Erfolgsrezept von Spitzenbetriebe, wo ich mir dachte, dass ich das genauso geschrieben hätte: Beste Futterqualität mit präziser Fütterung, qualifiziertes Personal, Gesundheitsmanagement, kein Hitzestress und Einsatz unterstützender Techniken.

Fortsetzung folgt!


Benjamin

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